Hamburgs Massengut-Terminal liegt im Verborgenen und präsentiert sich hochmodern

Hamburg. Die „Atalanta“ am Kai des Hansaports schwimmt bereits hoch auf. Die Entladebrücken senken ihre riesigen Greiferschaufeln in die Laderäume des Massengutfrachters hinab. Mit jeder Hieve holen sie 38 Tonnen brasilianisches Eisenerz aus dem Bauch des Schiffes und lassen das Gestein durch einen Trichter auf ein Förderband am Kai herabfallen. Nur einen Tag dauert es, ein Schiff wie die „Atalanta“, 229 Meter lang, 32 Meter breit, 82.000 Tonnen Tragfähigkeit, zu entladen, egal, ob sie Kohle oder Erz nach Hamburg bringt. Bald schon ist sie wieder bereit zum Auslaufen. Elbabwärts wird die „Atalanta“ dann ihrer nächsten Ladung im russischen Nordmeerhafen Murmansk entgegenfahren.

Erhard Meller, 63, rollt in einem Kleinbus den Kai entlang. Die Bewegungen der Entladebrücken erinnern an die Arbeit auf einem Containerterminal. Alles andere jedoch nicht. Der Hansaport mit seinen riesigen Kohle- und Erzhalden ist inmitten des Hafens eine Welt für sich. Eine erstaunlich moderne: „Der Hansaport ist der am weitesten automatisierte Terminal im Hamburger Hafen, weiter automatisiert als selbst das HHLA-Containerterminal Altenwerder“, sagt Meller. „Weltweit sind unsere vier Greiferbrücken die ersten und einzigen Geräte dieser Art, die ohne Fahrer im Vollautomatikbetrieb arbeiten können.“

Ein schnellerer Durchsatz bringt Vorteile im Wettbewerb mit anderen Häfen

Der Hamburger Hafen schlug 2012 rund 131 Millionen Tonnen Güter um. Fast genau ein Zehntel davon, gut 13,6 Millionen Tonnen, steuerte der Hansaport bei – mit gerade mal 107 Mitarbeitern. Die Containerschifffahrt, die Umladung von jährlich Millionen Stahlboxen auf den Terminals der Stadt, prägt das Bild des Hafens. Bei Tag und Nacht arbeitet die präzise Maschinerie, die sich von vielen Punkten an der Elbe aus beobachten lässt. Das Geschäft auf dem Hansaport läuft eher im Verborgenen. Das liegt nicht nur am Standort des Terminals im inneren Teil des Hafens, sondern auch daran, dass der Ingenieur Meller und seine Mannschaft den Betrieb während der vergangenen 20 Jahre immer weiter rationalisiert haben.

Nahezu alles läuft auf dem Hansaport automatisch. Förderbänder von insgesamt gut zehn Kilometer Länge sorgen für Bewegung. Nach der Entladung bringen sie Kohle und Erz vom Kai weg. Das Material landet bei sogenannten Kombigeräten, die daraus Halden aufschütten. Jeweils 20 verschiedene Sorten Erz und Steinkohle werden über den Hansaport importiert. Jede Sorte hat, abhängig von der Form der Körner und Brocken, einen eigenen „Böschungswinkel“, eine maximale Seitenneigung, mit der die Halden geschüttet werden können. Daraus ergibt sich der Flächenbedarf auf dem Terminal. Auch die automatische Beladestation für die Züge wird von den Kombigeräten mit Kohle oder Erz befüllt, und das ebenfalls weitgehend ferngesteuert. Nicht mal die eigenen Güterloks des Hansaports haben Fahrer. „Wir können Kohle oder Erz vollautomatisch vom Seeschiff über einen Lagerplatz weiter auf einen Güterzug verladen“, sagt Meller.

