Ostdeutsche Nostalgie im Norden: Hamburger Unternehmen setzt auf die traditionellen DDR-Karossen mit 26 PS unter der Kunststoffhaube

Hamburg. Wenn man an der Ampel steht, der Motor beginnt zu stottern, der Innenraum vibriert und allmählich gesellt sich zum Stottern auch noch ein ungesundes Röcheln, dann kommen die beruhigenden Worte von Trabi-Vermieter Philipp Stechel gerade recht: „Das ist ganz normal, da passiert schon nichts“, sagt der 42-Jährige und der etwas verkrampfte Griff um das zierliche Kunststofflenkrad des Trabi wird wieder lockerer. Bei „Grün“ die nächste Herausforderung: Die Handschaltung rechts vor dem Fahrer will vorsichtig herausgezogen und mit etwas Gewalt in den ersten Gang gedrückt werden. Dann leicht ein wenig Gas geben und der Wagen setzt sich mit seinen 26 PS ganz munter in Bewegung, schließlich wiegt die Kunststoffkarosse ja auch nur ein paar Hundert Kilo.

Um die Kurve geht es mit einem gewissen Gokart-Gefühl ohne Servolenkung, an der nächsten Ampel ist wieder ordentlich Kraft gefragt, dieses Mal im Fuß, denn die Trabis sind seit jeher ohne Bremskraftverstärker ausgekommen. Dazu immer lächeln, denn mit dem ostdeutschen Volkswagen fällt man auf Hamburgs Straßen ähnlich auf, als wenn man mit einem Lama an der Leine durch die Mönckebergstraße spazierte. Die Leute grinsen, winken, stoßen ihre Nachbarn an – und schauen selbst bei Schmuddelwetter stets nett und zufrieden auf das Auto. Wie kommen die beiden Gründer der neuen Trabi-Vermietung, beides Hamburger, auf die Idee, ausgerechnet ein Ost-Produkt in den Mittelpunkt ihres neuen Unternehmens zu stellen?

„Ich war auf einem Seminar“, erzählt Norbert Fellerhoff, „einer der Teilnehmer kam mit einem Trabi und sofort liefen alle auf dem Parkplatz zusammen und wollten mal fahren.“ Fellerhoff durfte. Seit dieser ersten Probetour hat den 46-Jährigen das Trabi-Fieber gepackt.

Stechel und Fellerhoff investierten zusammen 20.000 Euro in fünf Trabis und bieten seit kurzem Stadtrundfahrten, Abenteuertrips oder Miettouren mit den DDR-Wagen an. Sie haben die Autos für 1000 bis 5000 Euro bei Privatleuten in Ostdeutschland gekauft und sie unterschiedlich ausgestattet: Ein Trabi mutierte mit dem Original-Bausatz aus der DDR zum Cabrio, ein Exemplar ziert eine Lackierung mit einem Feuerstreifen, ein Trabi wird von einem Polo-Motor mit Gas angetrieben, ein Wagen fällt mit einem Himmel voller Ostmarkscheine auf.

Die Individualisierungen haben die Autos eigentlich gar nicht nötig. Denn allmählich entwickelt sich das Fahrzeug, das in der DDR zuletzt für 18.000 Mark zu haben war, zum raren Oldtimer: Von den gut drei Millionen Exemplaren, die zwischen 1957 und 1991 gebaut wurden, sind heute noch 32.000 Wagen in Deutschland registriert. In Berlin und Dresden existieren weitere Trabi-Flotten zum Mieten, in Hamburg wagen sich die beiden Unternehmer nach eigenen Angaben mit ihrem Fuhrpark noch auf unbesetztes Terrain.

Mit dem Trabant, der Name bedeutet im Russischen übrigens Begleiter oder Weggefährte, verband die Ostdeutschen immer eine Art Hassliebe. Schließlich gab es lange Wartelisten beim Hersteller Sachsenring, der seinen Kunden dann allerdings – zumindest in den letzten Jahren der Produktion – ein hoffnungslos veraltetes Auto auslieferte. Genau das macht heute den Charme aus.

Seine Schwächen machen den Trabi so liebenswert. „Das Feedback auf diesen speziellen Charakter fernab von Spaßautos wie Porsches oder Ferraris ist eigentlich das Beste“, findet Philipp Stechel, der sich mit seinem Mitgründer aus diesem Grund mit der Trabi-Vermietung selbstständig gemacht hat.

Jeder Erwachsene ab 21 Jahren kann den Trabi in Hamburg mieten

Zwar arbeiten beide Gründer bisher auch noch in ihren bisherigen Berufen, der Diplom-Soziologe Stechel als Unternehmensberater bei SAP, Fellerhoff als Berufsschullehrer. Aber der Business-Plan sieht vor, dass sie irgendwann davon leben können, wenn genug Kunden kommen.

Die Auswahl an Angeboten, Ausfahrten mit dem Trabi zu unternehmen, ist schon jetzt groß: Eine Tour führt an die Ostsee, zum Fliegenfischen. Der Tagesauflug in die Lübecker Bucht kostet 99 Euro pro Person inklusive Verpflegung. Für Kochfans gibt es ein Grillseminar, dann geht es mit den Trabis raus ins Grüne, dort erklärt ein Profi unter anderem die Tricks zum Kochen mit Kohle. Mit Essen gibt dafür jeder Teilnehmer 129 Euro aus.

Für Kulturliebhaber bieten die Trabivermieter Fahrten zur Kunststätte Bossard in der Nordheide an, dieser Ausflug im Konvoi kostet 99 Euro. Speziell für Touristen sind Stadtrundfahrten mit einem professionellen Führer im Programm, die Erklärungen zu Michel und Reeperbahn werden dann per Lautsprecher in die Trabis übertragen.

In der ganz normalen Vermietung, die unter Trabi-Hamburg.de im Internet zu finden ist, kann sich jeder, der mindestens 21 Jahre alt ist, einen Trabi leihen. Das schlägt für 24 Stunden mit 99 Euro zu Buche, für ein Wochenende kostet der Wagen 179 Euro. Im Preis inbegriffen ist das Benzin, das für 340 Kilometer reicht.

„Hier ist wieder etwas Vorsicht angebracht“, informiert Stechel über den besonderen Charakter der Fahrzeuge: „Bei vielen Trabis fehlt die Tankanzeige.“ Stattdessen bietet der Benzinhahn drei Stellungen: offen, geschlossen, Reserve. Die Umschaltung in die dritte Stellung macht die letzten vier bis fünf Liter Kraftstoff verfügbar.

Wenn es soweit ist und der Besuch bei der Tankstelle unvermeidlich wird, signalisieren bei diesen Fahrzeugen lediglich Aussetzer des Zweitaktmotors dem Fahrer, dass bald getankt werden muss. Also hätte das Stottern an der Ampel doch noch einen anderen Grund haben können.