Geplantes Abkommen zwischen USA und Europa stärkt Wirtschaftskraft beider Kontinente

Berlin. Das geplante Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA könnte sich Experten zufolge zu einem kräftigen Jobmotor in Deutschland entwickeln und vielen Branchen Lohnzuwächse bringen. In einer am Freitag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung und des Ifo-Instituts ist von bis zu 160.000 neue Stellen und realen Einkommenszuwächse von bis zu knapp einem Prozent die Rede.

In einer weiteren Untersuchung der Stiftung war von fast einer Dreiviertelmillion neuen Jobs in den USA und Lohnzuwächsen auf beiden Seiten des Atlantiks die Rede. EU-Handelskommissar Karel de Gucht erwartet „beispiellose Impulse“ für Wachstum und Beschäftigung. Er sieht Chancen für einen Abschluss des Abkommens binnen zwei Jahren. In der kommenden Woche beginnt die zweite Verhandlungsrunde der Unterhändler.

Begonnen hatten die Gespräche über den umfassenden Abbau der Handelsbarrieren zwischen den beiden Wirtschaftsräumen mit 800 Millionen Menschen vor wenigen Wochen. Die beiden Regionen stehen für annähernd die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung und rund ein Drittel des Welthandels. Pro Tag erreicht der Austausch von Dienstleistungen und Gütern zwischen den USA und der Europäischen Union ein Volumen von zwei Milliarden Euro.

Die Bertelsmann Stiftung und das Ifo sehen rosige Aussichten gerade für Deutschland. „Nahezu alle Branchen in allen Bundesländern würden profitieren, und zu erwartende Lohnzuwächse verteilten sich über alle Einkommensgruppen“, hieß es. „Gewinnen würden nicht nur Großkonzerne, sondern insbesondere der Mittelstand“, ergänzte Stiftungschef Aart De Geus. Werden Handelshemmnisse umfassend abgebaut, wäre in Deutschland mit neuen Arbeitsplätzen auf allen Qualifikationsstufen zu rechnen. Rund 85.000 Stellen würden im produzierenden, rund 75.000 im Dienstleistungsbereich entstehen. Zudem gebe es die Chance auf wachsende Realeinkommen. In Bereichen, wie im Nahrungsmittel-, im Metallgewerbe und in der Land- und Forstwirtschaft, könnten die deutschen Exporte in die USA um bis zu 50 Prozent zulegen. Nachteile müsse aber das Textilgewerbe verkraften.

„Entscheidend wird sein, ob ein Freihandelsabkommen auch die Akzeptanz der Bevölkerung findet“, mahnte De Geus. Daher müsse in den Verhandlungen gerade auch dem Verbraucher- und Arbeitnehmerschutz Rechnung getragen werden. Experten sehen diesen Bereich sowie die ökologischen Standards als einen an, der in den Verhandlungen besonderen Konfliktstoff beinhaltet. Der EU-Verhandlungsführer und Handelskommissar De Gucht sprach in der „Lebensmittel Zeitung“ (LZ) vom „größten bilateralen Abkommen aller Zeiten“. Es würde den beteiligten Regionen einen enormen Wachstumsschub bescheren. Bei einem Erfolg könnten Investitionen von Hunderten von Milliarden Euro fließen, die große Konzerne derzeit „bunkerten“. Auch könne das Abkommen den Handel in anderen Weltregionen stimulieren. Es könnte zudem als „Katalysator“ dienen, um die in der Sackgasse steckenden Doha-Verhandlungen über ein globales Abkommen zum Freihandel wieder in Gang zu bringen.

„Wir wollen langwierige Verhandlungen verhindern und idealerweise innerhalb von zwei Jahren zum Abschluss kommen“, sagte de Gucht. Er wolle versuchen, bereits bis zum Wechsel der EU-Kommission in einem Jahr weitreichende Fortschritte zu erreichen. Der EU-Kommissar versicherte aber auch: „Wir werden die Gesundheit unserer Bürger den wirtschaftlichen Chancen nicht unterordnen.“ Der Verbraucher-, Umwelt- und Gesundheitsschutz blieben gewährleistet. Die Nahrungsmittelindustrie sieht er mit einem erwarteten Zuwachs von fast zehn Prozent als großen Profiteur des Abkommens.