Der Wohnungsbau in Hamburg boomt. Auf Maschinen und Gerätschaften müssen Unternehmen aber lange warten. Und die Kosten steigen kräftig

Hamburg. Eigentlich war alles bereit. Als die Stadtentwicklungsgesellschaft Hamburg (steg) im März mit dem Bau eines neuen Bürogebäudes im Schanzenviertel, gleich um die Ecke des Schulterblatts, beginnen wollte, waren jahrelange Vorplanungen für das Projekt abgeschlossen. Die Baugenehmigungen lagen vor, sogar ein Zuschuss der EU für das 5,4 Millionen Euro teure Vorhaben war gesichert. Was fehlte, war der Baukran. Zwar hatte sich die steg bereits im November vergangenen Jahres das Angebot eines Hamburger Bauausrüsters eingeholt, der den notwendigen Typ Baukran für den gewünschten Zeitraum liefern wollte. Doch als es schließlich losgehen sollte, war der Kran schon anderweitig vermietet. Es kam noch schlimmer: „In ganz Hamburg war kein Kran in der von uns gewünschten Konfiguration erhältlich, weil alle anderweitig im Einsatz waren“, sagt Hans Joachim Rösner, Geschäftsführender Gesellschafter der steg.

Der Vorfall ist nicht die Ausnahme, sondern alltägliche Realität. Die Baubranche im Norden boomt. Die Auftragsbücher der Unternehmen sind voll, neue Aufträge werden kaum angenommen. Und Baugerätschaften wie Kräne und Gerüste werden knapp. Das freut Spezialisten, wie die Firma Feurig, Vertragshändler des Herstellers Liebherr in Hamburg. „Wir haben 220 Kräne, und die sind ständig im Einsatz“, sagt Junior-Chef Knud Feurig. „Wer kurzfristig einen Kran braucht, bekommt Probleme.“ 2008 habe er schon einmal so einen Boom im Kranverleih erlebt. Seitdem aber nicht mehr so stark wie heute. Es würden sogar Kräne aus anderen Bundesländern nach Hamburg geschafft, um die Nachfrage der Bauwirtschaft bedienen zu können.

Daniel Kirsch, Vorstandsvorsitzender der Hanseatischen Baugenossenschaft Hamburg (HBH) kennt das Problem, leidet selbst aber unter einem ganz anderen: „Ich habe gehört, dass Kräne schwer zu bekommen sind, noch schwerer ist es aber, die Gewerke selbst zu bekommen.“ Seit eineinhalb Jahren gehe das so, dass viele Betriebe bei öffentlichen Ausschreibungen von Bauleistungen gleich abwinken, weil sie zu viele andere Aufträge haben. „Deren Bücher sind voll“, so Kirsch.

Stefan Wulff, Geschäftsführer der Baufirma Otto Wulff sagt es deutlicher: „Früher haben wir als Generalunternehmer zehn Firmen angeschrieben, davon haben uns sieben in der Regel ein Angebot unterbreitet. Heute müssen wir hinterhertelefonieren, weil sie sich zum Teil gar nicht mehr melden.“ Und auch das Problem fehlender Gerätschaften ist dem Bauunternehmen nicht unbekannt: „Gerüste sind in der Tat knapp“, so Wulff. Eine Ursache für den Mangel an freien Baukapazitäten sieht der Unternehmer in Fehlern der Vergangenheit: „In der Krise 2007/2008 haben sich viele Firmen verkleinert, um zu überleben. Diese Kapazitäten sind nicht wieder aufgebaut worden und fehlen – beispielsweise für das Wohnungsbauprogramm des Senats.“

Dieses Programm existiert seit September 2011. Weil in Hamburg Wohnraum fehlt, hat die SPD damals in Verträgen mit der Wohnungswirtschaft und den Bezirken ein Bündnis für Wohnraum geschlossen. 6000 Wohnungen sollen jährlich entstehen. Noch ist diese Zahl nicht annähernd erreicht, aber der Wohnungsbau ist durch die Politik kräftig angekurbelt worden. Vielleicht zu kräftig. „Angesichts des Mangels an Firmen wird die Zielmarke des Senats, 6000 neue Wohnungen jährlich zu schaffen, kaum durchsetzbar sein“, sagt Joachim Bode, Vorstand des Eisenbahnbauvereins (EBV) Harburg.

Dabei lassen sich die Bauherren ihre Vorhaben einiges kosten: „Durch die hohe Nachfrage nach Bauleistungen sind auch die Preise entsprechend stark gestiegen“, beklagt etwa der Chef der steg, Rösner. Und Bode vom Eisenbahnbauverein sagt, dass die Preise für Bauleistungen in Hamburg seit Beginn des Wohnungsbauprogramms um fünf bis zwölf Prozent angezogen hätten. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Preise für das Baumaterial stark steigen: Rohstoffe wie Kunststoff (etwa für die Fenster) sind signifikant teurer geworden, und auch der wichtigste Baustoff Zement kostet den Angaben des Statistischen Bundesamts zufolge 30 Prozent mehr als 2005. Bauunternehmer Wulff führt diese Preisentwicklung nicht zuletzt darauf zurück, dass sich nach einem Konzentrationsprozess quasi nur noch zwei große Anbieter den Markt teilen, Holcim und HeidelbergCement. Auch die Zahl der Anbieter an Dämmstoffen ist sehr klein, die Nachfrage derzeit aber enorm.

Die Preise haben inzwischen so stark angezogen, dass sogar der soziale Wohnungsbau darunter leidet. So reicht die öffentliche Förderung gerade noch aus, die Wohnungen nach den geforderten Standards zu bauen. Extras sind nicht mehr drin. Die Steg sieht sich sogar bei ihrem Vorzeigeprojekt, der Sanierung des Gängeviertels, gezwungen, den Anbau von Balkons aus dem Vorhaben zu streichen. „Wir hatten als zusätzliche Maßnahme geplant, auch die hinteren Wohnungen der alten Häuser mit einfachen Balkons auszurüsten, bei diesem Preisniveau werden wir darauf verzichten müssen“, sagt steg-Chef Rösner.

Noch funktioniert die öffentliche Förderung, aber Kredite der staatlichen Wohnungsbaukreditanstalt (WK) haben ihren Reiz längst eingebüßt. Da sich die Bauunternehmen aufgrund der niedrigen Zinsen billig mit frischem Geld von den privaten Banken versorgen können, beginnen sie ihre Verbindlichkeiten für Altbauten gegenüber der WK abzulösen. Damit fallen die Wohnungen schneller aus der sozialen Bindung. Das dürfte dem Senat nicht schmecken. „Die Situation am Geldmarkt hat sich geändert, die WK hält aber weiter starr an ihren Kreditkonditionen fest. Das ist das Problem“, sagt Bode vom Eisenbahnbauverein. „Das wird sich noch verschärfen.“