Streit um die Neuorganisation an den Wasserwegen erzürnt vor allem die Binnenschiffer. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Streik.

Berlin/Hamburg. Sie gehören zum Rückgrat des Verkehrsnetzes wie die Autobahnen und Schienentrassen. Doch auf wichtigen Wasserstraßen quer durch das Transitland Deutschland stehen die Ampeln seit Wochen immer wieder auf Rot. Mit Streiks an Schleusen – den Nadelöhren der Kanäle und Flüsse – macht die Gewerkschaft Ver.di in einem komplizierten Konflikt Druck auf den Arbeitgeber Bund. Binnenschiffer, denen der Stillstand Einbußen beschert, fordern endlich eine Lösung. Die Situation scheint verfahren. Lösungen sind nicht in Reichweite.

Worum dreht sich der Konflikt?

Stein des Anstoßes ist der geplante Umbau des Behördennetzes, das für Betrieb und Instandhaltung der 7300 Kilometer Binnenwasserstraßen des Bundes zuständig ist. Die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) werde damit „zukunftsfähig aufgestellt und orientiert sich künftig am tatsächlichen Bedarf“, sagte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) bei der Vorlage der Reformpläne vor gut einem Jahr. Bis 2020 soll die Zahl der Behörden von derzeit 53 auf 34 sinken, die Zahl der Beschäftigten ohne Entlassungen von 12.500 auf rund 10.000.

Was will die Gewerkschaft Ver.di mit dem Streik erreichen?

Eine soziale Absicherung bei den Umstrukturierungen wollen alle. Wie genau Garantien aussehen sollten, ist aber umstritten. Ramsauer schrieb eigens einen Brief an alle Mitarbeiter, den sie auch gern zu ihren Arbeitsverträgen nehmen könnten. Seine zentralen Zusagen: keine betriebsbedingten Kündigungen, keine Versetzungen gegen den Willen der Betroffenen, keine finanziellen Einbußen. Per Gutachten ließ das Ministerium bestätigen, dass dies auch über einen Regierungswechsel bei der Bundestagswahl hinaus verbindlich sei. Ver.di zweifelt allerdings an diesen Aussagen und will einen Tarifvertrag erzwingen. „Wenn der Minister zu seinem Wort steht, warum kann er sich dann keine Unterschrift unter eine tarifvertragliche Vereinbarung vorstellen?“, fragt ein Sprecher.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat die Auseinandersetzung?

Seitdem die Aktionen Anfang Juli anliefen, gab es schon mehrere regionale Streikwellen. Vor allem in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen stauten sich Schiffe vor geschlossenen Schleusen. Die Einbußen für Transporteure gehen in die Millionen, wie der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt jüngst beklagte. „Dass eine komplette Branche, die nichts zur Lösung des Tarifkonflikts beitragen kann, als unbeteiligte Dritte derart geschädigt wird, kann nicht richtig sein.“ Binnenschiffe befördern vor allem Massengüter wie Baustoffe, Kohle, Erze und Stahl, aber etwa auch Container.

Wie geht es weiter in diesem Konflikt?

Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, will der Ver.di-Bundesvorsitzende Frank Bsirske an diesem Donnerstag zu einem „Aktionstag“ nach Minden in Nordrhein-Westfalen fahren. Termine für offizielle Verhandlungen, die auf Bundesseite formal das Innenministerium führt, gab es vorerst nicht. Der Verband der Binnenschiffer rief schon Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Eingreifen auf. „Wenn Tausende von Mitarbeitern des Bundes gut funktionierende Mittelstandsbetriebe ruinieren, darf das der Regierungschefin nicht egal sein“, hieß es seitens des Verbands.