Hamburger Biotech-Unternehmen forscht mit schwedischem Konzern an Wirkstoffen gegen Nierenerkrankungen

Hamburg. Hamburgs Biotechfirma Evotec forscht künftig gemeinsam mit dem britisch-schwedischen Pharmakonzern AstraZeneca. Es geht um das Aufspüren neuer Wirkstoffe, die bei Nierenerkrankungen helfen sollen. Sie werden von Evotec entwickelt, im Gegenzug erhält das Hamburger Unternehmen eine Vorabzahlung von AstraZeneca, deren Höhe am Montag nicht bekannt gegeben wurde. Zudem profitiert Evotec finanziell von Fortschritten in der Forschung und kann auf eine Umsatzbeteiligung hoffen, falls mithilfe der Hamburger ein neues Medikament auf den Markt kommen wird.

Allianzen mit großen Pharmakonzernen in der Medikamentenforschung sind das Kerngeschäft des Hamburger Unternehmens. Derzeit unterhält die Biotech-Schmiede neun Partnerschaften mit internationalen großen Pharmakonzernen und acht weitere mit Universitäten wie Harvard. Diese Zahl könnte weiter steigen. „In den nächsten fünf Jahren wird das Outsourcing in der Forschung um fünf bis zehn Prozent pro Jahr wachsen“, sagt Evotec-Chef Werner Lanthaler. Und da will sein Unternehmen kräftig mitverdienen.

Früher war es meist Zufall, wenn Wissenschaftler einen neue Heilsubstanz entdeckten. In den 1950er-Jahren gelang es Pharmaforschern dann, Moleküle aus dem menschlichen Stoffwechsel gezielt chemisch zu verändern, sodass sie zu Wirkstoffen gegen Krankheiten wurden. Inzwischen spüren Laborwissenschaftler im menschlichen Körper Strukturen (Targets) auf, die als Angriffspunkte einer Krankheit fungieren. Im Screening, also in einer Rasterfahndung, versucht Evotec die hilfreichen chemischen Substanzen zu identifizieren, die diese Targets hemmen oder aktivieren. Tausende von Wirkstoffen können so von dem Unternehmen an einem Tag durchleuchtet werden. Danach werden sie katalogisiert.

Inzwischen lagern mehrere Tausend Substanzen, die möglicherweise eines Tages gegen Krankheiten helfen, in der Wirkstoffbibliothek des Unternehmens. AstraZeneca erhält nun den Zugang zu einer ausgewählten Serie von Molekülen, die Evotec mit seiner Test-Technologie als möglichen Wirkstoff gegen chronische Nierenerkrankungen identifiziert hat. „Vor 18 Monaten hatten wir noch keine Kompetenz beim Thema Nierenerkrankungen. Jetzt gehen wir in das Gebiet aufgrund unserer Technologieexpertise hinein“, so Lanthaler. Der Vorteil für Evotec besteht darin, dass die Pharmakonzerne dem Unternehmen sämtliche Forschungsaufwendungen erstatten. Im Erfolgsfall fließen zusätzlich Zahlungen in Millionenhöhe. Und wenn aus einem Wirkstoff tatsächlich eines Tages ein Medikament wird, kann Evotec in den meisten Fällen auf eine Umsatzbeteiligung hoffen. Ein Mittel gegen Diabetes, das so entstand, ist laut Lanthaler besonders erfolgreich. Es könne 2015/16 auf den Markt kommen. Auch bei einem Wirkstoff gegen Alzheimer sei man vorangekommen.

Erst kürzlich hat Evotec eine Zahlung in Höhe von vier Millionen Euro erhalten

Erst vor knapp einer Woche hat das Unternehmen in der Forschungsallianz mit dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim eine Zahlung in Höhe von vier Millionen Euro erhalten, weil es bei der Krebsforschung einen klaren Schritt weitergekommen ist. Den Hamburger Forschern gelang es, eine neue Substanz in die vorklinische Entwicklung zu bringen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende der Forschung tatsächlich ein medizinisches Produkt herauskommt. Mit seiner technologischen Kompetenz will das Unternehmen nun auch für andere Bereiche in der Wirkstoffforschung zur Verfügung stehen. Mit der US-Universität Harvard wurde erst kürzlich eine Forschungsallianz zur Suche nach neuen Wirkstoffen gegen die Muskelschwäche-Krankheit gegründet.

„Wir investieren in die Wissenschaft, damit wir auch in Zukunft Medikamente entwickeln können, die Patienten einen echten Nutzen bringen. Mich freut die Kooperation mit unserem Hamburger Nachbarn Evotec besonders. Gemeinsam wollen wir dazu beitragen, Deutschland wieder zu einem führenden Standort der Pharmaforschung zu machen“, sagte Dirk Greshake, Geschäftsführer von AstraZeneca Deutschland in Wedel. „Unser Ziel ist es, effektive Behandlungsmethoden zu identifizieren und zu entwickeln, die den Rückgang der Nierenfunktion von Patienten mit Nierenerkrankungen stoppen oder verlangsamen können“, so Marcus Schindler, der bei AstraZeneca unter anderem den Bereich Metabolische Krankheiten und Stoffwechselstörungen betreut. Evotec hat 2012 rund 87,26 Millionen Euro Umsatz und einen Gewinn in Höhe von 2,5 Millionen Euro erwirtschaftet. Bis 2016 will Evotec pro Jahr seinen Umsatz jeweils prozentual zweistellig erhöhen.