Obstbauern im Norden sehen sich einer wachsenden Konkurrenz aus Osteuropa gegenüber. Mit den niedrigen Preisen können sie nicht mithalten

Hamburg. Cord Lefers schaut prüfend auf die Pflaumen, die prall und in tiefes Blau gefärbt am Baum hängen. Jetzt noch ein paar Tage wärmende Sonne, der schwere Marschboden tut sein Übriges, und die Ernte kann beginnen. Der 35-Jährige schätzt, dass es keine schlechte Saison wird. Klar, das Frühjahr war kalt, aber dann ist das Wetter für die Bauern besser geworden. Seine insgesamt 640 Pflaumenbäume, die sich hier im Süden Hamburgs in langen Reihen bis an den Horizont ziehen, werden voll von Früchten hängen.

Doch Cord Lefers muss anders wirtschaften als neun Generationen vor ihm, die diesen Hof in Jork über Jahrhunderte bewohnten. Die Einflüsse, die über seinen Erfolg entscheiden, gehen weit über das Wetter hinaus. Es gelten nicht mehr nur die Sprüche im Bauernkalender. Lefers muss nicht mehr nur an den Himmel schauen, das Zusammenspiel zwischen Sonne, Regen und Unwettern beobachten, sondern er blickt jetzt immer häufiger auch über Deutschlands Grenzen hinaus: Immer mehr Konkurrenten aus Polen und Ungarn drängen auf den deutschen Markt und nutzen ihre geringeren Kosten als Wettbewerbsvorteil.

„Im europäischen Ausland ist der Anbau günstiger, und die Landwirte dort weiten ihre Flächen derzeit aus“, sagt Lefers. Zudem verbesserten die Wettbewerber ihre Erträge, während die deutschen Obstanbieter die Effizienz der Landwirtschaft schon weitgehend ausgereizt hätten. Lefers ist Gartenbaumeister, lernte im Alten Land und am Bodensee und hat sich die Kunst der Früchteproduktion auch bei Auslandsaufenthalten in Neuseeland, Chile und den Niederlanden angeschaut. „Man kann aber praktisch nichts kopieren, dafür sind die Bedingungen zu unterschiedlich“, sagt Lefers über die Kunst des Anbaus von Pflaumen, Zwetschen oder Zwetschgen, denn heute gibt es durch verschiedene Züchtungen keinen Unterschied mehr zwischen diesen Obstsorten.

Als Antwort auf die Billig-Konkurrenz bleibt vielen deutschen Landwirten nichts anderes übrig, als sich aus dem Geschäft mit den Zwetschen zu verabschieden: Bauten die Erzeuger 2006 noch bundesweit auf 4590 Hektar Pflaumen an, sank die Fläche im vergangenen Jahr auf 3800 Hektar. Zugleich legen die Einfuhren aus Osteuropa zu, hat Marktanalyst Michael Koch von der Agrarmarkt-Informationsgesellschaft (AMI) für diese Zeitung berechnet. Aus Ungarn kommen inzwischen mehr als 9000 Tonnen Pflaumen nach Deutschland, und kleinere Länder wie Bosnien-Herzegowina, Mazedonien oder Serbien haben ihren Export in die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren vervielfacht. Treiber dieser Entwicklung sind die Discounter, die besonders stark auf die Einkaufspreise schauen. Heute kauft fast jeder zweite Haushalt seine Pflaumen bei Aldi, Netto und Co. Im Jahr 2007 lag dieser Anteil noch bei 43 Prozent. „Die Entwicklung hin zu Import-Früchten ist bei Obst wie Himbeeren, Heidelbeeren oder Johannisbeeren ähnlich“, sagt Koch.

Tatsächlich sind die Preisunterschiede bei den verschiedenen Einkaufsquellen nicht zu übersehen: Auf dem Markt oder im Hofladen zahlen die Kunden 1,90 bis 2,90 Euro für das Kilo Zwetschen, beim Discounter kommen sie für diese Menge dagegen oft mit 90 Cent aus. Dafür müssen sich die Verbraucher aber auch bewusst sein, dass sie den heimischen Bauern das Wasser abgraben. „Wir bekommen von der Erzeugergemeinschaft, die unsere Früchte weiterverkauft, derzeit nicht mehr als 90 Cent“, sagt Lefers. Zwischenzeitlich war der Preis sogar auf 40 Cent je Kilo gefallen. „Das bereitet dann wenig Freude“, sagt Lefers, der mit Frau und Kind auf dem Hof wohnt. Der Familienvater ist froh, dass seine Eltern inzwischen auch andere Einkommensquellen neben dem Obst nutzen und Scheunenpartys oder Boßeltouren durch die Plantagen anbieten.

„Ohne solche touristischen Angebote wird es hier im Alten Land manchmal schwierig für die Bauern“, sagt Lefers, der sich auch als Mitglied im Gemeinderat engagiert. Für den jungen Mann war es dennoch immer eine Selbstverständlichkeit, dass er einmal den Hof übernimmt. Und auch wenn er die Fläche für die Pflaumen nicht weiter ausdehnen wird, er denkt nicht daran, den Anbau aufzugeben.

„Es ist sehr reizvoll, täglich mit den wechselnden Herausforderungen, mit dem Wetter klarzukommen, sich anzupassen“, sagt Lefers. Man könne eben nicht den Plan vom letzten Jahr einfach für die nächsten Monate wieder aus der Schublade holen. An den Himmel wird Cord Lefers also auch nach wie vor blicken und auf etwas Sonne für seine Früchte hoffen.