Wie begegnen Medienunternehmen dem technischen Wandel? Auf ihrer Amerika-Reise suchen 100 Wirtschaftsvertreter aus Hamburg nach Antworten

New York City. Eine junge Frau steht vor einem Bürocontainer mit einer Arbeitsplatte, sie spricht mit ihrem iPad: „Julia, zeig mir die Rezepte für die Pasta.“ Julia zeigt, angesteuert von der elektronischen Spracherkennung, eine Auswahl von Rezepten für Nudelgerichte. Die werden dann auf die interaktive Arbeitsplatte projiziert. Die Frau tippt eines der zahlreichen Rezepte an. Dann werden im Einzelnen die Zutaten auf der Arbeitsplatte gezeigt. Als nächstes könnte die Frau nun ein Video anklicken, auf der eine stadtbekannte Köchin vorführt, wie man aus diesen Zutaten ein besonders leckeres Essen zubereitet. Oder sie versucht es einfach mal auf eigene Faust.

IPad „Julia“ und die interaktive Küchenplatte sind Teil eines Demonstrationsvideos, das Alexis Lloyd und Matthew Boggie an diesem Morgen der Hamburger Wirtschaftsdelegation von Senator Frank Horch (parteilos) in einem Konferenzraum der New York Times vorführen. Die beiden gehören zu einem siebenköpfigen Team der Research & Development Group bei der berühmtesten Zeitung der Welt. „Wir schauen uns Technologien an, die in den kommenden fünf Jahren wichtig und für den Alltag relevant werden könnten“, sagt Boggie. „Innerhalb von drei bis sechs Monaten entstehen hier im kleinsten Kreis aus Ideen Produkte. Wir stehen dabei nicht unter dem kommerziellen Druck, dass damit sofort Geld verdient werden muss. Bei großen Innovationen braucht so etwas ohnehin einen jahrelangen Vorlauf.“ New York, eine der wichtigsten Medienstädte der Welt, erlebt den Übergang von althergebrachten zu den neuen Medien mit voller Wucht. Und die städtische Wirtschaft und Politik will diesen epochalen Wandel mitgestalten.

Mehr als 600.000 zahlende Abonnenten konnte die New York Times bislang für ihr Onlineangebot gewinnen. Das ist aber nur ein Ansatz, um das schrumpfende Geschäft mit bedrucktem Papier abzufangen. Im Testlabor des traditionsreichen Medienhauses geht es darum, die klassische Mediennutzung mit neuen Technologien, aber auch mit Bedürfnissen des Alltagslebens zu vernetzen, die bislang auf digitalem Weg nicht bedient wurde. Das eigene, mehr als 162 Jahre umfassende Archiv wird dabei ebenso auf neue und bessere Verwertbarkeit hin analysiert wie die täglichen Inhalte der Internetseite. IPad Julia wird als Küchenhilfe ebenso getestet wie ein elektronischer Wohnungsschlüssel, den man per Mail angeblich sicher an seine Besucher versenden kann, sofern man zu Hause über ein elektronisches Türschloss verfügt.

„Zwischen Hamburg und New York gibt es gerade beim Umbruch in der Medienwirtschaft unglaublich viele Parallelen“, sagt Uwe Jens Neumann, Co-Chef der Hamburgischen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Teilnehmer der Delegationsreise. „Beide sind Hochburgen der klassischen Medien Print, Fernsehen und Radio. Und beide versuchen, neue Technologieanbieter an den Standort zu holen, damit sie sich dort mit Medienunternehmen vernetzen.“ Informationstechnologie und Medien sind einer der drei Schwerpunkte bei der Delegationsreise der Hamburger Wirtschaftsbehörde, die mit rund 100 Teilnehmern die bislang größte Veranstaltung dieser Art des Hamburger Senats ist. Zudem geht es in New York, Boston und in den kanadischen Städten Montreal und Ottawa um die maritime Wirtschaft und um die erneuerbaren Energien.

