Neue Serie: Schlüsselfiguren der Hamburger Wirtschaft im Gespräch. Udo Bandow über Geld und HSV

Hamburg. Udo Bandow war viele Jahre Chef der Vereins- und Westbank und später Mitglied des Aufsichtsrats. Hamburg und Hamburger Angelegenheiten sind und waren immer seine Sache. Als Ratgeber, Kontrolleur und Strippenzieher saß der gelernte Bankkaufmann in zahlreichen Aufsichtsräten von Albingia über Bavaria-St. Pauli-Brauerei bis Repower. Der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde Bandow als Aufsichtsratschef des HSV. Das Abendblatt sprach mit ihm über Geld, Wirtschaft und Fußball.

Abendblatt:

Herr Bandow, Sie waren Chef der Vereins- und Westbank, Präsident der Börse und Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten. Sie kennen Wirtschaft und Finanzmärkte wie kaum ein anderer. Wie ist die Lage?

Udo Bandow:

Die Lage ist so gut wie selten nach dem Krieg. Das Land hat die Finanzkrise gut gemeistert. Wir haben den höchsten Beschäftigungsgrad in der Geschichte unserer Nation. Wir haben sozialen Frieden. Wichtig: Der Mittelstand trägt die Hälfte unseres Sozialproduktes.

Die Finanzkrise 2008 hätte zum Kollaps der Banken- und Sparsysteme führen können. Mit viel zu wenig Sicherheit und Kapital im Rücken haben die Banken auf der Hatz nach Rendite die irrwitzigsten Finanzprodukte verkauft. Wie sicher sind unsere Ersparnisse heute?

Bandow:

Ich habe keine Angst.

Damals musste die Kanzlerin erklären, dass unsere Ersparnisse sicher sind. Sonst wäre wer weiß was passiert. Bei einem Run der Anleger auf die Banken reichten auch heute die Kapitalien und Sicherungsfonds aller Banken, Sparkassen und Volksbanken bei Weitem nicht aus, um die Sparer auszuzahlen?

Bandow:

Ein Run darf nicht stattfinden, weil kein System auf der Welt dem standhalten könnte, aber er wird in Deutschland auch nicht kommen.

Wieso nicht?

Bandow:

Weil das Vertrauen und allein das Geldvermögen groß genug sind.

Aber wir sind nicht allein, sondern eingebunden im Euro mit Ländern wie Griechenland und Co. Über die Zentralbank, die für Hunderte Milliarden Euro Anleihen maroder europäischer Wirtschaften aufkauft, sind wir längst in einer Multi-Billionen-Schuldengemeinschaft mit dem Rest Europas?

Bandow:

Wir sind in Europa eingebunden, haben gewaltige Leistungen erbracht. Ich glaube aber, dass die eingeleiteten Schritte notwendig waren und auf längere Sicht zu einer Gesundung führen. Eine schnelle Besserung erwarte ich zwar nicht. Der Beinbruch passiert sofort, die Heilung dauert länger. Ich gehe aber davon aus, dass der größte Teil der Garantien und Sicherheiten nicht in Anspruch genommen wird. Griechenland ist und war ein Sonderthema, für das ich keine Prognose wage.

Aber selbst die deutsche Politik will, anstatt zu sparen, trotz höchster Steuereinnahmen aller Zeiten noch mal neue Schulden machen und vielleicht sogar die Steuersätze weiter anheben. Vertrauen kommt da nicht gerade auf?

Bandow:

Dass man bei Rekordeinnahmen immer noch ein Defizit ausweist, ist nicht akzeptabel. Mich hat auch gestört, dass vor der Bundestagswahl fast nur über das Verteilen gesprochen wurde, aber nicht über das Erwirtschaften. Dennoch glaube ich, dass die eingeleiteten Maßnahmen allmählich greifen werden, auch für Deutschland gibt es eine gesetzlich festgelegte Schuldenbremse.

Fakt ist aber, dass zur Rettung Europas und der Finanzmärkte bisher vor allem Geld gedruckt worden ist. Die Notenbanken haben Billionen Dollar und Euro durch die Notenpresse laufen lassen. Führt das nicht in eine Hyperinflation?

Bandow:

Kurzfristig erwarte ich keine Inflation. Die Preise in der Energiewirtschaft, die zu den Haupttreibern gehören, sind im Moment sogar etwas rückläufig. Ich habe kürzlich für mein Heizöl rund 15 Prozent weniger bezahlt als ein Jahr vorher. Und auch getankt habe ich zuletzt so billig wie seit einem Jahr nicht mehr. Insgesamt aber, das stimmt, bergen die Geldaufblähungen eine Riesengefahr. Mit der Rückführung der Gelder müsste sowohl in den USA als auch in Europa noch dieses Jahr begonnen werden.

Heißt also, die Zinsen steigen? Die Epoche billiger Kredite geht zu Ende?

Bandow:

Die Zinsen werden dann nicht mehr auf dem gegenwärtigen Niveau gehalten werden können.

Die niedrigen Zinsen haben zu einer Flucht in Sachwerte geführt. Wie gefährlich ist das?

