Schwedischer Eigentümer verhängt einen Einstellungsstopp. Das deutsche Geschäft wird 2014 abgespalten

Hamburg. Nach hohen Abschreibungen und steigenden Risiken vor allem bei der Stromerzeugung in Europa und wegen der deutschen Energiewende leitet der schwedische Versorger Vattenfall radikale Schritte ein. Der Staatskonzern hat sich im Vorfeld der Wahlen in Schweden im kommenden Jahr entschieden, sein Unternehmen 2014 ineine skandinavische und eine kontinentaleuropäische Einheit aufzuteilen. Das Deutschlandgeschäft soll der jetzige Chef Tuomo Hatakka weiter leiten.

„Zwar gab es Vorboten wie den Verkauf des polnischen Geschäfts oder den Rückzug aus Dänemark und Finnland“, sagte eine Person aus dem Umfeld von Vattenfall. „Aber dass jetzt die deutschen, britischen und holländischen Töchter vom Mutterkonzern abgetrennt werden, ist schon überraschend.“ Insgesamt muss Vattenfall allein im zweiten Quartal 3,4 Milliarden Euro auf Kraftwerke und andere Vermögenswerte abschreiben. Neben niederländischen sind auch deutsche Steinkohle-Kraftwerke betroffen.

Wegen der prekären Lage verhängte das Unternehmen einen Einstellungsstopp. Das bisherige Sparprogramm, das bislang auf 170 Millionen Euro pro Jahr begrenzt war, wurde am Dienstag zudem auf 285 Millionen Euro Einsparungen im Jahr erhöht. Vattenfall ist kein Einzelfall. Nach der Liberalisierung des Strommarktes im Jahr 1998 haben auch deutsche Stromkonzerne wie E.on (damals Preussag), RWE oder EnBW davon geträumt, den europäischen Strommarkt zu beherrschen. Auch sie haben viele Unternehmen für teures Geld gekauft, die sie dann wieder abstoßen mussten.

Die Spaltung des Konzerns ist laut Vattenfall eine von mehreren Maßnahmen als Reaktion auf die Entwicklungen des europäischen Energiemarktes. „Die neue Struktur ermöglicht jeder Region, sich auf ihre jeweiligen Hauptthemen zu konzentrieren. Darüber hinaus eröffnet sie Möglichkeiten, Risiken der Geschäftstätigkeit von Vattenfall auf dem europäischen Festland langfristig zu teilen“, erklärten Vattenfalls Aufsichtsratschef Lars G. Nordström und Unternehmenschef Øystein Løseth. Wie auch andere europäische Energieversorger ist Vattenfall von zunehmend trüben Marktaussichten betroffen. Das Unternehmen geht davon aus, dass sich der Strommarkt nicht so schnell erholen wird.

Die Spaltung könnte aber auch einen anderen Grund haben. Die Schweden haben unter anderem wegen der sinkenden Gewinn-Überweisungen nach dem Ausfall des Kernkraftwerks Krümmel schon länger wenig Freude an der deutschen Tochter. „Es herrscht eine Art Hassliebe“, sagt ein Insider. „Die Schweden mögen uns nicht, weil wir mit unseren Braunkohlekraftwerken deren CO2-Bilanz trüben und wegen des geplanten Atomausstiegs in Deutschland. Aber die schwedischen Ökonomen lieben uns, weil wir mit dem Betrieb dieser Kraftwerke für mehr als die Hälfte des Vattenfall-Gewinns verantwortlich sind“, sagt er.

Tatsächlich aber fordern Schwedens Medien immer wieder einen Verkauf der deutschen Beteiligung. Das konservative „Svenska Dagbladet“ schrieb, dass es den Staatskonzern nicht zuletzt wegen seiner deutschen Tochter für komplett an die Wand gefahren einstuft. Das sozialdemokratische „Aftonbladet“ nennt Vattenfall auch wegen der deutschen Braunkohlekraftwerke einen arroganten Umweltschurken. Über den 2012 eingebrochenen Gewinn berichtete die Wirtschaftszeitung „Dagens Industri“ mit der Schlagzeile „Vattenfalls ausländische Milliardenklatsche“. Neben 1,8 Milliarden Euro Verlust aus dem überteuerten Kauf des niederländischen Gaskonzerns Nuon im Jahr 2009, der Vattenfall 8,5 Milliarden Euro gekostet hatte, seien nochmals 1,8 Milliarden Euro durch den deutschen Atomausstieg sowie den von der EU verordneten Zwangsverkauf des Höchstspannungs-Stromnetzes „in Rauch aufgegangen“, so das Wirtschaftsblatt.

Möglicherweise ändert Vattenfall nun seine Strategie. Mit der Einrichtung von selbstständigen Unternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien wären die Firmen bereits von der Mutter getrennt. Das erleichtert, etwa bei Problemen mit der deutschen Energiepolitik den Verkauf der einzelnen eigenständigen Töchter. Doch es gibt auch andere Meinungen. „Die Rahmenbedingungen auf dem europäischen Strommarkt haben sich in den vergangenen Jahren komplett geändert“, so ein Experte, der seinen Namen nicht in der Zeitung gedruckt haben will. Mit mehr Eigenständigkeit könnte seiner Meinung nach Vattenfall in Deutschland etwa Partnerschaften mit anderen Konzernen eingehen, die Interesse an den deutschen Kraftwerken des Unternehmens haben. „Vattenfall in Deutschland wird nicht verkauft“, sage er.

Schon im Februar hatte Vattenfall-Chef Løseth angekündigt, dass 1500 Stellen bei dem Stromkonzern gestrichen werden sollen, darunter auch Hunderte in Deutschland. Wegen der neuen Sparziele könnten noch weitere Jobs auch in Hamburg, wo derzeit noch knapp 4000 Mitarbeiter beschäftigt sind, wegfallen. Vattenfall Deutschland mit rund 19.000 Beschäftigten ist die größte Auslandsbeteiligung des Konzerns und dürfte damit auch von den Rationalisierungsmaßnahmen überdurchschnittlich betroffen werden.