Hamburger, die im Job vorankommen wollen, können sich von Businesscoaches beraten lassen. Ein Milliardenmarkt

Hamburg. Christoph Lauterbach spricht gern in Bildern. So, dass sein Zuhörer schnell verstehen kann, worum es geht. Da ist zum Beispiel die Bananenschale, die er heranzieht, wenn er seinen eigenen Beruf erklären soll. Lauterbach ist Coach – und was genau das ist, ist nicht jedem auf Anhieb klar. „Stellen Sie sich vor, die Bananenschale liegt vor Ihnen auf dem Weg“, sagt er also. „Mein Job ist es, mit Ihnen herauszufinden, ob Sie am besten links oder rechts daran vorbeigehen. Oder ob Sie einfach drüberspringen wollen.“

Noch nicht verstanden? Auch Corinna Kegel, eine Berufskollegin von Lauterbach, bedient sich eines bildlichen Vergleichs. „Coaching ist wie eine Kutschfahrt“, erklärt sie. „Der Coach bestimmt, wo die Reise hingeht. Und ich zeige ihm die Wege auf, die man dorthin nehmen kann.“ Was beide also sagen wollen: Es geht eher um die Lösung und etwas weniger um die Ursache eines Problems.

Für immer mehr Deutsche, die vor allem beruflich nicht weiterkommen – oder einfach erfolgreicher sein wollen – sind Menschen wie Lauterbach und Kegel willkommene Hilfe. Beide gehören zur auch in Hamburg wachsenden Zahl der Business- und Personalcoaches. Er arbeitet als Geschäftsführer für die Agentur Drive in Agency in Ottensen, sie hat ihre Praxis namens eigenart in Harvestehude.

Die Probleme ihrer Klienten, bei denen es sich oft um Führungskräfte und Selbstständige handelt, können dabei mitunter einfach sein. Soll ich für meinen Job von Hamburg nach München ziehen? Doch es geht auch komplexer: Etwa wenn es eine diffuse Unzufriedenheit mit der beruflichen Gesamtsituation gibt, die zur Belastung wird. Wenn sich Dauerstress zum Burn-out wandelt. „Der Start ist meistens, das Problem zu finden und zu benennen“, sagt Lauterbach. „Dann gibt es verschiedene Methoden.“ Manchmal würden zwei Sitzungen mit jeweils 90 Minuten Beratung ausreichen. Manchmal werden es jedoch 20 oder mehr.

Dass die Coachingbranche boomt, hat vor allem zwei Gründe: Zum einen sind die Anforderungen der Arbeitswelt gewachsen. Erst vor wenigen Tagen hatte eine Umfrage der Techniker Krankenkasse ergeben, dass mittlerweile sechs von zehn Deutschen ihr Leben als stressig empfinden. Je höher Einkommen und Karrierestufe, desto höher ist dabei die Belastung. Zum anderen liegt es aber auch an einer regelrechten Angebotsschwemme auf dem Coachingmarkt. Denn Coach ist kein geschützter Beruf, schon per Kurzseminar kann sich jeder einen grundlegenden Baukasten an Strategien aneignen, während andere viele Jahre und noch mehr Geld in ihre Ausbildung stecken. Und die kann teuer sein: In Hamburg kostet ein Wochenendworkshop mehr als 900 Euro, Lauterbach selbst hat mittlerweile 6000 Euro in sein berufliches Fortkommen investiert.

Laut einer Marktanalyse des Deutschen Bundesverbandes Coaching DBVC aus dem Jahr 2011 gibt es hierzulande rund 8000 Coaches, anderen Schätzungen zufolge könnten es aber auch doppelt so viele sein. Oder noch mehr. Genau zählen kann man das jedenfalls nicht, denn es gibt mindestens 15 Coachingvereine in der Bundesrepublik, weitere in Österreich und der Schweiz, außerdem diverse Berufsverbände. Ähnlich hoch ist auch die Zahl der Ausbildungswege und Zertifikate.

