Gewerkschaft und Arbeitgeber wollen Firmen erstmals gemeinsam für das Thema sensibilisieren. Oft helfen bereits kleine Maßnahmen

Hamburg. Normalerweise streiten sich Ralf Becker, Leiter Landesbezirk Nord der Gewerkschaft IG BCE, und Jochen Wilkens, Hauptgeschäftsführer vom Arbeitgeberverband ChemieNord, bei Tarifverhandlungen. Im Gespräch mit dem Abendblatt sind sich die beiden jedoch einig wie nie zuvor. Es geht um die Gesundheit der rund 67.000 Beschäftigten in mehr als 300 überwiegend mittelständischen Chemie-Unternehmen im Norden.

Im Tarifvertrag Lebenszeit und Demografie haben die beiden Tarifpartner nun vereinbart, dass Maßnahmen ergriffen werden sollen, um in den Betrieben die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Belegschaft zu erhalten und zu steigern. Um dies zu erreichen, wurde jetzt eine umfangreiche Informationskampagne für die Mitgliedsunternehmen gestartet. „Dass sich Arbeitgeber und Gewerkschaft gemeinsam um Bereiche wie den Gesundheitsschutz in Unternehmen kümmern, ist bundesweit einzigartig“, sagen Wilkens und Becker.

„Wenn Mitarbeiter krank werden, schwächt dies auch das Unternehmen“, sagt Becker. Vor allem im Hinblick darauf, dass die Deutschen immer älter werden und länger arbeiten müssen, sei es wichtig, dass sich die Arbeitgeber gerade auch im Zusammenhang mit dem Fachkräftemangel um die Gesundheit der Beschäftigten kümmern. Laut Wilkens sind bereits rund 60 Firmen des Verbands an dem Service interessiert. ChemieNord hat seine Mitarbeiterin Astrid Rimbach mit der Beratung der Unternehmen beauftragt.

Wenn Mitarbeiter krank werden, schwächt dies auch das Unternehmen

„Wir werden im September eine Stelle dafür besetzen“, sagt Becker. Konkret geht es bei dem neuen Service darum, in den Unternehmen als erstes eine Bestandsaufnahme der Lage etwa beim Krankenstand zu erstellen und danach nach Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen.

Oft machen auch Dinge krank, die schnell verändert werden können. „Eine fehlende Anerkennung durch den Vorgesetzten kann krank machen oder auch die Forderung eines Unternehmens, dass seine Beschäftigten Tag und Nacht über das Smartphone erreichbar sein müssen“, so Wilkens. „Das Thema Gesundheit muss zum Thema der Unternehmensführung werden“, fordert Becker. Dabei gehe es auch darum, weit verbreitete Modelle mit einer zwölfstündigen Schichtarbeit neu zu organisieren, um die Beschäftigten zu entlasten. „Das Gesundheitsmanagement in den Unternehmen muss Teil einer qualifizierten Altersvorsorge sein“, fordert Becker. „Das ist der Schlüssel zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit“, sagt Wilkens. Jeder investierte Euro zahle sich bei einem guten Gesundheitsmanagement zwei- bis dreifach aus.