Mehrere Hundert Beschäftigte sorgen sich um ihre Arbeitsplätze und streiken auf dem Rathausmarkt - auch am Sonnabend. Doch die Kaufhäuser bleiben während der Proteste trotzdem geöffnet.

Hamburg. Carmen Böttcher kann sich den leicht ironischen Unterton in ihrer Stimme nicht verkneifen. „Wir sind jetzt ja alle Fashionheros“, sagt die Verkäuferin aus der Modeabteilung von Karstadt an der Mönckebergstraße. Seit sich die Essener Kette als Partner der gleichnamigen Castingshow auf Pro7 präsentiert, ist die englische Wortschöpfung zum allgegenwärtigen Schlagwort in den Häusern des angeschlagenen Unternehmens geworden.

Doch als „Modehelden“ können sich Böttcher und ihre Kolleginnen nun wirklich nicht sehen. Eher schon als Manövriermasse in einem Spiel von alten und neuen Eigentümern, in dem selbst die Manager vor Ort nicht mehr wissen, in welche Richtung der Konzern denn nun eigentlich steuert. „Bei all den Veränderungen in den vergangenen Monaten mache ich mir natürlich Sorgen um meinen Arbeitsplatz“, sagt die 49 Jahre alte Verkäuferin, die schon seit 1991 bei Karstadt arbeitet und zahlreiche Inhaber- und Managementwechsel miterlebt hat.

Was Böttcher zusammen mit mehreren Hundert Kolleginnen und Kollegen aus ganz Norddeutschland an diesem Freitag zur Demo auf den Hamburger Rathausmarkt treibt, sind vor allem die gebrochenen Versprechungen des Karstadt-Eigentümers Nicolas Berggruen. Der hatte nach der Übernahme des Unternehmens zunächst Bekenntnisse zu Tarifverträgen und Arbeitsplätzen abgelegt, dann aber den Abbau von 2000 Stellen und den zeitweisen Ausstieg aus dem Flächentarif bis 2016 abgesegnet.

Mitte September kündigte der deutsch-amerikanische Investor zudem an, sowohl Luxushäuser wie das Alsterhaus als auch sämtliche 28 Sporthäuser mehrheitlich an die Signa Holding des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko verkaufen zu wollen. Auch solche Absichten hatte Berggruen zuvor stets von sich gewiesen. „Da fühlt man sich schon richtig verschaukelt“, sagt Carmen Böttcher.

Große Sorgen um ihre Zukunft macht sich auch Susanne Güldner, die als Mitarbeiterin im Karstadt Sporthaus am Hauptbahnhof direkt vom Verkauf der Sparte betroffen ist. „Wir hängen völlig in der Luft und wissen nicht, was jetzt kommt“, sagt die 52-Jährige, die das Kassenteam in der Filiale leitet. Viele Kollegen mache diese Unsicherheit regelrecht krank. Was man bisher über den neuen Eigentümer Benko höre, mache ihr auch nicht gerade Mut. „Das scheint jemand zu sein, der eher auf den Profit und weniger auf die Mitarbeiter schaut“, sagt Güldner.

Aus Sicht der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di müssen sich die Karstadt-Eigentümer klar zu einer Standort- und Beschäftigungsgarantie bekennen und umgehend zum Flächentarif zurückkehren. Ver.di-Verhandlungsführer Arno Peukes ruft die Beschäftigten auf dem Rathausmarkt dazu auf, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen. „Eine Zerschlagung von Karstadt lassen wir nicht zu.“

Symbolisch verbinden die Mitarbeiter nach der Kundgebung mit einem Seil das Alsterhaus am Jungfernstieg, das Warenhaus an der Mönckebergstraße und das Sporthaus am Hauptbahnhof. Es soll ein Bild der Gemeinsamkeit sein und eine Demonstration der Stärke. Doch die Aktion hat auch etwas Hilfloses, denn während sich mehrere Hundert Beschäftigte auf der Straße versammeln, geht der Betrieb in den elf Karstadt-Häusern der Hansestadt nahezu ungerührt weiter.

Auch bundesweit kommt es an diesem Streiktag trotz Tausender Protestler nur zu wenigen, konkreten Auswirkungen in den Kaufhäusern. „Bis auf wenige Ausnahmen gibt es in den Karstadt-Filialen nur geringe Beeinträchtigungen“, sagt Karstadt-Arbeitsdirektor Kai-Uwe Weitz. Keine Filiale sei geschlossen. Er appelliert an die Arbeitnehmervertreter, gemeinsam am Tisch eine „pragmatische Lösung“ zu suchen, „um die nachhaltige Gesundung des Unternehmens nicht zu gefährden“.

Dass die Gewerkschaft an diesem Tag nicht mehr Beschäftigte von Karstadt mobilisieren kann, hat auch mit jenen Veränderungen zu tun, die bei Karstadt bereits stattgefunden haben. So arbeiten in den Mode- und Parfümabteilungen schon heute viele Verkäuferinnen, die überhaupt nicht bei der Kette angestellt sind. Stattdessen beziehen sie ihr Gehalt von bestimmten Markenartiklern, deren Produkte sie auf der Fläche präsentieren.

Bei Ver.di ist die Sorge groß, dass sich dieser Trend zu immer mehr Shop-in-Shop-Lösungen noch verstärken könnte. „Die Karstadt-Häuser dürfen nicht zu großen Einkaufszentren werden“, sagt Verhandlungsführer Peukes.

Auch am Sonnabend sind die Warnstreiks beim Kaufhauskonzern Karstadt weitergegangen. In Hamburg protestierten vom frühen Morgen an Mitarbeiter vor den Eingängen der Warenhäuser. Insgesamt rechnete die Gewerkschaft Ver.di in der Hansestadt mit rund 550 streikenden Karstadt-Mitarbeitern, sagte Verdi-Sprecher Arno Peukes. Gegen Mittag sollen sich die Mitarbeiter am Jungfernstieg treffen und gemeinsam mit Kollegen aus Flensburg demonstrieren.