Woher unser Essen kommt. Die 27. Reise führt ins 387 Kilometer entfernte Nutella-Werk in Hessen. Ein Grund dafür, dass Nutella seit seiner Erfindung im Jahr 1940 unerreicht ist, könnte in der Geheimhaltung liegen.

Stadtallendorf/Frankfurt. Das Ferrero-Werk in Stadtallendorf ist leicht zu finden. An verschiedenen Kreuzungen weisen Schilder dem Autofahrer den Weg. Das war es dann aber auch. Die Szenerie vor dem Haupteingang des Werkes wirkt abweisend. Ein mannshoher Zaun verstärkt den Eindruck, dass Besucher hier nicht unbedingt willkommen sind.

Von außen ist nicht viel zu erkennen: Ein paar große Hallen, ein Pförtnergebäude, der Unternehmensname Ferrero ist schlicht über dem Pförtnerhäuschen zu lesen. Nirgends gibt es einen Hinweis darauf, dass in der nordhessischen Kleinstadt das Nutella für ganz Deutschland hergestellt wird. Rund 90 Millionen Gläser verlassen jährlich das Werk und sichern dem Unternehmen einen Anteil von rund 60 Prozent am deutschen Nuss-Nougat-Creme-Markt.

Die Geheimniskrämerei passt ein wenig zum Hin und Her um meinen Besuch. Nach regem Mailverkehr bietet die Pressestelle mir einen Gesprächstermin an – allerdings nicht in Stadtallendorf, sondern in der Firmenzentrale in Frankfurt/Main. Ein Besuch der Produktion sei ausgeschlossen. Also treffen wir uns in Frankfurts Süden in der Ferrero-Firmenzentrale, über die hinweg vom Frankfurter Flughafen aus unentwegt Flugzeuge starten.

Zum Blog: Hier können Sie die Arbeit der Reporter verfolgen

Für mich als Reporter ist es schwierig, bildhaft und plastisch die Herstellung von Nutella zu beschreiben, wenn ich nicht vor Ort recherchieren, beobachten, riechen und hören kann, sondern auf Informationen aus einem Gespräch in einem nüchternen Konferenzraum angewiesen bin. Erschwerend kommt hinzu, dass fast alle meine Fragen nach näheren Details mit dem Hinweis, es handele sich hierbei um Betriebsgeheimnisse, beschieden werden.

„Alle Zutaten werden zunächst im Labor genau kontrolliert“, sagt der Leiter der Qualitätssicherung, Gerhard Neuberger. Um eine gleichbleibende Qualität von Nutella zu gewährleisten, sei die Frische der Produkte wichtig. „Die Kakaobohnen beispielsweise werden direkt verarbeitet.“ Wie das genau geht, erfahre ich nicht. Neuberger bleibt im Ungefähren, spricht von Homogenisierung, von der Bearbeitung einzelner Bestandteile und davon, dass die Schokoladenmasse letztlich „rasch“ in Gläser abgefüllt werden müsse.

Auch wenn es eigenartig anmutet: Möglicherweise ist diese Geheimhaltung ein Grund dafür, dass Nutella seit seiner Erfindung durch den italienischen Konditor Pietro Ferrero im Jahr 1940 unerreicht ist. Ferrero hatte den Brotaufstrich nach dem Vorbild von Nougat entwickelt und 1951 die Rezeptur verfeinert. 1964 wurde die Creme in Nutella – ein Kunstwort aus dem englischen „nut“ (Nuss) und der italienischen weiblichen Verkleinerungsform „ella“ – umbenannt.

Ein Jahr später fand die Creme ihren Weg auf ausländische Märkte, auch nach Deutschland. „Ohne Ferrero und Nutella gäbe es heute keine Nuss-Nougat-Creme“, sagt Nutella-Marketingchef Thorben Lang. Das klingt arg patriotisch, aber auch Experten führen die marktbeherrschende Stellung von Nutella darauf zurück, dass es der erste Brotaufstrich dieser Art in Deutschland war. Inzwischen ist Nutella in der Alltagssprache zum Begriff für jede Art von Nuss-Nougat-Creme geworden.

