Seit Monaten gibt es Lieferengpässe beim Hamburger Traditionsgebäck. Doch der Hersteller verspricht eine Lösung

Hamburg. Sie sind braun, kross und erinnern mit ihrem würzigen Duft nach Zimt und Nelken schon ein bisschen an Weihnachten. Viele Hamburger können sich den Herbst und die Wintermonate ohne Kemm’sche Kuchen kaum vorstellen. Doch seit einigen Monaten gibt es in norddeutschen Supermärkten das Hamburger Traditionsgebäck nur noch vereinzelt oder gar nicht mehr zu kaufen. Viele Keksfans stehen vor leeren Regalen.

„Wir haben im Augenblick leider mit gewissen Lieferengpässen zu kämpfen“, sagt der Krefelder Keksproduzent Helwig Gruyters, der seit Mitte der 90er-Jahre die Markenrechte an den Kemm’schen Kuchen besitzt. „Jeden Tag erreichen uns Briefe und E-Mails von treuen Hamburger Kunden, die unsere Kekse nicht bekommen können.“ Man arbeite aber mit Hochdruck an einer Lösung.

Das in Hamburg erfundene Traditionsgebäck hat eine ausgesprochen turbulente Geschichte mit zahlreichen Eigentümerwechseln, Umzügen und Pleiten hinter sich. Angesichts dessen grenzt es schon fast an ein Wunder, dass es die Braunen Kuchen überhaupt noch gibt.

Die Entstehung reicht bis ins Jahr 1782 zurück. Damals hatte es die Bäckerei und Konditorei Kemm gar nicht so leicht, als sie in Altona erstmals ihre braunen, mit Sirup gebackenen Kekse verkaufte. Denn an jeder Ecke gab es zu dieser Zeit Geschäfte, die Backwaren feilboten. Die Konkurrenz war groß. Doch den Altonaern schmeckten die neuen Kekse, der Laden florierte und blieb bis 1889 in Familienbesitz.

Auch unter den neuen, wechselnden Eigentümern wuchs die Firma J. G. Kemm GmbH weiter und war schließlich so erfolgreich, dass Anfang des 20. Jahrhunderts auf der grünen Wiese in Lokstedt die kemmsche Kuchenfabrik entstand. Mitte der 1990er-Jahre hatte die Firma immerhin noch rund 60 Beschäftigte, die am Lokstedter Steindamm nicht nur Braune Kuchen, sondern auch anderes Gebäck wie Friesentaler und Heidesand herstellten.

Das Unternehmen war allerdings zu klein, um noch dauerhaft gegen Keksriesen wie Bahlsen oder Billigproduzenten bestehen zu können. Die damaligen Inhaber verkauften es daher an die Wilhelm Gruyters GmbH aus Krefeld, ein Familienunternehmen, das aus einer erfolgreichen Zwieback- und Waffelfabrik hervorging. Die Hamburger Produktionsstätte wurde geschlossen. „Ich habe die Rechte und die Rezeptur an den Kemm’schen Kuchen damals übernommen, um unsere Tochtergesellschaft im sächsischen Großröhrsdorf besser auslasten zu können“, erzählt Unternehmenschef Helwig Gruyters, 66. Jahrzehntelang kamen die urhanseatischen Kekse daher aus dieser Fabrik, die zu DDR-Zeiten Teil des Kombinats „Dresdner Dauerbackwaren“ war. Doch Fehlplanungen und eine zu große Produktionsstätte ließen die Tochter 2011 in die Insolvenz rutschen. Ein anderer Keksproduzent sprang in die Bresche und übernahm den Standort unter einem anderen Namen. „Dieser Produzent hat uns Ende vergangenen Jahres zugesagt, Kemm’sche Kuchen auch weiterhin für uns zu backen“, sagt Helwig Gruyters. Doch die neuen Geschäftspartner hätten sich nicht an diese Absprache gehalten und die Belieferung eingestellt. „Das war ein Versuch, uns vom Markt zu verdrängen“, erklärt der Keksfabrikant verbittert.

Zwei neue Lieferanten übernehmen Herstellung

Von heute auf morgen sei man gezwungen gewesen, sich einen neuen Lieferanten für das Traditionsgebäck zu suchen. Zwar gebe es auch eine eigene Produktionsstätte in Krefeld, doch diese sei bereits mit der Herstellung von anderem Gebäck weitgehend ausgelastet. In normalen Jahren setzt Gruyters rund 800.000 Beutel jährlich der Kemm’schen Kuchen ab – vor allem in Hamburg und Umgebung.

Vor einigen Wochen ist es Gruyters nun gelungen, zwei neue Produzenten für das beliebte Gebäck zu gewinnen, deren Namen er allerdings nicht nennen möchte. „Diese haben auch schon mit der Herstellung angefangen, es dauert aber eine ganze Weile, bis wir die Rückstände der vergangenen Monate aufgeholt haben.“ Große Abnehmer wie die Hamburger Drogeriekette Budnikowsky habe man schon wieder mit Ware versorgen können. Der Keks-Chef geht davon aus, dass sich die Situation bis Mitte November komplett normalisiert haben dürfte. „Dann hoffen wir auf eine möglichst große Nachfrage im wichtigen Advents- und Weihnachtsgeschäft“, sagt Gruyters.