Bis zu 110.000 Tonnen Erz oder 70.000 Tonnen Kohle am Tag lassen sich mit den Greifern aus den Massengutfrachten entladen. Es ist ein mühsames Geschäft. Schaufel um Schaufel müssen die Großgeräte einem Schiff entringen. In den hinteren Teil der Laderäume gelangen die Greifer nur, wenn sie mit genau der richtigen Geschwindigkeit hineingeschwungen werden. Für die Entladung der letzten Tonnen wird ein Radlader in das Schiff herabgelassen, der aus den Resten kleine Halden formt, die wiederum die Schaufel fassen kann. Die Luke eines Schiffes peilt die Entladebrücke mithilfe eines Laserscanners präzise an, auch dann, wenn sich der Frachter am Kai bewegt.

Ein immer schnellerer und günstigerer Durchsatz ist ein entscheidender Faktor im Wettbewerb der Häfen. Im prestigeträchtigen Containergeschäft wird jede einzelne Box gezählt und am Ende des Quartals oder des Jahres bilanziert. Der Umschlag von Massengut steht weit weniger im Fokus; für die deutsche Wirtschaft ist er aber genauso wichtig. Der Hansaport verlädt Eisenerze für die Stahlwerke in Salzgitter und in Eisenhüttenstadt, zudem Steinkohle für Kraftwerke von E.on, Vattenfall und Volkswagen, der Stadtwerke Hannover und der Stadtwerke Braunschweig. Die Salzgitter Klöckner Werke halten 51 Prozent der Anteile am Hansaport, 49 Prozent liegen beim Hamburger Hafenkonzern HHLA.

Wettbewerb herrscht beim Umschlag von Kohle und Erzen ebenso wie zwischen den Containerterminals in den deutschen Häfen. Mürrisch nahm die Hamburger Hafenwirtschaft vor einigen Jahren zur Kenntnis, dass der Elbehafen Brunsbüttel von Aurubis – der früheren Norddeutschen Affinerie – den Auftrag für den Umschlag von Kupferkonzentrat erhalten hatte. Umgekehrt aber nimmt auch Hamburg anderen deutschen Seehäfen Umschlag ab. Besonders deutlich zeigt das die Bilanz des Hansaports bei der Steinkohle: Im Jahr 1996 erreichte das Terminal zum ersten Mal einen Umschlag von einer Million Tonnen im Jahr 2012 waren es rund fünf Millionen Tonnen, obwohl der Verbrauch von Steinkohle in Deutschland seit Jahren kontinuierlich sinkt. „In den vergangenen 20 Jahren wurde viel Kohle- und Erz-Umschlag aus anderen norddeutschen Häfen an den Hansaport verlagert“, sagt Meller, ohne Zahlen zu nennen.

Ein lukratives Geschäft allerdings läuft knapp am Hansaport vorbei. Das neue Kohlekraftwerk Moorburg nicht weit entfernt wird seine Steinkohle direkt anlanden. Die Entladung im Hamburger Hafen überwachen künftig Mitarbeiter von Brunsbüttel Ports. „Bei einem Bedarf von voraussichtlich 4,5 Millionen Tonnen Steinkohle im Jahr dürfte das dann jede Woche ein weiterer Kohlefrachter für Hamburg sein“, sagt Meller. Den Hansaport steuern derzeit im Jahr gut 130 Massengutfrachter an.

Seit Meller Ende 1991 als Geschäftsführer begann, hat sich der Hansaport auf den Umschlag von Kohle und Erzen konzentriert. Das Geschäft mit Dünger und Baustoffen lief aus. Der Umschlag von Futtermitteln war schon Jahre zuvor auf andere Terminals im Hamburger Hafen abgewandert. Meller hat den Hansaport radikal verändert. Auf die von der Hafenwirtschaft erhoffte Vertiefung und Verbreiterung der Elbe allerdings hat er keinen Einfluss. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig muss klären, ob die Klagen von Umweltverbänden gegen das Großprojekt rechtens sind – oder ob der Fluss für mehr und größere Schiffe ausgebaggert werden darf. „Auch am Hansaport bräuchten wir die Elbvertiefung und -verbreiterung dringend“, sagt Meller. „Ein Meter mehr Tiefgang bei der Fahrt nach Hamburg brächte auf den Schiffen 10.000 bis 15.000 Tonnen mehr Ladung, je nach Schiffstyp. Das sind etwa zehn Prozent einer großen Ladung, die heute nach Hamburg kommt.“