Umsatz der umstrittenen Elektro-Zigaretten steigt rasant. EU-Parlament will die Nikotin-Verdampfer unter Arzneimittelrecht stellen

Hamburg. Käsekuchen, Schwarze Johannisbeere, Zimt – die Geschmacksrichtungen, die auf den kleinen Fläschchen mit den sogenannten „Liquids“ für die elektrischen Zigaretten aufgedruckt sind, müssen so manchem Raucher sehr ungewohnt vorkommen. „Aber bei den E-Zigaretten spricht man ja auch nicht vom Rauchen, sondern vom Dampfen“, sagt Dany Pötzl, Geschäftsführer eines Ladens der Kette Highendsmoke.de in Hamburg-Niendorf.

Die Kunden vermissen den sonst gewohnten Geruch glimmenden Tabaks offenbar nicht: „Waldmeister ist eines der am meisten verkauften Aromen“, sagt Pötzl. Menthol sei auch dabei, erklärt er mit Blick auf die bevorzugte Zigarettensorte von Altkanzler Helmut Schmidt. „Wenn er hier in den Laden käme, würde ich ihn duzen.“ Denn dies sei unter Dampfern üblich, sagt Pötzls Mitgeschäftsführerin Hanne Jacoby: „Sie sind eine große Familie.“

Im Vergleich zu den rund 20 Millionen Rauchern sind die gut zwei Millionen Dampfer, die es nach Schätzung des Verbandes des eZigarettenhandels (VdeH) in Deutschland gibt, zwar noch eine überschaubare Gemeinde. „Aber wir rechnen für 2013 mit einem Umsatzwachstum um 50 Prozent“, sagt Dac Sprengel, Vorsitzender des VdeH. Etwa 350 Geschäfte gebe es in der Bundesrepublik. In Hamburg sind es gut ein Dutzend. Drei davon gehören zur Highendsmoke-Kette.

Auch Hanne Jacoby registriert großes Interesse: „Jeden Monat kommen mehr als 200 Neudampfer in unsere drei Hamburger Geschäfte.“ In den meisten Fällen seien dies Menschen, die mit dem Zigarettenrauchen aufhören wollen oder müssen: „Darunter sind Leute, die einen neuen Lebenspartner gefunden haben, der nicht raucht, oder auch schwangere Frauen.“ Denn auch wenn man weiter Nikotin aufnehme, entfielen praktisch alle gesundheitsbelastenden Wirkungen des Tabakrauchens: „Man ist im Prinzip Nichtraucher“, sagt Jacoby.

Selbst zur Entwöhnung vom Nikotin sei die E-Zigarette geeignet, weil man die Dosierung allmählich reduzieren könne – bis auf null: „Bis zu 20 Prozent der Liquids, die wir verkaufen, sind nikotinfrei“, erklärt Pötzl. Diese Varianten seien besonders bei jüngeren Kunden beliebt, von denen manche wohl die derzeit angesagte Shisha (Wasserpfeife) imitieren wollten. Jugendliche unter 18 Jahren werden in Geschäften, die dem Branchenverband VdeH angehören, aufgrund einer Selbstverpflichtung allerdings nicht bedient.

Eine weitere bedeutende Kundengruppe seien Personen, die an ihrem Arbeitsplatz nicht rauchen dürfen, sagt Pötzl und nennt ein Beispiel: „Vor allem in unserem Geschäft in der Steinstraße haben wir viele Kunden, die im Hafen arbeiten. Da herrscht striktes Rauchverbot.“ Tatsächlich findet in der E-Zigarette keine Verbrennung statt. Stattdessen setzt ein Akku einen Heizdraht unter Spannung, und dieser bringt das Liquid auf Knopfdruck bei einer Temperatur von meist nur 60 bis 120 Grad zum Verdampfen.

