Laut Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) gingen vergangenes Jahr 7,6 Prozent des gesamten Pkw-Reifen-Verkaufs hierzulande über Online-Vertriebe an die Verbraucher.

Hannover. Sebastian Vettel hat gut lachen. Der Formel-1-Star strahlt im Internet als Werbepartner auf der Startseite des Berliner Online-Reifenhändlers Tirendo. In einem Werbespot erklärt er einem Kumpel, wie wichtig Winterreifen doch seien – natürlich am besten gekauft per Mausklick bei Tirendo. Dieser Handelskanal, bei dem die online bestellten Pneus direkt an die Verbraucher oder an ausgewählte Werkstattpartner gehen, mischt die Branche kräftig auf.

Großes Aufsehen herrschte zuletzt am 16. September. Da gab Europas größter Online-Reifenhändler Delticom bekannt, den Konkurrenten Tirendo geschluckt zu haben. Der Branchenriese aus Hannover ist noch keine 15 Jahre alt, inzwischen aber schon in 42 Ländern aktiv, bewegt sich in Richtung einer halben Milliarde Euro Jahresumsatz und zählte im Geschäftsjahr 2012 allein 470.000 Bestandskunden. Erstkontakt mit Neukunden vergangenes Jahr: 850.000-mal. Die Shops der Hannoveraner preisen gut 100 Marken mit mehr als 25.000 Reifenmodellen an. 96 Prozent des Geschäfts laufen direkt mit den Endverbrauchern, der Rest entfällt auf den Großhandel, der auch über Delticom-Kanäle bezieht.

Klein ist die Nische nicht mehr. Laut Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) gingen vergangenes Jahr 7,6 Prozent des gesamten Pkw-Reifen-Verkaufs hierzulande über Online-Vertriebe an die Verbraucher. Das sind 3,6 Millionen Reifen. Und der Trend zeige nach oben. „Etwa 15 Prozent Anteil bis zum Jahr 2020 halten wir für realistisch“, berichtet BRV-Geschäftsführer Hans-Jürgen Drechsler. „Wir gehen davon aus, dass das sukzessive an Bedeutung gewinnt.“

Der Branchenexperte macht keinen Hehl daraus, dass neue Mitspieler wie Delticom und Tirendo das über Jahrzehnte gewachsene Gefüge aus Herstellern, Autohäusern, Kfz-Werkstätten sowie Groß- und Fachhandel kräftig aufwirbeln. Schließlich herrsche beim Gros der Branche eine Mischkalkulation in dem Geschäft, bei dem sich die Serviceleistungen wie Räder einlagern, umstecken oder auswuchten kombinieren mit der Marge aus dem Reifeneinkauf, wenn der Kunde wieder neue braucht. Doch die hat er nun immer öfter selber online bestellt. „Wegdiskutieren kann man diesen Verkaufskanal nicht mehr“, sagt Fachmann Drechsler.

Und irgendwie verbindet die Werkstätten, Fachmärkte und Autohäuser auch eine Hassliebe zum Online-Wettbewerb. Allein Delticom hat 8400 Servicepartner in Deutschland, zu denen Kunden ihre online gekauften Reifen schicken lassen können. Etwa 80 Prozent der Internetkunden, so schätzt der BRV, verfahren so oder bringen die Reifen selber zu einem Montagepartner. Die restlichen 20 Prozent erledigten das mit eigenem Aufziehwerkzeug oder beim Bekannten in der Hinterhofwerkstatt. Oder sie bestellten gleich mit Felge und schraubten die Räder selber fest.

Der Reifenfachhandel hat mit dem Onlineportal Gripgate schon eine Plattform für den Gegenangriff. „Wir geben jetzt Gas“, sagt BRV-Geschäftsführer Drechsler. Denn bei einem gesättigten Markt wie Deutschland ist klar: Online gewinnt auf Kosten von Offline.