Bandow:

Bei Immobilien gibt es eine gewisse Blase. Die Preise sind auch deshalb so gestiegen, weil die Finanzierung so günstig ist. Aber der Markt ist gespalten. Außerhalb der Ballungsgebiete geht es tendenziell eher nach unten. Eines gilt allerdings nach wie vor: Wenn man es sich leisten kann, ist das eigene Haus die erste und beste Anlage.

Und Aktien?

Bandow:

Aktien sind unabhängig von ihrer Eigenschaft als Substanz- und Sachwerte nach traditionellen Bewertungsmaßstäben wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis nicht zu teuer. Unabhängig davon empfehle ich Anlegern, die in den letzten Jahren zugekauft haben, bei DAX-Ständen von 8700 Punkten auch mal Gewinne mitzunehmen. Von Gewinnmitnahmen ist noch keiner ärmer geworden.

Soll heißen, wir haben den Zenit erreicht?

Bandow:

Jedenfalls ist der DAX in der Nähe seines Höchststandes.

Gold?

Bandow:

Habe ich nie als Anlage empfohlen.

Was also sollen Sparer machen, deren Geld auf Spar- und Festgeldkonten weniger abwirft als die Inflationsrate?

Bandow:

Eine Geldanlage sollte vor allem gut gestreut sein. Einen Teil würde ich flüssig halten z. B. als Festgeld. Ein Teil könnten gute Industrieanleihen sein. Hapag-Lloyd etwa hat vor Kurzem eine Anleihe mit einem Zins von 7,75 Prozent auf den Markt gebracht. Das war vielleicht ein Sonderfall, der Mindestanlagebetrag waren 100.000 Euro, aber Renditen von vier Prozent sind allemal zu erzielen. Ich persönlich empfehle weiterhin auch Aktienanleihen.

Was bringen Aktienanleihen?

Bandow:

Die haben zwei Komponenten. Zum einen gibt es einen festen Zins von vielleicht sechs bis acht Prozent bei einer Laufzeit von einem Jahr. Den Zins bekommen Sie auf jeden Fall. Die Aktienkomponente ist etwas spekulativer: Der Anleger kauft das Papier heute zum sogenannten Basispreis von beispielsweise 90 Prozent des Börsenkurses der Aktie. Ist der Aktienkurs bei Fälligkeit nach einem Jahr höher als der Basispreis, bekommen Sie 100 Prozent des Nominalbetrages in bar. Liegt der dann aktuelle Börsenkurs unter dem Basispreis, erhalten Sie die Aktie.

Mit der Finanzkrise ist das Image ganzer Berufszweige in Verruf geraten. Wirtschaftsprüfer versagten, Aufsichtsräte waren überfordert, Vorstände wirkten nicht selten vor allem gierig auf Rendite. Den geneigten Laien beschleicht nicht gerade das Gefühl, jetzt sei alles gut?

Bandow:

Die Banken haben in der Tat nicht viel dafür getan, dass sie erhalten oder zurückgewinnen, wovon sie am meisten lebten – Vertrauen. Zum Verständnis für meine Nachfolger muss ich allerdings auch sagen, dass die Bürokratie übermäßig geworden ist. Kundenberater müssen sich mehr um Formalitäten kümmern als um gute Beratung. Dies wirkt sich sicher nicht zum Nutzen der Kunden aus.

Was muss sich ändern?

Bandow:

Erstens, dass der Kunde wieder im Mittelpunkt steht. Zweitens, dass nicht unvernünftige Renditeziele von 25 Prozent oder Ähnliches als Vorgaben gemacht werden. Drittens, dass auch die Vorstandsbezüge in einem gewissen Verhältnis zu denen der Angestellten stehen.

Nun zum HSV. In Ihrer Ära wurde der Verein finanziell saniert und hat ein tolles Stadion für 100 Millionen Euro bekommen. Sie haben außerdem mehr als 100 Spielertranfers verantwortlich begleitet. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung?

Bandow:

Es ist höchste Zeit, dass der Aufsichtsrat eine schonungslose Aufarbeitung der letzten drei bis vier Jahre vornimmt. Er muss sich etliche Fragen stellen und schleunigst beantworten. Zum Beispiel: Wie war es möglich, dass sich die Mannschaft von 2000 bis 2009 achtmal für internationale Wettbewerbe qualifiziert hat und in den letzten vier Jahren überhaupt nicht mehr. Und das, obwohl der HSV allein bei Beginn der letzten Saison mehr als 20 Millionen Euro an Ablöse für neu verpflichtete Spieler ausgegeben hat. Oder: Warum wurden zwischen 2000 und 2009 beachtliche Gewinne erzielt, seit drei Jahren aber kräftige Verluste? Oder: Warum konnten für Sportchef Frank Arnesen und sein Team Millionenbeträge bezahlt werden, um nach nur zwei Jahren festzustellen, dass er doch nicht der Richtige war.

Worauf wollen Sie hinaus?

Bandow:

So kann es nicht weitergehen, es muss dringend etwas passieren.

Es gibt immerhin einen neuen Trainer, Bert van Marwijk?

Bandow:

Ich hoffe, dass er den HSV genauso erfolgreich trainiert wie Hollands Nationalelf.

Hanno Wiedenhaus, 59, war Wirtschaftschef und Stellvertreter des Chefredakteurs beim Abendblatt von 1990 bis 2007