Verregneter Frühling macht den Hamburger Gartenbetrieben zu schaffen. Regional-Siegel soll Absatz ankurbeln

Hamburg. Leicht schwankend balanciert ein Marienkäfer auf einer pinkfarbenen Blüte, hält kurz inne, spannt die Flügel auf, hebt ab und fliegt über das Blumenfeld davon. Es duftet nach Erde, die Stängel der Bartnelken bewegen sich leise im warmen Sommerwind. Zufrieden schaut Arno Albers dem Käfer hinterher, der als surrender Punkt über dem grünen Pflanzenteppich verschwindet. „Das ist ein Nützling, er macht Jagd auf Läuse“, sagt der Hamburger, der vom Anbau bunter Sommerblumen lebt. Insekten wie der gepunktete Käfer sind ihm sehr willkommen, sie sichern seine Ernte und sein Einkommen, nachdem der Saisonstart für die Branche komplett ins Wasser gefallen ist. „Wir konnten erst spät anfangen zu pflanzen, weil noch bis in den April hinein Schnee lag“, erinnert sich Albers an den kalten Frühling. Dann seien ihm auch noch etliche Astern und Bartnelken erfroren oder im vielen Regen eingegangen. „Das sind ja schließlich keine Seerosen“, sagt Albers. Die Kälte habe auch den Kunden die Lust aufs Gärtnern verdorben. Das gelte selbst für Frühlingsboten wie Stiefmütterchen. „Dafür wünscht man sich am besten Bikiniwetter“, sagt Arno Albers lächelnd.

Die Branche zieht eine ernüchternde Bilanz für den Beginn des laufenden Jahres, in dem der Mai als zweitnassester Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 in die Klimageschichte eingegangen ist. Die Einbußen beim Blumenverkauf erreichten zehn bis 20 Prozent des üblichen Volumens, rechnet Albers vor, der selber ein paar Millionen Schnittblumen im Jahr produziert. Außerdem wirkt sich die Misere bis heute aus: Durch den späteren Pflanzzeitpunkt schrumpft der Erntezeitraum im Juli und August auf eine kurze Zeitspanne und sorgt so durch das höhere Angebot für niedrigere Preise: „Kostet ein Stiel Astern in besseren Jahren 20 bis 25 Cent auf dem Großmarkt, bekomme ich derzeit nur 15 Cent“, sagt Albers.

Der 62-Jährige muss es wissen, immerhin sitzt er seit mehr als 20 Jahren im Vorstand des Hamburger Blumengroßmarktes. 125 der 250 Zierpflanzenbetriebe aus der Hansestadt vermarkten direkt über den Großmarkt. Dieses Handelszentrum ist bundesweit führend im Handel mit Blumen. Mehr als 80 Millionen Euro im Jahr setzt der Markt mit Blumen um, davon kommen je die Hälfte aus der Region und die Hälfte aus dem Ausland. Noch.

Denn immer mehr Anbieter in klimatisch bevorzugten Ländern konkurrieren mit dem größten deutschen Gartenbaugebiet in den Vier- und Marschlanden. Zwar profitiert die Region im Südosten Hamburgs von ihren Böden, die durch langsameres Wachstum der Pflanzen für sehr gute Qualität sorgen. Doch kaufen immer mehr Blumenproduzenten Anbauflächen in Ländern wie Kenia und Ecuador und sind dort durch das warme Klima im Vorteil, während in unseren Breiten steigende Energiepreise zumindest die Blumenproduktion im Gewächshaus verteuern.

Arno Albers nimmt die Ecke einer schwarzen Folie in die Hand, die er über die Erde gelegt hat. Nur die Pflanzen schauen aus den Löchern heraus. „Die Biofolie besteht aus Raps und Mais, wärmt den Boden und schützt vor Unkraut“, sagt der Gärtnermeister. Dadurch spart er Pflanzenschutzmittel und Arbeitskräfte, die den Boden pflegen müssten. Seinen Mitarbeitern, die zum Teil aus Polen kommen, zahlt Albers 10,50 Euro bis 16 Euro die Stunde. Doch mit den Billiglöhnen in Südamerika oder Afrika kann er mit seinen Kosten trotz solcher Kniffe wie dem Einsatz der Folie nicht mithalten. Und das, obwohl auch seine Frau Ingrid und eine Tochter ebenfalls im Unternehmen mitarbeiten und Blumen auf dem Großmarkt verkaufen. „Der Konkurrenzdruck ist immer größer geworden.“ Schon vor Jahren hat der Hamburger deshalb die Produktion von Rosen aufgegeben. Das ist zwar die beliebteste Blume der Deutschen, doch sie gilt auch als sehr arbeitsintensiv: Die Rosen müssen täglich geerntet werden, die Sommerblumen wie Astern nur jeden zweiten bis dritten Tag. Außerdem brauchen die Rosen eine Temperatur von mindestens 18 Grad Celsius, um ihre Knospen zu bilden. Damit wäre man wieder beim Problem mit dem Hamburger Klima.

In den vergangenen Jahren haben regelmäßig fünf bis sieben Prozent der Betriebe, die in den Vier- und Marschlanden Zierpflanzen anbauen, aufgegeben. Die Fläche stagniert zwar bisher, weil andere Unternehmen die Felder übernehmen. Doch in den nächsten Jahren werde die Produktion zurückgehen, schätzt Albers. Mehr Wohngebiete und Ausgleichsflächen ließen die bunten Äcker in und um Hamburg schrumpfen.

Doch bisher kämpfen die Blumenbauern noch um ihre Existenz. Der Großmarkt hat einen Aufkleber mit dem Spruch „Ich bin von hier“ mitentwickelt, mit dem die Marktstände, Floristen oder Supermärkte für die Hamburger Blumen werben können. So wollen die Betriebe ihre Kunden für die regionale Herkunft ihrer Zöglinge sensibilisieren – und dafür sorgen, dass es in Hamburg auch in Zukunft noch grünt und blüht.