BUND kritisiert Verwendung hormonell wirksamer Stoffe beim Hamburger Hersteller Beiersdorf. Wissenschaftler sehen aber kaum Gefahren

Hamburg. Es ist ein kleiner, aber schlagkräftiger Trupp von Demonstranten, der vor der Zentrale des Hamburger Nivea-Produzenten Beiersdorf Stellung bezogen hat. Rund 20 Aktivisten des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) sind am Mittwoch mit Spruchbändern und Plakaten angerückt, um gegen den Kosmetikhersteller zu protestieren. „Nivea ohne Hormone!“ steht auf ihren Transparenten.

Im Gepäck haben die Protestler etwa 80.000 Unterschriften von Verbrauchern, die sich gegen den Einsatz von hormonell wirksamen Chemikalien, sogenannten Parabenen, in den Produkten von Beiersdorf wehren. Zwar ist der Zusatz dieser Stoffe gesetzlich erlaubt und bewegt sich bei dem Hamburger Hersteller auch unterhalb der offiziellen Grenzwerte. Dennoch stehen die Parabene und andere „Risiko-Chemikalien“ nach Ansicht von BUND-Chemikalienexpertin Sarah Häuser im Verdacht, Brust- und Hodenkrebs zu begünstigen, die männliche Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen und bei Mädchen zu einer verfrühten Pubertät zu führen.

Problematisch sei vor allem, dass sich die hormonell wirksamen Stoffe aus diversen, über den Tag verwendeten Cremes und Pflegeprodukten im Körper aufsummierten, sagt Häuser. Auf diese Weise entstehe ein Hormoncocktail, der die genannten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit haben könne. Die Weltgesundheitsorganisation WHO fordere deshalb zu Recht, die Belastung der Menschen mit diesen Chemikalien zu verringern.

Der BUND hatte den Einsatz der hormonell wirksamen Stoffe vor einigen Monaten in einer Studie generell unter die Lupe genommen. Dabei kam heraus, dass fast jedes dritte Körperpflegeprodukt in Deutschland solche Chemikalien enthält. Besonders hoch waren die Anteile mit jeweils fast 50 Prozent bei den Marktführern Beiersdorf, Procter & Gamble (Wella, Head & Shoulders) und L’Oréal (Garnier, Men Expert). Bei Beiersdorf sind wiederum rund ein Drittel aller Nivea-Produkte mit den Stoffen versetzt, vor allem Bodylotions und Gesichtscremes. Einen genauen Überblick über die Ergebnisse gibt der BUND aus seiner Internetseite www.bund.net/toxfox.

Der Hamburger Konzern stellte sich am Mittwoch der Kritik der Protestler und diskutierte mit dem BUND rund eine Stunde über den Einsatz der Stoffe und mögliche Alternativen. Einen Verzicht auf Parabene plant Beiersdorf jedoch nicht. „Bei Parabenen handelt es sich um Konservierungsstoffe, die in vielen wasserhaltigen Kosmetikprodukten eingesetzt werden, um die Ausbreitung von Bakterien und Schimmelpilzen zu verhindern“, sagt Konzernsprecherin Inken Hollmann-Peters. Sie würden aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit und wissenschaftlich belegten guten Verträglichkeit seit rund 80 Jahren verwendet. Angesichts der gesundheitlichen Unbedenklichkeit bestehe keine Veranlassung, auf die Stoffe zu verzichten.

„Bei Beiersdorf steht die Verträglichkeit unserer Produkte für die Verbraucher im Mittelpunkt. Nivea-Produkte enthalten nur Inhaltsstoffe, die den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und die Sicherheit unserer Konsumenten gewährleisten“, führt Hollmann-Peters weiter aus. „Selbstverständlich prüft Beiersdorf generell auch den Einsatz von Alternativen zu Parabenen, die unsere hohen Anforderungen an Sicherheit und Verträglichkeit erfüllen.“ Allerdings sei man in der Forschung noch nicht so weit, dass man auf die etablierten Stoffe komplett verzichten könnte.

Unterstützung bekommt Beiersdorf vom Bundesamt für Risikobewertung (BfR), das dem Bundesverbraucherministerium unterstellt ist. Dort hält man die BUND-Kritik an den Stoffen für deutlich übertrieben. „Aus unserer Sicht sind Methyl- und Ethylparabene gesundheitlich unbedenklich“, sagte ein Sprecher dem Abendblatt. Eine geringe, hormonähnliche Wirkung habe sich allenfalls in Tierversuchen nachweisen lassen, die nicht eins zu eins auf den Menschen übertragen werden könnten. Manche alternative Konservierungsstoffe wiesen zudem ein allergisches Potenzial auf, sodass diese bislang keinen adäquaten Ersatz für die etablierten Stoffe darstellten.

Wie schwierig die Suche nach einer verträglichen Alternative zu Parabenen sein kann, hat Beiersdorf bereits selbst erfahren müssen. In seiner Naturkosmetikserie Pure & Natural verzichtete der Konzern nämlich schon auf die etablierten Stoffe und griff stattdessen auf den Austauschstoff Methylisothiazolinon zurück – mit einem niederschmetternden Echo.

Im ARD-Markencheck „Nivea“ prangerten die Autoren im Sommer ebendiese Paraben-Alternative als allergieauslösend an und kritisierten den Konzern dafür, dass man sich für diese Chemikalie entschieden habe, die unter anderem auch zur Haltbarmachung von Wandfarben verwendet wird.

Aus Sicht des BUND sind solche Rückschläge allerdings kein Argument dafür, nicht weiter nach anderen Konservierungsstoffen für Cremes zu suchen. Vom Verlauf der Gespräche mit Beiersdorf zeigten sich die Aktivisten enttäuscht. „Wir hatten gehofft, dass das Unternehmen einen Ausstiegsplan für hormonell wirksame Substanzen verkünden würde“, sagte Chemie-Expertin Häuser. Nun werde man weiter protestieren müssen.