Mit Musikstück will das Lackierunternehmen Mankiewicz aus Wilhelmsburg die Motivation der Mitarbeiter steigern

Hamburg. Michael Grau fühlt sich wohl. Der Unternehmer aus Wilhelmsburg steht zwischen zwei haushohen Regalen mit chemischen Flüssigkeiten in der riesigen Lagerhalle an der Georg-Wilhelm-Straße. In der rechten Hand eine rote E-Gitarre, im Gesicht ein stillverklärtes Lächeln. Rock ‘n’ Roll in der Lackfabrik. Und rundherum verwunderte Gabelstaplerfahrer bei Mankiewicz & Co. So hat es Grau gern. Der Chef mag die Verwirrung.

Michael Grau ist jetzt 67 Jahre alt. Als die Rolling Stones im September 1965 erstmals in Hamburg rockten und 2000 Jugendliche vor der Ernst-Merck-Halle randalierten, war Grau 19 Jahre alt und drinnen. Seitdem lässt ihn diese Musik nicht mehr los. Bis heute nicht. Da ist es nur folgerichtig, dass einer der größten Arbeitgeber auf der Elbinsel für seine weltweit 1000 Mitarbeiter, von denen 400 in Hamburg beschäftigt sind, jetzt eine eigene Unternehmenshymne komponieren ließ: „Rockin’ Mankiewicz – Painting The Sky“, heißt das imposante Werk, das in Hamburg und wohl auch deutschlandweit nichts Vergleichbares kennt.

„Wir haben einmal herumgefragt, aber es ist uns nicht bekannt, dass es Hamburger Firmen mit einer eigenen Hymne gibt“, heißt es bei der Handelskammer, die 170.000 Unternehmen in der Hansestadt vertritt.

Auch deutschlandweit fehlt den Unternehmen die musikalische Visitenkarte. Mehr zufällig bekannt wurde nur der Air-Berlin-Song „Flugzeuge im Bauch/im Blut Kerosin“. Das Lied schaffte es 2007 von der Telefonhotline bis an die Spitze der Hörercharts von Radio Gong in München. Songprojekte bei Mercedes („Two of Us“) und DHL („Better than the Best“) blieben internen Präsentationen vorbehalten und wurden nicht veröffentlicht. Nicht zu verwechseln sind Firmenhymnen mit reinen Produktbegleitsongs, wie etwa für Bacardi („What a feeling“) oder Langnese („Like ice in the sunshine“).

In Japan ist das anders. Der „Demolition“-Song einer Abrissfirma schaffte es vor zehn Jahren sogar bis auf Platz 22 der nationalen Charts. „Wir zerstören Häuser! Wir zerstören Brücken! Sie engagieren, wir demolieren“, heißt es zutreffend im Chorus des Songs, der in Japan Kultstatus erreichte. „Dort hat praktisch jedes Unternehmen eine eigene Hymne“, sagt Michael Grau. Sein japanischer Geschäftspartner war es auch, der den Hamburger auf die Idee für die musikalische Motivation der Mitarbeiter brachte. „Wir haben mit ihm viel über Unternehmenskultur gesprochen und darüber, dass die Japaner ihrer Firma oft ein Leben lang treu bleiben“, sagt Grau. Vor rund drei Jahren fiel dann bei einem Geschäftsessen der entscheidende Satz: „Michael, da ist eine Sache, die ich bei euch in Deutschland vermisse – das ist ein Companysong.“

Für die Japaner ist eine Firmenhymne selbstverständlich, um die Verbundenheit mit ihrem Unternehmen auszudrücken, Teamgeist zu demonstrieren und auch als Dank an die Beschäftigten. Für Grau machen die Menschen den Unterschied aus. „In einer Branche mit hohem Wettbewerb ist letztlich die Leistung der Mitarbeiter der entscheidende Faktor für den Erfolg eines Unternehmens. Ich bin tief davon überzeugt, dass eine Firma ohne klares Profil keine Überlebenschance hat. Es geht darum, eine eigene Kultur zu entwickeln. Und dafür sind die Mitarbeiter entscheidend.“

Und weil Grau weiß, welche Kraft Musik haben kann, ließ ihn die Idee nicht mehr los. Er fand einen kongenialen Partner in Walter Wigand. Der NDR nannte den Hamburger einmal „den leidenschaftlichsten Musikproduzenten der Welt“. Wigand (aktuelles Album: „Havana Woman“) war begeistert vom Vorschlag seines Freundes und machte sich an die Arbeit. Schnell hatte er die Zeile für die Lackfabrik, die seit 1895 in Hamburg produziert und heute auf dem 80.000 Quadratmeter großen Firmengelände Hightechoberflächen für Gebrauchsgüter, Autos, Schiffe und Flugzeuge fertigt. „We are painting the sky!“ Die Welt ein bisschen bunter machen, darum ginge es doch, sagt Grau, der mit dem Lied einen glänzenden, exotischen Beitrag zur Popkultur liefern möchte – via Lack in die Charts sozusagen.

Und dafür lohnt sich fast jeder Aufwand. „Das muss im Etat drin sein, das Wichtigste sind nun mal meine Mitarbeiter“, sagt Grau. Den Gesang hat Walter Wigand mit den kubanischen Showgirls Chicas United in Havanna aufgenommen, abgemischt wurde die Rockhymne in Hamburg. Als die erste CD gepresst war, ist Michael Grau mit seinem Auto auf den Hof des Unternehmens gefahren, hat die Türen aufgerissen und die Anlage aufgedreht. Einige Fenster gingen auf, der erste Eindruck war Begeisterung.

Nun geht es darum, einen Anlass zu finden, den Song offiziell vorzustellen. Vielleicht wird das auf der Weihnachtsfeier sein, vielleicht gibt es auch vorher noch einen Anlass. Da hält sich Grau noch ein wenig bedeckt. Wie werden die Mitarbeiter reagieren? „Ich hoffe, sie lieben die Hymne“, sagt Grau. Aber manche werden vielleicht auch denken, jetzt ist der Chef total durchgeknallt. Würde ihn das stören? „Natürlich nicht“, sagt Grau, lacht und schwingt die E-Gitarre in der Hand.

Hören Sie in das Musikstück hinein unter www.abendblatt.de/firmenhymne