Ein Hamburger Team des Unternehmens stattet Schiffe und Flugzeuge mit Technik für Unterhaltungselektronik aus. Neuer Großauftrag von TUI Cruises

Hamburg. Passagiere auf Kreuzfahrtschiffen sind anspruchsvoll. In Zeiten des mobilen Internets und sozialer Netzwerke wie Facebook reicht auch auf hoher See ein Telefon und ein Fernseher in der Kabine nicht mehr aus. Die Gäste wollen mit ihren eigenen Geräten wie dem Smartphone oder dem Tablet-Computer im weltweiten Netz surfen, Borddienstleistungen anfordern oder Landausflüge buchen.

Möglich macht dies ein Unternehmen, das die meisten Menschen eher mit Flugzeugen in Verbindung bringen würden: Lufthansa Systems, die IT-Tochter des Lufthansa-Konzerns. Von den weltweit mehr als 4200 Beschäftigten des Unternehmens haben etwa 450 ihren Arbeitsplatz in der Metropolregion Hamburg und hier werden auch die Bordunterhaltungssysteme für Schiffe entwickelt; ein Team von 25 Mitarbeitern ist darauf spezialisiert. Demnächst werden sie einen neuen Großauftrag bearbeiten: Lufthansa Systems wird die von dem Hamburger Kreuzfahrtanbieter TUI Cruises geplanten Neubauten „Mein Schiff 3” und „Mein Schiff 4” mit modernen Netzwerken – mit und ohne Kabel – ausstatten. Das erste der beiden Schiffe, die auf einer finnischen Werft gebaut werden, soll im Sommer 2014 fertig sein.

„Bisher haben wir 40 Passagierschiffe mit solcher Netzinfrastruktur ausgerüstet“, sagt Stefan Hansen, der Vorstandsvorsitzende von Lufthansa Systems. „Anders ausgedrückt verbinden wir 25.000 Schiffskabinen, für weitere 10.000 liegen Aufträge vor“, so Hansen. „Diese Zahlen finde ich noch beeindruckender.“

Es begann im Jahr 2004 mit einer besonderen Herausforderung: Auf der „MS Europa“ von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten sollte auf hoher See eine zeitgemäße Infotainment-Anlage installiert werden. Innerhalb von zehn Wochen verlegten Teams der Lufthansa-Tochter während des normalen Passagierbetriebs mehrere tausend Meter Netzwerkkabel und bauten Hunderte von Geräten ein. Zuvor hatte man sämtliche Komponenten in Hamburg bereits einmal zusammengeschaltet und in einer simulierten Schiffsumgebung ausführlich getestet.

Während für die Bordunterhaltung auf Schiffen noch immer viel mit Kabeln gearbeitet wird, unter anderem weil die Stahlschotten den drahtlosen Signalempfang behindern, hat Lufthansa Systems im Flugzeug damit aufgeräumt. Das neue Produkt „BoardConnect“, das im vorigen Jahr den im Rahmen der Hamburger Kabinenmesse Aircraft Interiors Expo vergebenen Innovationspreis Crystal Cabin Award in der Kategorie Passagierkomfort erhalten hat, ermöglicht es den Fluggästen, über ein Funknetzwerk mit eigenen mobilen Geräten auf Filme, Musik, Fluginformationen und vieles mehr zuzugreifen.

Hollywood-Studios wachen streng über den Kopierschutz von Filmen

Ist der Jet mit einer Satellitenantenne ausgestattet, kann man zudem im Internet surfen und Fernsehprogramme über das Netz anschauen. „Das Interesse bei den Fluggesellschaften ist sehr groß“, sagt Hansen. Einer der wichtigsten Vorteile von BoardConnect kommt auch der Umwelt zugute: Weil der Wegfall der Verkabelung jedes einzelnen Sitzes mehrere Hundert Kilogramm Gewicht pro Flugzeug gegenüber einem herkömmlichen Bordunterhaltungssystem einspart, verbraucht ein so ausgerüsteter Jet jedes Jahr bis zu 80 Tonnen weniger Treibstoff. Der Edel-Billigflieger Virgin Australia hat bereits mit der Installation in den ersten seiner rund 100 Maschinen begonnen und die Lufthansa hat vor wenigen Tagen entschieden, im Sommer nächsten Jahres 20 Mittelstreckenmaschinen vom Typ A321 damit auszustatten. Der Ferienflieger Condor ist ein weiterer Kunde.

Eine vereinfachte Variante der drahtlosen Anlage bietet Lufthansa Systems jetzt sogar für Busse an. „Bei dem amerikanischen Unternehmen Greyhound läuft ein Versuch in 28 Bussen“, sagt Hansens Kollege Bernd Appel, Leiter des Bereichs Industry Solutions. „Wir sehen das Potenzial, 1000 Greyhound-Busse damit auszurüsten.“ Darüber hinaus ist man auch mit Bahn- und Hotelbetreibern im Gespräch.

Die Lufthansa-Tochter sieht sich schon deshalb im weltweiten Wettbewerb als Technologieführer für die kabellosen Bordunterhaltungssysteme, weil man in der Frage des Rechteschutzes der Inhalte weiter sei als andere: Neuere Kinofilme, die noch nicht auf DVD erhältlich sind, dürfen nach den Bestimmungen der Hollywood-Studios nur dann über Funknetzwerke übertragen werden, wenn die dafür eingesetzte Technik einen wirkungsvollen Kopierschutz gewährleistet.

Angesichts der Herkunft von Lufthansa Systems kann es kaum überraschen, dass das Unternehmen noch immer sehr luftfahrtlastig ist: Zu den Kunden gehören mehr als 300 Fluggesellschaften und 150 Firmen aus anderen Branchen. Am Hauptsitz in Kelsterbach bei Frankfurt und an weiteren Standorten betreibt der Dienstleister große Rechenzentren und entwickelt Computerprogramme für die Crewplanung, Navigation oder das Erlösmanagement von Airlines, bietet aber auch spezielle IT-Lösungen für die Logistikbranche, Energieversorger und den Gesundheitssektor.

Hamburger Kunden sind unter anderem die Reederei Hamburg Süd, die Hafenbahn und der Krankenhauskonzern Asklepios. „Wir wollen im deutschsprachigen Raum noch deutlich wachsen“, sagt Hansen. Es geht auch darum, die Abhängigkeit vom Mutterkonzern weiter zu verringern.

Denn von den 609 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2012 erwirtschaftete man rund 55 Prozent mit Kunden innerhalb der Lufthansa-Gruppe. Infolge eines eigenen Restrukturierungsprogramms und des konzernweiten Sparprogramms „Score“ ging die Beschäftigtenzahl zuletzt zurück. Dies gelte jedoch nicht für das Geschäftsfeld Bordunterhaltungssysteme – im Gegenteil, so Appel: „Wir suchen dafür weitere Mitarbeiter.“