Einstiegsgeräte aus China kosten rund 25 Euro, aber es gibt auch Produkte aus deutscher Fertigung für 400 Euro. „Manche Kunden sind eben Technikfreaks und haben Freude an der Elektronik“, sagt Pötzl. Der Preis der Liquids liegt in der Regel zwischen fünf und sieben Euro, wobei ein Fläschchen in der Nutzungsdauer ungefähr sieben Packungen Zigaretten entspreche.

Unter dem Strich könne ein Raucher die Ausgaben durch den Umstieg auf E-Zigaretten auf ein Fünftel verringern, schätzt Jacoby. Wie auch Pötzl kennt sie sich in beiden Lagern aus: „Wir sind seit 40 Jahren Raucher.“ Zu ihren Geschäften kamen die beiden vor zwei Jahren durch einen Zufall: Jacoby war in einer Personalberatung tätig, und Pötzl hatte nicht lange zuvor seinen Arbeitsplatz als Art-Director bei einer vom Bauer-Verlag eingestellten Zeitschrift verloren, als ihnen ein Nachbar erzählte, der Dresdner E-Zigarettenhersteller Highendsmoke suche Franchisenehmer in Hamburg.

„Die Idee hat mich vom ersten Moment an überzeugt“, so Pötzl. Er sieht reichlich Potenzial für Expansion: „Wir möchten gern weitere Shops in Hamburg eröffnen.“ Interessiert sei man an guten Lagen im Westen und Osten der Stadt, etwa in Flottbek, Blankenese, Barmbek und Wandsbek.

Eine mögliche gesundheitsschädliche Wirkung der E-Zigaretten ist umstritten

Doch Europapolitiker könnten solche Pläne zunichtemachen. Denn das EU-Parlament hat eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, wonach elektrische Zigaretten dem Arzneimittelrecht unterworfen werden sollen. Damit bräuchten die Produkte eine entsprechende Zulassung, die erst nach jahrelangen Tests erteilt wird. Dies könnte außerdem zur Folge haben, dass nikotinhaltige E-Zigaretten in Deutschland nur noch in Apotheken verkauft werden dürfen.

Pötzl kann solche Bestrebungen nicht nachvollziehen: „Es gibt keine Studien, die eine schädliche Wirkung des Dampfens belegen.“ Das könnte jedoch einen naheliegenden Grund haben. „Zu möglichen gesundheitlichen Folgen eines langfristigen E-Zigarettenkonsums liegen derzeit noch keine Studien vor, da die Produkte erst seit wenigen Jahren auf dem Markt sind“, heißt es in einem 40 Seiten starken Papier des Deutschen Krebsforschungszentrum vom April 2013.

Dennoch positionieren sich die Heidelberger Forscher eindeutig: „Das deutsche Krebsforschungszentrum begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission, elektrische Zigaretten wie Arzneimittel zu regulieren“, erklärt Otmar D. Wiestler, der Vorstandsvorsitzende des Instituts. Das Produkt könne derzeit nicht als bedenkenlos bewertet werden. Denn die Liquids enthielten Inhaltsstoffe, die „über einen längeren Zeitraum möglicherweise gesundheitsschädlich sind“. Laut der Studie kann selbst eine gesundheitliche Belastung Dritter nicht ausgeschlossen werden, weil „feine und ultrafeine lungengängige Flüssigkeitspartikel, Nikotin und krebserzeugende Substanzen in die Raumluft abgegeben werden“.

In dem Papier der Krebsforscher ist unter anderem von technischen Mängeln und mangelnden Informationen zur Produktqualität die Rede. Zwar hat sich der Händlerverband VdeH eine freiwillige Kennzeichnung mit Warnhinweisen sowie eine Beschränkung des Nikotingehalts zum Ziel gesetzt. Die Ladenkette Highendsmoke bietet bereits TÜV-geprüfte Liquids an, die in Deutschland hergestellt werden. Ob solche Maßnahmen aber genügen, die Europapolitiker umzustimmen, wird sich demnächst erweisen.