Nutella selbst besteht aus Zucker, Pflanzenöl, gerösteten Haselnüssen, Kakao, Milchpulver, Sojalecithin und Vanillin. „Der Zucker, den wir verarbeiten, stammt zum größten Teil von einer Zuckerfabrik, die zwischen Stadtallendorf und Kassel liegt“, sagt Neuberger. Auch das für die Produktion notwendige Magermilchpulver wird hierzulande hergestellt. Die Kakaobohnen wiederum kommen aus Equador in Südamerika sowie aus Ghana und der Elfenbeinküste in Afrika.

Wir sprechen über die Kakaoproduktion in Westafrika. Wie geht Ferrero mit Berichten um, denen zufolge dort Kinder als Sklaven eingesetzt werden, frage ich. „Wir nehmen das Thema ernst“, sagt Ferrero-Sprecherin Sabine Lohr. Vor Ort schule man Farmer und arbeite mit längerfristigen Vereinbarungen. „Dadurch können die Bauern lernen, den Ertrag der eigenen Arbeit zu erhöhen, und müssen keine Kinder mehr zur Ernte einsetzen.“ Zudem arbeite Ferrero daran, in Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und mit Nichtregierungsorganisationen eine Rückverfolgbarkeit der verarbeiteten Kakaobohnen durchzusetzen.

„Auch die Kritik an der Verwendung von Palmöl berücksichtigen wir in unserer Produktion“, sagt Lohr. Palmöl wird benötigt, damit Nutella bei Raumtemperatur streichfähig ist und seine typische Konsistenz erhält. Zudem enthält Palmöl reichlich ungesättigte Fettsäuren und gilt als leicht verdaulich. Allerdings führt der massenhafte Anbau der Pflanzen, aus denen Palmöl gewonnen wird, zum flächendeckenden Abholzen von Regenwald. „Das Palmöl, das wir verarbeiten, stammt ausschließlich aus Malaysia“, sagt Neuberger. „Dadurch sind wir uns sicher, dass für seine Herstellung kein Urwald gerodet wird.“ Seit Januar setze Ferrero zudem nur noch Palmöl ein, dessen Anbau als nachhaltig zertifiziert worden sei.

Auch was die Verwendung von Haselnüssen angeht, achtet Ferrero nach Angaben seiner Sprecherin auf Nachhaltigkeit und – vor allem – auf faire Arbeitsbedingungen. Vor einiger Zeit hatten Berichte über menschenunwürdige Arbeitsumstände von Wanderarbeitern in der Türkei – dem weltweit größten Produzenten von Haselnüssen – die Öffentlichkeit aufgeschreckt. „Wir führen Gespräche mit der türkischen Regierung und der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, um faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten“, sagt Sabine Lohr.

Die Ferrero-Sprecherin verweist auf die vielen Kontrollen während der Produktion von Nutella. Das verwendete Sojalecithin, ein pflanzlicher Emulgator, werde nicht nur aus „zuverlässigen Quellen“ bezogen. „Es darf bei seiner Herstellung kein genveränderter Soja verarbeitet werden“, sagt Lohr. „Wir kontrollieren das sehr genau, und zwar nicht nur auf dem Papier, sondern auch in unserem Labor.“ Dazu gehöre, dass für Nutella keine Konservierungsstoffe verwendet werden.

Was die Kritik an dem hohen Zuckergehalt von Nutella angehe – in Frankreich war sogar eine sogenannte Nutella-Steuer im Gespräch – sieht Sprecherin Lohr auch die Verbraucher in der Pflicht. „Wir empfehlen unseren Kunden eine ausgewogene Ernährung, bei der Nutella nur ein Teil sein kann.“ Hinzu komme der Rat, sich regelmäßig zu bewegen. „Wir unterstützen beispielsweise Bewegungsprogramme für Kinder“, sagt die Firmensprecherin.