Behördenpräsident José Manuel Barroso setzt sich gegen heftigen Widerstand durch. Erleichterungen auch für die Wirtschaft

Brüssel. Sieben Monate vor der Europawahl macht die Europäische Kommission ernst mit Plänen, die EU-Gesetzgebung zu verschlanken. Die 28 EU-Kommissare beschlossen nach zähen Verhandlungen in Brüssel einstimmig, eine Reihe von Gesetzen im Rahmen eines sogenannten Fitnesschecks auf Sinnhaftigkeit zu überprüfen.

Außerdem will die Brüsseler Behörde Gesetzesvorlagen, wie die in Deutschland hoch umstrittene Bodenschutzrichtlinie, zurückziehen. Und schließlich sollen einige geltende Gesetze abgeschafft werden. Damit konnte sich EU-Kommissionschef José Manuel Barroso gegen teilweise erbitterten Widerstand einiger EU-Kommissare, einflussreicher EU-Beamter und Teilen des Europäischen Parlaments durchsetzen. „Nicht alles, was gut ist, ist auf europäischer Ebene gut“, erklärte Barroso. Besonders EU-Umweltkommissar Janez Potocnik aus Slowenien und EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier gingen Barrosos Entbürokratisierungspläne viel zu weit.

Es ist das erste Mal, dass die Kommission, die das Vorschlagsrecht für Gesetzgebung in der Europäischen Union hat, ihre Arbeit aus vielen Jahren im großen Stil überprüft. „Wir müssen uns auf die richtigen Prioritäten konzentrieren und darauf, die richtige Dosis der Regulierung zu erreichen“, sagte Barroso. „Wir sollten zweimal nachdenken, ob, wann und wo wir auf europäischer Ebene handeln müssen.“

Die richtige Dosis aber war hart umkämpft. Potocnik versuchte Entschlackungen im Umweltrecht zu verhindern, sperrte sich gegen eine Überprüfung etwa der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie zum Schutz der Artenvielfalt bei Tieren – die in Deutschland als „Modernisierungsbremse“ beim Bau von Straßen oder Gewerbegebieten empfunden wird. Barroso setzte den slowenischen Kommissar am späten Mittag hart unter Druck, Potocnik gab bei diesem Thema schließlich nach.

Abschaffen will die EU-Kommission eine Verordnung über Statistiken im Stahlsektor. Sie ist zu kostspielig. Überprüft werden sollen die Vogelschutzrichtlinie, Gesetze zur Migration und mehrere Richtlinien zur Abfallentsorgung. Zudem beschloss die Brüsseler Behörde, keine neuen EU-Arbeitsschutzregeln für Friseure einzuführen. Unter anderem das deutsche Friseurhandwerk hatte darauf gedrungen, dass EU-Regeln die Lautstärke eines Föhns begrenzen, die Rutschfestigkeit von Böden und die Ergonomie der Schere sicherstellen. „Warum sollten wir eine europäische Richtlinie einführen, die vorschreibt, welche Schuhabsätze Friseure haben müssen“, sagte Barroso.

„Die Angemessenheit und der europäische Mehrwert“ einer solchen Gesetzgebung müsse erst untersucht werden – zumal die Vertreter kleiner und mittlerer Unternehmen, wozu fast alle Friseure gehören dürften, Regulierung in diesem Bereich als „besonders mühsam und kostspielig“ beklagt hätten. Der Beschluss stelle „einen pragmatischen Ausblick auf die Zukunft der Regulierung in Europa dar, und das nur einige Monate vor der Europawahl im Mai 2014“, sagte Barroso.