Ohne Partner kommt die Hamburger Schuhhandelskette nicht zurecht. Einzelgesellschaften sollen gebündelt werden

Hamburg. Die Belastungen der vergangenen Monate waren Ludwig Görtz anzumerken. Als der Mitinhaber und frühere Chef der Hamburger Schuhhandelskette im Februar dieses Jahres in die Unternehmenszentrale an der Spitaler Straße lud, da erschien der Patriarch nachdenklicher und zurückhaltender als sonst. Ja, er habe Fehler gemacht und angesichts einer starken Onlinekonkurrenz und einer Reihe von Managementfehlern zu spät die Reißleine gezogen, gestand der 78-Jährige.

Zahlreiche Stellen hat die angeschlagene Kette im vergangenen Jahr abbauen und unrentable Geschäfte schließen müssen, das Management wurde ausgewechselt, Immobilien verkauft, um an flüssige Mittel zu kommen. Im Juni dieses Jahres keimte bei Ludwig Görtz und seinen beiden Brüdern Friedrich und Thomas dann die Erkenntnis, dass man ohne einen starken Partner nicht mehr länger würde auskommen können. Mit einer Beteiligungsgesellschaft machten die Inhaber den Weg für den Einstieg neuer Gesellschafter frei.

Nun sieht es ganz danach aus, dass sich Ludwig Görtz und die anderen Gesellschafter bald gänzlich von ihrem Lebenswerk verabschieden und das Unternehmen veräußern könnten. Käufer der vor fast 140 Jahren gegründeten Familienfirma könnte ein anderes großes Hamburger Unternehmen sein. Nach Informationen des Abendblatts ist die Otto Group daran interessiert, bei der Schuhhandelskette einzusteigen. Dabei geht es offenbar zunächst um eine Minderheitsbeteiligung, mit der Option, diese später zu einer Mehrheitsbeteiligung von über 50 Prozent auszubauen.

Weder die Otto Group noch Görtz wollten sich am Montag offiziell dazu äußern. Dies hängt vermutlich auch mit der Tatsache zusammen, dass sich die Gespräche noch in einer sehr frühen und zerbrechlichen Phase befinden. Otto habe in Form einer Absichtserklärung („Letter of Intent“) sein Interesse an Görtz signalisiert und prüfe nun zusammen mit weiteren Interessenten die Daten des Unternehmens, hieß es aus Finanzkreisen. Ob es am Ende tatsächlich zu einer Beteiligung oder Übernahme komme, sei im Augenblick noch völlig offen.

Bereits heute arbeiten Otto und Görtz bei der Hamburger IT-Dienstleitungsfirma Nubon zusammen, die sich mit der Entwicklung von Programmen für Smartphones beschäftigt, mit denen sich beispielsweise digitale Kassenbons auf die Geräte spielen lassen. Im Februar hatte Otto eine Mehrheitsbeteiligung an der kleinen Firma erworben, die von der Görtz-Tochtergesellschaft Ethalon gegründet wurde.

Eine Übernahme von Görtz insgesamt würde für den Otto-Konzern durchaus Sinn ergeben. Die Gruppe ist schon seit vielen Jahren nicht nur im Versand- und Onlinehandel aktiv, sondern unterhält auch eine Reihe großer Einzelhandelsketten mit traditionellen Läden. Darunter befinden sich etwa die in München angesiedelte Kette SportScheck, aber auch die amerikanische Kette Crate & Barrel, die sich auf Möbel und andere Einrichtungsgegenstände spezialisiert hat.

Darüber hinaus zielen sowohl die Konzernmarke Otto als auch die Kette Görtz jeweils auf junge, modebewusste Frauen als Zielgruppe ab. In diesem Punkt könnten die beiden Unternehmen nach Einschätzung von Branchenexperten gegenseitig voneinander profitieren.

Görtz könnte zudem das immense E-Commerce-Know-how der Otto Group gut gebrauchen. Zwar hat das Traditionsunternehmen in den vergangenen Jahren einen eigenen Onlineshop aufgebaut und diesen auch mit dem Ladengeschäft verzahnt, doch von einem Angebot, das es mit aggressiven Konkurrenten wie Zalando aufnehmen könnte, ist man meilenweit entfernt.

Fraglich ist allerdings, ob sich die Otto Group am Ende wirklich ein Unternehmen einverleiben möchte, das sich mitten in der Sanierung befindet und noch zahlreiche Altlasten aus der Vergangenheit mit sich herumschleppt. Der Umsatz ging im vergangenen Jahr um rund vier Prozent auf 387 Millionen Euro zurück, unter dem Strich fiel ein Verlust von einer Million Euro an. Um wieder auf die Beine zu kommen und die Kosten zu senken, hat Görtz 2012 die Zahl der Arbeitsplätze um rund 100 Stellen auf 3700 verringert und 16 unrentable Geschäfte geschlossen.

Görtz steckt nach wie vor mitten in der Sanierungsphase

Im laufenden Jahr soll die Zahl der Filialen noch einmal um 14 sinken. Besonders betroffen davon ist die Vertriebslinie Görtz 17, einst der größte Gewinnbringer, nun aber das Sorgenkind mit einer zu modischen und kaum tragbaren Kollektion.

Als jüngste Sparmaßnahme haben sich die Görtz-Geschäftsführer Thorsten Hermelink, Christian Moritz und Jörn Peters dazu entschlossen, verschiedene einzelne Gesellschaften wie Görtz Shoes, Görtz Kompakt und Görtz 17 in einer einheitlichen Vertriebsgesellschaft zu bündeln, was nach Abendblatt-Informationen zu einem weiteren Stellenabbau auf den Führungsebenen dieser Gesellschaften führen wird. All dies soll dazu beitragen, dass die Kette Ende dieses Jahres zumindest operativ wieder schwarze Zahlen schreibt.

Wie hoch also sind die Chancen, dass es wirklich zu einer Übernahme von Görtz durch Otto kommt? Ein Insider sprach Montag von einer Wahrscheinlichkeit von „unter 50 Prozent“.