Ein Hamburger Spezialist bietet Innovation für betagte Pkw an. Modul kostet inklusive Einbau rund 11.000 Euro. Lobende Worte vom ADAC

Hamburg. Wenn Sirri Karabag in den 1980er-Jahren zum Fußballplatz kam, fuhr sein Trainer mit einem Käfer vor. „Was habe ich den um das Auto beneidet“, erinnert sich Karabag an alte Zeiten auf dem Sportplatz in Eimsbüttel. Jetzt hat sich der Autonarr seinen eigenen Käfer gegönnt. Ohne das kultige Motorengeräusch zwar, das es mittlerweile als Klingelton fürs Handy gibt, dafür aber auch ohne schädliche Klimakiller: Karabag bringt den Käfer als Elektroauto auf den Markt. Der Hamburger erhebt das Symbol des deutschen Wirtschaftswunders zum Wahrzeichen für umweltverträgliches Fahren. Karabag ist bisher als Fiat-Nutzfahrzeug-Händler, aber auch als Anbieter und Produzent eines batteriebetriebenen Fiat 500 und von E-Transportern in Erscheinung getreten. In den vergangenen drei Jahren hat der Unternehmer mehrere Hundert Stromer in der Metropolregion verkauft, deutschlandweit sogar 800.

Bisher verfolgte Karabag damit den Traum, als Mittelständler den bei den E-Fahrzeugen zögerlichen Automobilkonzernen etwas entgegensetzen zu können. Er baute zusammen mit Partnern wie den Logistik- und Gabelstapleranbietern Linde und Still, dem Schweriner Energieunternehmen Wemag und einer motorlosen Karosse von Fiat den elektrischen Kleinwagen 500e.

Mit den Strom-Oldtimern zündet der 48-Jährige nun die nächste Stufe. Nach einer Investition von vier bis fünf Millionen Euro in Forschung und Entwicklung bringen die bewährten Partner ein Elektro-Modul auf den Markt, das jede Werkstatt in ältere, also umkompliziert konstruierte Wagen einbauen kann. Es kommt nach Angaben von Karabag im Grunde jedes Fahrzeug dafür in Frage, das noch nicht über eine komplexe Motorelektronik verfügt. Karabag wählte den Käfer für seinen ersten umgebauten Batterie-Oldtimer, weil er mit mehr als 21,5 Millionen Exemplaren zu den weltweit meistgebauten Modellen gehört und nach wie vor als Kult-Auto gilt.

Wer seinen Liebling umrüsten will, muss dafür allerdings noch einmal ordentlich Geld in den Wagen stecken. Kostenfaktor des E-Motors inklusive Einbau für den Kunden: Gut 11.000 Euro. Dazu kommt noch eine monatliche Batteriemiete von 99 Euro. „Mit dem Umbaukit kann ich ein automobiles Kulturgut erhalten und ein Fahrzeug aufwerten, statt es zu verschrotten“, beschreibt Karabag den Gedanken hinter den elektrischen Old- oder Youngtimern. Er füge dem Recycling, also dem Wiederverwerten, eine neue Dimension hinzu, das e-cycling, und meint damit das Umrüsten nicht mehr zeitgemäßer Antriebe auf den Batteriebetrieb. Das Potenzial sei überraschend groß, hat Karabag errechnet: Allein in Deutschland seien noch 40.000 Käfer angemeldet. In Europa erreicht die Zahl der zwischen 1938 und 2003 gebauten Fahrzeuge sogar heute noch 300.000 Wagen. „Die Möglichkeit ist nicht schlecht, ein altes Auto nicht zu verkaufen und statt dessen umzurüsten, das wird sicher einige Leute interessieren“, sagt Christian Buric vom ADAC über die Innovation von Karabag.

Bei der Probefahrt des Abendblatts fällt wie bei E-Fahrzeugen üblich das kaum hörbare Surren des Motors auf, und Menschen, die den Käfer noch aus Kinderjahren kennen oder ihn früher selbst gefahren sind, werden das charakteristische Rasseln schmerzlich vermissen. Natürlich ist so ein Elektro-Umbau damit auch nichts für Puristen, die einen Oldtimer am liebsten so fahren, wie er auf die Welt gekommen ist.

Bei dem Karabag-Käfer rumpelt zudem noch ein defekter Stoßdämpfer, das Auto ist eben so alt wie es ist. Ansonsten punktet der batteriebetriebene Wagen mit einer annehmbaren Beschleunigung an der Ampel und mit einer einfachen Bedienung: Ein Knopf für Vorwärts- oder Rückwärtsgang reicht, ein kleiner Bildschirm zeigt die Batterieladung an und der Wagen kommt wie alle E-Mobile ohne Schaltung und Kupplung aus. Als Heizung hat Karabag noch einen mit Bio-Ethanol betriebenen Wärmelieferanten eingebaut, denn der hohe Stromverbrauch der sonst üblichen elektrischen Heizungen ist nach wie vor bei allen Stromern eine Schwachstelle und mindert die Reichweite. Diese liegt bei dem Käfer bei rund 120 Kilometern. „Das reicht für die meisten Stadtfahrten“, ist Karabag überzeugt. Die Batterie aufzuladen, das funktioniert auch an der handelsüblichen Steckdose, dauert sechs Stunden.

Neben der Oldtimer-Offensive gibt es von Karabag auch Neuigkeiten in Sachen Fiat 500. Durch das für die Käfer neu entwickelte, standardisierte Umbau-System werden auch die elektrisch betriebenen Fiats günstiger, denn sie können mit dem gleichen E-Motor ausgerüstet werden und damit Größeneffekte in der Produktion nutzen: Statt bisher rund 35.000 Euro kostet der E-Fiat 500 ab sofort nur noch gut 20.000 Euro. Dazu kommt allerdings noch die monatliche Miete der Batterie für 99 Euro. Das Fahrzeug bietet nach Angaben von Karabag eine Reichweite von 100 Kilometern, schafft eine Geschwindigkeit von etwa 100 Kilometern in der Stunde und kann bundesweit bei Technikern der Gabelstapler-Firma Still gewartet und repariert werden. Beim Test schnitt der Karabag-Fiat bisher gut ab, einzig die geringe Geschwindigkeit stelle auf der Autobahn ein Sicherheitsrisiko dar, sagt ADAC-Testexperte Helmut Schmaler. Der Preis dieses E-Autos sei im Vergleich zu anderen Stromern aber günstig, ergänzt Auto-Experte Buric vom ADAC.

So kostet ein Tesla gut 70.000 Euro, der Mitsubishi i-MiEV schlägt mit rund 29.000 Euro zu Buche, Volkswagen verlangt für den neuen e-Up knapp 27.000 Euro und wer sich für einen Smart mit Batteriebetrieb entscheidet, muss immerhin noch 23.000 Euro ausgeben. Bei Smart hat der Preis die Kunden indes nicht abgeschreckt. Die Jahresproduktion des Smart electric drive war schon im Frühjahr ausverkauft. Es scheint also genügend Liebhaber der neuen Elektro-Autos zu geben, wenn sie allmählich erschwinglicher werden. Eine weitere Signalwirkung wird womöglich der neue BMW i3 für den Markt haben. Egal wie die Konkurrenzprodukte bei den Kunden ankommen, Karabag hat sich mit seiner Umbaukit-Innovation einen lang gehegten Traum erfüllt, sagt der kreative Unternehmer: „Jetzt habe ich endlich einen eigenen Käfer“.