Gründe sind hohe Mieten und schlechte Arbeitsbedingungen. Zudem haben sich die Ansprüche der Bewerber gewandelt. Die Menschen wollten heute Ganzjahresjobs.

Westerland. Eines will Stephan Beck klarstellen: Auf Sylt bekommt noch jeder sein Schnitzel und sein Bier – trotz Arbeitskräftemangels im Sommer. „Das soll hier nicht so rüberkommen, dass es heißt: Du wirst hier nicht mehr bedient.“ Der Vorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Sylt sieht dennoch eine Lücke auf der beliebten Urlaubsinsel: 400 Kräfte fehlen nach seinen Angaben, ob im Restaurant oder beim Zimmerservice. Auch auf Amrum und Föhr ist die Lage angespannt. Überall würden Kräfte gesucht, sagt die Dehoga-Bezirksvorsitzende Angelika Hesse. Es gebe noch viele offene Lehrstellen, während in früheren Jahren im Herbst des Vorjahres bereits die Auszubildenden feststanden.

Köche, Hotel- und Restaurantfachleute zählen im Agenturbezirk Flensburg, zu dem Westerland gehört, zu den Berufen mit den meisten freien Ausbildungsplätzen. Allein auf Sylt waren Ende Juli 99 freie Ausbildungsplätze bei der Agentur für Arbeit gemeldet – bei keinem einzigen unversorgten Bewerber. Für Geschäftsstellenleiter Rudolf Reiff liegt der Arbeitskräftemangel in einem „relativ stabilen Bereich“. Das Problem habe es in anderen Proportionen schon vor 30 Jahren gegeben. Dies sei nicht nur ein Sylter Problem, sondern da ein Thema, „wo Saison herrscht“, etwa auch an der Ostsee in Mecklenburg-Vorpommern.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Laut Beck haben sich die Ansprüche der Bewerber gewandelt. Die Menschen wollten heute Ganzjahresjobs, statt im Winter in Skigebiete weiterzuziehen und dort zu arbeiten. Auf Sylt kommen die hohen Mieten hinzu. „Für ein Wohnklo mit 28 Quadratmetern zahlen Sie 650 Euro. Was sollen wir den Angestellten als Arbeitgeber bezahlen?“, fragt Beck. Wer vermiete, könne mit nur 100 Miettagen im Jahr mit Urlaubsgästen mehr verdienen als an 365 Tagen mit Dauermietern. Einzelne Gastronomen steuern gegen und bieten für alle Mitarbeiter Wohnraum an.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) sieht hingegen starke Mängel in der Berufsausbildung. Dies schrecke immer mehr junge Menschen ab, sagt Finn Petersen, Geschäftsführer von NGG Schleswig-Holstein Nord. Die Arbeitsbedingungen hätten sich stark verschlechtert, auf Sylt habe sich eine Dauersaison gebildet. „Und im Sommer wird sehr viel gearbeitet für sehr wenig Geld.“ Oft würden Bestimmungen der Tarifverträge wie etwa 30 Tage Urlaub oder Urlaubsgeld nicht eingehalten. Der Dehoga Schleswig-Holstein sucht inzwischen in Spanien und Griechenland Auszubildende. Die ersten könnten zum 1. September anfangen, sagt Dehoga-Präsident Peter Bartsch. Ein Kollege auf Sylt habe bereits zugesagt, sechs griechische Bewerber einstellen zu wollen. Eine andere Tendenz sei, dass manch Inhaber auf Hilfskräfte umstelle. Die eigentliche Arbeit übernähmen dann Fremdfirmen. „Das wird noch dramatisch werden“, sagt Bartsch. Dann werde in Restaurants nicht mehr selbst gekocht, sondern auf Convenienceprodukte, also Fertiggerichte, zurückgegriffen.