Die Hafenwirtschaft und die Schifffahrt prägen Hamburg seit Jahrhunderten. Speziell bei der Ansiedlung von Unternehmen aus der Windkraftbranche hat die Hansestadt in den vergangenen zehn Jahren den Rang des wohl wichtigsten europäischen Zentrums errungen. Weit weniger bekannt ist die Ballung von Unternehmen aus der Informationstechnologie, die sich in den vergangenen Jahren an der Elbe angesiedelt haben oder die dort gegründet wurden. Die Deutschlandzentralen von Google oder Facebook sitzen ebenso in Hamburg wie der Internet-Spielehersteller Bigpoint oder das Unternehmen Smaato, das weltweit Werbung für Mobilfunk-Apps vermarktet.

680 Unternehmen wirken im Branchenverein Hamburg@work zusammen, der zu Beginn des Internetbooms 1997 gegründet worden war und dessen Vorsitzender Neumann ist. „Hamburg hat seine Bedeutung in der neuen Informationswelt längst noch nicht deutlich gemacht. Hamburg ist zum Beispiel, vor allem durch Otto und Tchibo, die Hauptstadt des Internethandels in Europa“, sagt Smaato-Mitbegründerin Petra Vorsteher, stellvertretende Vorsitzende von Hamburg@work, die in San Francisco und in Hamburg arbeitet. 45 der rund 100 Smaato-Mitarbeiter sitzen in Hamburg, darunter die gesamte Entwicklungsabteilung.

Vom kalifornischen Silicon Valley aus, dem globalen Zentrum der Informationstechnologie, werde die Entwicklung in Deutschland aufmerksam verfolgt – wegen der wirtschaftlichen Bedeutung des Landes für ganz Europa, aber auch wegen des Potenzials an jungen, gut ausgebildeten Menschen. „Hamburg steht bei der Entwicklung neuer Medien, bei der Vernetzung von Informationstechnologie und Medien oft im Schatten von Berlin“, sagt Vorsteher. „Berlin hat es in den vergangenen Jahren sehr gut verstanden, sich als Standort für die Kreativen zu vermarkten.“ So siedelte zuletzt etwa das Internet-Portal Twitter seine Deutschlandzentrale in der Hauptstadt an.

Berlins Sogwirkung spornt Uwe Jens Neumann an. „Wir konzentrieren uns bei der Wirtschaftsförderung in diesem Bereich mittlerweile völlig auf Nordamerika. Ich bin regelmäßig in den USA, an der Ost- wie an der Westküste“, sagt er vor der gewaltigen Hochhauskulisse an der 7th Avenue in New York. „In New York können wir vor allem lernen, wie die Stadt das Thema Medientransformation so effektiv wie möglich konzentriert. Da sind wir in Hamburg bislang noch nicht gut genug.“ Parallelen zwischen den beiden Städten sieht Neumann auch deshalb, weil Technologieunternehmen mittlerweile in diese Zentren streben, um gemeinsam mit klassischen Medien neue Geschäftsmodelle aufzuspüren. „In Kalifornien lief es seinerzeit ganz anders“, sagt er. „Dort gingen Technologieunternehmen wie Google oder Apple dazu über, selbst mediale Inhalte zu vermarkten.“

In New York lernt die Hamburger Delegation, wie wichtig die Ostküstenmetropole die Förderung der neuen Medien nimmt. Bürgermeister Michael Bloomberg, dessen dritte Amtszeit Ende dieses Jahres ausläuft, habe schon zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts erkannt, dass die städtische Wirtschaft breiter aufgestellt werden müsse, sagt Carlton Vann, Direktor der Abteilung für internationale Wirtschaft beim Büro des Bürgermeisters. Vor der Welt-Finanzmarktkrise steuerte die Wall Street 30 bis 40 Prozent des städtischen Steueraufkommens bei – im großen Crash des Jahres 2008 erwies sich das als fatal.

„Wir sind froh, dass wir eine starke Finanzwirtschaft in New York haben, wir wissen aber auch, dass deren frühere Wachstumsraten nicht wiederkehren werden“, sagt Vann. Diversifizierung, der Ausbau des Hochtechnologiesektors, des Tourismus, der neuen Medien, das sei das Gebot der Stunde. In New York City, das in etwa die Wirtschaftsleistung der Schweiz erbringt, sei speziell die Förderung der neuen Medien Chefsache, angesiedelt direkt beim Bürgermeister, sagt Vann. Immerhin: Das gilt, seit dem Amtsantritt von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im Jahr 2011, auch für Hamburg.