Braucht Deutschland nicht auch eine Tea-Party, eine politische Gruppe wie in den USA, die höhere Steuern und Staatsschulden radikal ablehnt? Egal mit wem die CDU/CSU in Berlin koalieren wird, den Deutschen drohen höhere Abgaben. Denn SPD wie Grüne fordern, dass die neue Regierung die Steuern anhebt. Und Widerstand ist von der Union nicht zu erwarten. An der Steuerfrage wird sie die Koalitionsgespräche nicht scheitern lassen.

Allerdings ist die Tea-Party keine reine Anti-Steuer-Bewegung. Ihr geht es um mehr: Sie will das politische Establishment in Washington aufreiben und den Staat derart stutzen, dass er nur noch rudimentäre Aufgaben erfüllen kann. Wer beispielsweise kein Geld hat, sich krankenversichern zu lassen, hat eben Pech gehabt. So sieht es die Tea-Party; solch eine antistaatliche Politgruppe brauchen die Deutschen nicht. Höhere Steuern aber auch nicht. Drängendste Aufgabe der neuen Bundesregierung muss es sein, das Dickicht im Steuerrecht zu lichten. Zudem muss sie dafür sorgen, dass Arbeitnehmer nicht bei jeder tariflichen Lohnsteigerung gleich prozentual mehr Geld an den Staat abführen müssen. Mehr Steuergerechtigkeit heißt das Gebot der neuen Legislaturperiode.

Hermann J. Olbermann, 56, war stellvertretender Leiter des Wirtschaftsressorts und ist heute Ressortleiter der „Wirtschaftswoche“