Unternehmen wollen Deutschland flächendeckend erschließen. Hamburg wird einer der wichtigsten Standorte

Hamburg. Sechs international tätige Unternehmen wollen in Deutschland ein Netz für Wasserstofftankstellen aufbauen. Insgesamt sollen bis zum Jahr 2023 bundesweit 400 Stationen zur Verfügung stehen. Das teilten die Unternehmen am Montag mit, die in der Initiative „H2 Mobility“ kooperieren. Beteiligt sind die Industriegase-Hersteller Linde und Air Liquide, die Energiekonzerne Shell, Total und OMV sowie der Fahrzeugkonzern Daimler.

Wasserstoff könnte der wichtigste Kraftstoff der Zukunft werden. Er ist in der Erdatmosphäre unbegrenzt verfügbar, aber in Wasser gebunden. Um ihn als Energiegas nutzbar zu machen, muss er mithilfe einer Elektrolyse vom Sauerstoff getrennt werden. Wasserstoff kann in Kolbenmotoren verbrannt werden. In chemoelektrischen Brennstoffzellen wiederum entsteht, durch die Verbindung von Wasserstoff und Sauerstoff, Strom und Wärme – und als Abgas lediglich Wasserdampf. „Bis zum Jahr 2023 soll es in Deutschland mehr Wasserstofftankstellen geben als heute konventionelle Tankstellen an Autobahnen“, sagte Thomas Weber, Vorstandsmitglied für Forschung und Entwicklung bei der Daimler AG. „Damit schaffen wir für die alltagstaugliche Brennstoffzellentechnik eine flächendeckende Infrastruktur.“

Die beteiligten Konzerne wollen ein Gemeinschaftsunternehmen gründen und im kommenden Jahr mit dem Bau der ersten Stationen beginnen. Innerhalb der kommenden vier Jahre sollen die ersten Stationen in Betrieb gehen. Der Investitionsbedarf liege bei insgesamt 350 Millionen Euro, teilte die Initiative mit. Wie viel davon letztlich welches Unternehmen zahlen wird, bleibt einstweilen offen. Die Unternehmen richten mit der Erklärung vom Montag auch einen „Unterstützungsappell“ an die Bundesregierung, was auf eine wirtschaftliche Begünstigung oder auf die direkte Subventionierung des Projektes hinauslaufen könnte.

Das Ziel ist es, in einer Distanz von jeweils maximal 90 Autobahnkilometern ein flächendeckendes öffentliches Netz von Wasserstofftankstellen in Deutschland zu schaffen. Die sechs Metropolregionen Berlin, Hamburg, Rhein-Ruhr, Frankfurt, Stuttgart und München sollen demnach mit jeweils mindestens zehn Stationen ausgestattet werden. Bislang gibt es in Deutschland nur 15 öffentliche Wasserstoff-Tankstellen, davon zwei in Hamburg: eine bei Shell an der Bramfelder Chaussee und eine weitere von Vattenfall in der HafenCity, für die Shell wiederum Serviceleistungen übernimmt. In Berlin betreibt Shell derzeit die nach eigenen Angaben weltweit größte Tankstelle für Wasserstoff. „Shell wird eine ganz wesentliche Rolle bei der Entwicklung des künftigen Wasserstoff-Tankstellennetzes in Deutschland spielen“, sagte Deutschlandchef Peter Blauwhoff in Hamburg. „Innerhalb der Mobilität der Zukunft ist Wasserstoff ein wichtiger Baustein.“ Shell geht in den konzerneigenen Energieszenarien davon aus, dass Wasserstoff in den kommenden Jahrzehnten ein fester Bestandteil des weltweiten Energiemixes werden wird.

Der Aufbau von Wasserstofftankstellen fügt sich zu dem Plan, an der Unterelbe eine Infrastruktur für die Erzeugung von Wasserstoff aufzubauen. Mitte August stellte die Organisation ChemCoast der norddeutschen chemischen Industrie eine Studie dazu vor. Eine Initiative von 19 Unternehmen aus der Chemie- und der Energiewirtschaft will in Hamburg und in Brunsbüttel Großanlagen zur Elektrolyse von Wasser aufbauen, außerdem neue Pipelines für Wasserstoff und einen Kavernenspeicher in Niedersachsen. Den Investitionsbedarf bis zum Jahr 2025 beziffern die Unternehmen mit 531 Millionen Euro. Ob aus diesen Quellen Wasserstoff für das neue Tankstellennetz fließen soll, stehe noch nicht nicht fest, sagte ein Shell-Sprecher dem Abendblatt.

Das Vorhaben von ChemCoast kann nur mit staatlicher Hilfe realisiert werden, vor allem durch eine Einbindung in Förder- und Subventionsprogramme zur Energiewende. Die Unternehmen wollen die Elektrolyse ausbauen, um Strom aus Windkraftwerken zu nutzen, der anderweitig nicht verbraucht oder gespeichert werden kann. Zudem gibt es im Norden eine Reihe industrieller Abnehmer von Wasserstoff wie etwa Dow Chemical in Stade oder Aurubis in Hamburg. Das Ziel ist es, „grünen“ Wasserstoff, der nur mithilfe von regenerativ erzeugtem Strom gewonnen wird, bis 2025 mit einem Preis von unter vier Euro je Kilo wettbewerbsfähig zu machen.

Ein wachsendes öffentliches Netz von Wasserstofftankstellen wäre dafür ein idealer Absatzmarkt. Bislang wird Wasserstoff in geringem Umfang vor allem zum Betrieb von Fahrzeugflotten genutzt, testweise etwa bei Bussen der Hamburger Hochbahn oder in Industriefahrzeugen wie Gabelstaplern. Hersteller wie Daimler wollen von der zweiten Hälfte des Jahrzehnts an erste Serienfahrzeuge mit Brennstoffzellenantrieb auf den Markt bringen.