Tochter cWiebke soll den Harburger Traditionsbetrieb demnächst von ihrem Vater Peter komplett übernehmen

Hamburg. Ein kleines Büro in Marmstorf unter der Backstube. Wiebke Becker sitzt an diesem Nachmittag an der Buchhaltung. „Die mache ich für meine zwei eigenen Geschäfte immer selbst“, sagt sie. Morgens steht sie meist in ihren eigenen Geschäften oder einer der fünf Filialen, die ihrem Vater Peter gehören, am Tresen. „Mir macht der Beruf Spaß.“ Schon als kleines Kind spielte sie gern in der familieneigenen Bäckerei, bekam große Augen, wenn Leckereien wie Amerikaner oder Zuckerschnecken hinter dem Tresen lagen. Für sie stand damals schon fest: „Ich wollte unbedingt Bäckerin werden und ins Unternehmen meiner Eltern einsteigen.“

Das mit der Bäckerin hat zwar nicht geklappt, weil Wiebke Becker eine Mehlallergie bekam. Aber sie mischt dennoch im Familienbetrieb kräftig mit. „Wegen der Allergie habe ich eine Ausbildung bei Karstadt gemacht und danach Technischer Betriebswirt studiert“, sagt die 36-Jährige, die vor neun Jahren ihre erste eigene Filiale im Phoenix-Center eröffnet hat. Die zweite Verkaufsniederlassung kam einige Jahre später. Bei Edeka Niemerszein am Mühlenkamp bietet sie Brot, Brötchen und süße Backwaren an. „Die beziehe ich als Kunde unserer Bäckerei.“

Neben dem Verkauf in seinen eigenen fünf Betrieben und den beiden seiner Tochter beliefert Vater Peter, der einst Handwerkskammer-Präsident war und heute Präsident des Weltverbandes der Bäcker und Konditoren ist, weitere Unternehmen, darunter auch Edeka-Filialen. Zu den Kunden zählen zudem zahlreiche Hamburger Unternehmen, die bei Bäcker Becker zum Beispiel Brötchen oder Häppchen bestellen. Innerhalb der nächsten drei Jahre will die agile Unternehmerin den Familienbetrieb mit aktuell 65 Mitarbeitern von den Eltern komplett übernehmen. Ob sie dann weiter expandieren wird? Wiebke Becker wird nachdenklich. „Wir haben jetzt eine Größe erreicht, die einem handwerklichen Familienbetrieb gerecht wird. Unsere Produktion ist gut ausgelastet“, sagt sie. „Aber wenn sich ein interessanter Zukauf ergibt, werden wir das genau prüfen.“

Vor allem die Frage, ob der Betrieb zu weit weg von Marmstorf ist und sich damit die Belieferung nicht lohnt, sei ein Auswahlkriterium. Tatsächlich ist der Markt für Bäckereien in den vergangenen Jahren härter geworden. Nicht nur die 32 Mitglieder der Bäckereivereinigung Nord mit 79 Betrieben und 1600 Mitarbeitern ringen in der Hansestadt um Kunden, sondern auch zahlreiche Anbieter, die möglicherweise noch nicht einmal ausgebildete Bäcker beschäftigen, mischen mit. „Wir wollen keine Hallenbäckerei werden“, sagt Wiebke Becker und meint damit jene Mitbewerber, die nur industriell Vorgebackenes anbieten, das sie nur nochmals in den Ofen schieben. Die Folge könne sein, dass alle Brötchen gleich schmecken. „Wir machen alles selbst, vom Sauerteig bis hin zum Vollkornbrot.“ Der Markt ist inzwischen so überlaufen, dass selbst Bäcker Heinz Hintelmann, Sprecher der Bäckervereinigung Nord, keinen Überblick mehr darüber hat, wie viele Betriebe sich insgesamt in der Metropole tummeln.

Bei wichtigen Entscheidungen herrscht in der Familie Becker meist Einigkeit. Doch einmal, als die Tochter kleine Vanille-Croissants mit ins Sortiment nehmen wollte, die sie im Urlaub zu schätzen gelernt hatte, wollte Vater Peter dies partout nicht. Eigentlich sind die beiden ein eingespieltes Team. „Aber dieses Mal musste ich meine ganze Überredungskunst anwenden.“

Wiebke Becker konnte ihn überzeugen. Im Betrieb setzt sich die Tochter also schon durch. Das Thema Frauen und Management lebt sie täglich. „Wenn ich etwas möchte, wird dies von den Mitarbeitern auch umgesetzt“, sagt sie selbstbewusst. Auch ansonsten ist die Frau hart im Nehmen. Mit ihrem Lebensgefährten Alexander Grob hat sie kürzlich das Haus ihrer Großmutter bezogen – und zuvor komplett entkernt. „Wir sind beide zwei Handwerkskinder“, sagt sie. Der Vater ihres Partners hat einen Malerbetrieb. Wie bei den Beckers mit der Tochter machte sich bei den Grobs auch der Sohn selbstständig und gründete die Hamburger Malerfirma Pigmento.

„Uns bleibt oft wenig Zeit, da wir beide viel arbeiten“, sagt Wiebke Becker, die sich auch im Rotary Club engagiert. „Aber wir haben die gleichen Interessen. Vor allem im Sommer, wenn die Abende noch hell sind, spielen die beiden gerne Golf. An den Wochenenden geht es bei gutem Wetter nach Fehmarn zum Kitesurfen, falls der richtige Wind weht. Die agile Unternehmerin ist sich sicher, dass sie auch nach der Komplettübernahme noch Zeit für ihre Hobbys haben wird. „Ein wenig mehr geht immer“, sagt sie.