Konzern ZPMC schickt im Oktober eine Delegation auf die älteste Hamburger Werft, die im Insolvenzverfahren steckt

Hamburg. Naht Rettung für die insolvente Sietas-Werft in Neuenfelde? Der chinesische Schiff- und Anlagenbaukonzern ZPMC interessiert sich für Deutschlands ältestes Schiffbauunternehmen. Eine Delegation soll Mitte Oktober zu Besuch nach Hamburg kommen und die Werft in Augenschein nehmen. „Wir sprechen schon seit längerer Zeit mit ZPMC. Nach dem Besuch entscheidet sich, ob das Unternehmen ein Übernahmeangebot für Sietas machen wird“, sagte Berthold Brinkmann, der Hamburger Insolvenzverwalter von Sietas, dem Abendblatt. Ende 2011 hatte die Werft Insolvenz angemeldet. Sollte sich bis zum Jahresende kein Investor für Sietas finden, droht dem 378 Jahre alten Unternehmen das Aus.

Derzeit arbeiten noch 150 Menschen auf der Werft, 123 Sietas-Mitarbeiter sind bereits in eine Transfergesellschaft gewechselt. Dort sollen sie für andere Aufgaben am Arbeitsmarkt qualifiziert werden. Auf der Werft liegt zur Endausrüstung das Offshore-Windkraft-Errichterschiff „Aeolus“, das Anfang 2014 an den niederländischen Wasserbaukonzern Van Oord abgeliefert werden soll. Die „Aeolus“ ist das bislang letzte und zugleich auch das aufwendigste Schiff, das Sietas je gebaut hat. Es kostet dem Vernehmen nach mehr als 120 Millionen Euro.

In den vergangenen Jahren ruhten die Hoffnungen der Werft vor allem darauf, Aufträge für den Bau von Spezialschiffen, von Einzelbauten oder kleinen Serien zu bekommen. Die Ingenieure, die noch bei Sietas arbeiten, erstellen auf Anfrage hin Angebote für Typen, die Sietas bereits gebaut hat, wie zuletzt etwa Schwergutschiffe, Spezialbagger oder eben das Errichterschiff. Während der Ausrüstung der „Aeolus“ finanziert Van Oord den noch laufenden Werftbetrieb. Das Schiff gilt als Referenzprodukt für einen möglichen Investor.

ZPMC baut unter anderem Containerbrücken, aber auch Schwergutschiffe, um die riesigen Strukturen bereits fertig montiert rund um den Globus zu ihren Bestimmungshäfen zu transportieren. Auch Hamburg laufen diese Schiffe des chinesischen Konzerns regelmäßig an. Die Containerbrücken werden vom Schiff auf den Kai gerollt und dort in mehrwöchiger Arbeit angeschlossen und in Betrieb genommen.

Laut Brinkmann haben die Chinesen Interesse besonders an den Fähigkeiten von Sietas im Spezialschiffbau. „Ein Modell könnte sein, hier in Hamburg je nach Bedarf Typschiffe bauen zu lassen und in China dann ganze Serien“, sagte er. „Die chinesische Fischereiflotte zum Beispiel ist veraltet, dort gibt es einen großen Investitionsbedarf.“

Sietas hatte sich seit den 1960er-Jahren vor allem mit dem Bau hochwertiger Container-Zubringerschiffe und von Schwergutschiffen profiliert. Das Geschäft mit Handelsschiffen brach jedoch nach dem Höhepunkt der Welt-Finanzmarktkrise im Jahr 2009 abrupt ab, eine Reihe von Aufträgen wurde storniert. Der Eigner und Chef Hinrich Sietas musste das Management der überschuldeten Werft erstmals in der Geschichte des Unternehmens in familienfremde Hände legen. Aber auch der vormalige Airbus-Manager Rüdiger Fuchs konnte mit einer schnellen Hinwendung zum Spezialschiffbau das Blatt nicht wenden. Die Werft verfügt bei einem Schuldenstand von 225 Millionen Euro noch über liquide Mittel von etwa 20 Millionen Euro. Das Hauptproblem des Insolvenzverwalters ist es, die sich auflösende Mannschaft zusammenzuhalten, um nach einem möglichen Verkauf und mit neuen Aufträgen die Arbeit fortsetzen zu können.

In der zweiten Oktoberhälfte will Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) in den USA und in Kanada mögliche Aufträge für Sietas sondieren. Horch reist mit einer großen Hamburger Wirtschaftsdelegation nach New York, Boston und Montreal. Eines der Schwerpunktthemen während der Reise sollen die Perspektiven der Offshore-Windkraftindustrie sein.