Mindestens 600 Stellen könnten gerettet werden, davon 200 in Hamburg. Verkauf im August

Hamburg. Zwei Wochen nach der Insolvenz des Solaranlagenbauers Conergy können fast alle 200 Mitarbeiter der Firmenzentrale in Hamburg sowie die 400 Beschäftigten im Ausland aufatmen. Der amerikanische Finanzinvestor Kawa Capital Management aus Miami will die globalen Vertriebs- und Servicegesellschaften sowie die Marke Conergy übernehmen, teilte das Unternehmen mit. Eine Absichtserklärung sei unterzeichnet, der Kaufvertrag soll in der zweiten Augusthälfte unterschriftsreif sein. Auch für die brandenburgische Conergy-Tochter Mounting Systems ist der vorläufige Insolvenzverwalter Sven-Holger Undritz zuversichtlich, einen Käufer zu finden. Man sei in guten Gesprächen.

Weiter bangen müssen hingegen die 320 Mitarbeiter in Frankfurt/Oder. Obwohl dort die Produktion am Montag wieder anlaufen soll, gibt es noch keinen Interessenten. „Es sind Aufträge bis Oktober da“, sagte Peter Ernsdorf von der IG Metall Ostbrandenburg. Ob sie noch abgearbeitet werden können, ist unklar. Denn Module aus Deutschland sind rund 15 Prozent teurer als die aus dem Ausland. Auch deshalb will Kawa die Produktion in Frankfurt/Oder nicht übernehmen. Conergy wird in Zukunft seine Module auf dem Weltmarkt zukaufen.

Kawa war bereits vor der Insolvenz des Unternehmens an einem Einstieg beim Hamburger Solarspezialisten interessiert und stand vor der Übernahme des kriselnden Unternehmens. Doch dann musste Conergy bei den kreditgebenden Banken eine Zwischenfinanzierung beantragen, weil sich Zahlungen aus einem Großprojekt verzögerten. Von den zehn kreditgebenden Geldhäusern stimmte ausgerechnet die Erste Abwicklungsanstalt als einzige nicht zu. Sie ist die Bad Bank der inzwischen zerschlagenen Westdeutschen Landesbank (WestLB).

Obwohl die Amerikaner weiterhin Interesse hatten, musste daraufhin Conergy-Chef Philip Comberg am 5. Juli einen Insolvenzantrag wegen Überschuldung stellen. „Hätten alle Banken dem kurzfristigen Kreditantrag zugestimmt, hätte dies vermieden werden können“, sagte ein Insider, der nicht genannt werden will. „Wir freuen uns sehr über die geplante Transaktion mit Conergy“, sagte Daniel Ades, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter bei Kawa. Die globalen Solarmärkte werden überdurchschnittlich wachsen. Conergy verfüge über eine einzigartige Aufstellung, um weltweit von diesem Wachstum zu profitieren. „Wir sehen großes Potenzial, länderübergreifend Solarkraftwerke zu finanzieren und zu realisieren und so stabile Kapitalrückflüsse für unsere Fonds zu erwirtschaften“, so Ades. Im Fokus stünden dabei sowohl private wie gewerbliche Dachanlagen und auch Großkraftwerke.

„Kawa ist unser Wunschpartner“, sagte Comberg. „Unsere Expertise ergänzt sich perfekt. Wir haben Conergy in den vergangenen zwei Jahren konsequent auf unsere Stärken im internationalen Vertrieb und den Serviceleistungen ausgerichtet und gleichzeitig an neuen Finanzierungsmöglichkeiten gearbeitet.“ Auch der vorläufige Insolvenz-Verwalter Undritz ist zufrieden. „Wir wussten, dass wir sehr schnell sein müssen, wenn wir eine Lösung erzielen wollen, die eine Vielzahl von Arbeitsplätzen erhält.“ Eine solche Lösung scheint sich nun, nur zwei Wochen nach der Insolvenzantragsstellung, tatsächlich abzuzeichnen. Conergy vertreibt seine Anlagen in mehr als 40 Ländern auf fünf Kontinenten und mit Niederlassungen in 15 Staaten.

Schwierigkeiten am Markt bekamen in jüngster Vergangenheit auch andere Unternehmen aus der Solarbranche zu spüren. Bereits im Dezember 2011 gab das Berliner Unternehmen Solon auf. Wenige Tage später meldete Solar Millennium Insolvenz an, im April 2012 gab Q-Cells aus Bitterfeld-Wolfen auf, im März verkündete Bosch, dass der Konzern sich aus dem Solargeschäft zurückziehen werde.

Mit der Übernahme durch Kawa beendet auch Conergy eine jahrelange Negativphase. Den letzten Gewinn erwirtschaftete das Unternehmen im Jahr 2005. Danach gab es nur noch Verluste. Mit Bekanntwerden der Nachricht stieg die Aktie am Freitag um 2,17 Prozent auf 0,094 Euro. 2007 lag der Kurs des einstigen Börsenstars noch bei rund 200 Euro. Der Absturz hat viele Gründe. So wird dem Conergy-Gründer Hans-Martin Rüter und anderen Managern vorgeworfen, sie hätten 2007 Insiderhandel betrieben, seien für Kursmanipulationen verantwortlich gewesen. Rüter und seine Kollegen bestreiten dies. Der Gründer nahm auf Druck seines Verwandten und Großaktionärs Dieter Ammer den Hut. Rüter, Ammer und weitere Manager sollen sich laut Gerichtspressestelle bald vor der Wirtschaftskammer des Hamburger Landgerichts verantworten.

Im Jahr 2010 spitzte sich die Krise weiter zu. Das damalige Bankenkonsortium verlängerte im Sommer zwar die Kreditlinie des Unternehmens, verlangte aber, dass Conergy bis zum Jahresende beweisen müsse, dass die Firma weiterhin überlebensfähig sei. Zwischenzeitlich hatte zudem die Commerzbank als damals größter Kreditgeber von Conergy, Ammers Bestand an Aktien als Sicherheit gepfändet. Doch die Papiere waren damals wie auch heute nicht mehr viel wert. So wundert es nicht, dass das Conergy-Konzept die Kreditgeber damals nicht überzeugt hat. Sie stiegen aus.

Die Hamburger Firma geriet daraufhin an internationale Investoren um den Hedgefonds York Capital. Aber auch die neuen Geldgeber konnten die Insolvenz vor zwei Wochen nicht verhindern.