„Vor allem kommt es darauf an, dass ein Coach erfahren ist“, sagt Kegel, die seit 2001 selbstständig ist. Ihre Kunden gewinnt die 54-Jährige heute in erster Linie über Empfehlungen und ihre Website, erzählt sie. Kegel gehört zu den wenigen ihres Berufsstandes, die allein vom Coaching leben können und nicht auf Nebenjobs angewiesen sind.

Der Markt ist groß, in erster Linie in Europa und den USA. Rund eine Milliarde Euro werden mit Coaching weltweit umgesetzt, knapp die Hälfte davon in Großbritannien und der Bundesrepublik. Wer bei der Internetsuche Coaching in Hamburg eingibt, erhält auf einen Schlag Dutzende Ergebnisse und stößt auch auf Corinna Kegel. „Zuhören, fragen, Ziele klären, neugierig bleiben, begleiten“, wirbt sie auf ihrer Homepage. Ganz oben in der Liste steht auch Lauterbach. Der 41-Jährige wird ebenfalls von Unternehmen für Personaltrainings und mehrere Coachingklienten pro Woche gebucht.

Und um was geht es dabei meistens so? Auslöser für ein Coaching sei in den meisten Fällen zunächst ein rein berufliches Problem, sagt er. „Oft lässt sich das aber gar nicht vom persönlichen Bereich trennen. Da hängt vieles zusammen.“ Wer zum Beispiel über zu viel Stress im Berufsleben klage, habe vielleicht schon früh gelernt, dass Leistung oder permanente Stärke besonders wichtig sein müssen – und stresst sich deshalb auch im Haushalt oder im Familienleben. „Die wenigsten Menschen können das aber 365 Tage im Jahr aushalten“, sagt Lauterbach.

Nicht alle Methoden der Coaches sind wissenschaftlich anerkannt

Die Methoden, die in Coachings angewandt werden, tragen zum Teil abenteuerliche Namen wie „Neurolinguistische Programmierung“ oder „Transaktionsanalyse“. Oft geht es darum, Hintergründe zu erkennen, Prozesse zu verstehen und das Gelernte dann in Verhalten umzusetzen. Nicht alles ist dabei wissenschaftlich anerkannt, vieles sogar umstritten. Nicht jeder Coach, der sich darauf stützt, ist deshalb aber gleich ein Scharlatan. Der Coachingdschungel ist undurchsichtig.

Wie kann man nun als potenzieller Kunde ein Gefühl dafür bekommen, ob ein Angebot seriös ist oder nur esoterisch angehauchtes Pseudowissen beinhaltet? Kegel rät, auf eine solide Ausbildung zu achten und dann vor allem aufs Bauchgefühl zu hören. Entscheidend sei, als Klient dem Coach zu vertrauen. Und noch etwas sei wichtig: „Manchmal suchen die Leute jemanden, der ihnen die Entscheidung abnimmt und erwarten, dass der Coach die Probleme für sie löst“, sagt Lauterbach. „Solche Fälle lehne ich ab.“ Das ist auch bei Kegel so.

Um sich besser zu fühlen, sind die Klienten dennoch mitunter bereit, tief in die Tasche zu greifen. Bei Lauterbach kostet eine Sitzung rund 150 Euro, manche Coaches verlangen mehr als das Doppelte. Wirklich lukrativ ist das Geschäft aber für die wenigsten. Der durchschnittliche Jahresumsatz eines Coachs lag laut DBVC 2010 bei rund 41.200 Euro, 2006 waren es aber noch 28.700 Euro gewesen. Aktuellere Daten liegen nicht vor. Dennoch wächst die Masse der Coaches. Dies bekommt auch Lauterbach zu spüren. Allein in dem Gebäude, in dem seine Agentur ihre Räume hat, gibt es drei weitere Vertreter seines Berufsstandes. Auch in seinem Bekanntenkreis wird gecoacht. „Wenn ich ein Problem habe, gehe ich sogar selbst zu einem Coach“, sagt er. „Ein fachmännischer Blick von außen kann immer helfen.“