Der Hamburger Konzern ist überschuldet. Verhandlungen mit Banken über weitere Sanierungsfinanzierung für Praktiker sind gescheitert.

Hamburg. Dass der Job an der Spitze der Baumarktkette Praktiker nicht gerade leicht werden würde, wusste Armin Burger schon bei seinem Amtsantritt im Oktober vergangenen Jahres. „Mir war klar, dass das kein Spaziergang werden würde“, sagte der Vorstandschef kürzlich vor den gebeutelten Aktionären des angeschlagenen Unternehmens in Hamburg. Zu groß war der Schuldenberg, zu groß die Altlasten aus der Vergangenheit.

Nun aber hat sich Burgers Aufgabe offenbar als gänzlich undurchführbar erwiesen. Am späten Mittwochabend teilte das Unternehmen mit, dass eine „positive Fortführungsprognose für die Praktiker AG und einzelne Gesellschaften der Unternehmensgruppe verneint“ werde. Neben dem Insolvenzgrund der Überschuldung sei auch die Zahlungsunfähigkeit der Praktiker AG gegeben. Damit steht die einst zweitgrößte deutsche Baumarktkette unmittelbar vor der Pleite.

Der Vorstand werde nun prüfen, bei welchen Gesellschaften der Unternehmensgruppe Insolvenzanträge zu stellen seien, und werde so bald wie möglich die Ergebnisse dieser Prüfung veröffentlichen. Dabei ist es nach Abendblatt-Informationen auch möglich, dass einzelne Tochtergesellschaften wie etwa die traditionsreiche Hamburger Kette Max Bahr, die besser als andere Teile des Konzerns dastehen, von der Insolvenz ausgenommen werden.

Den ganzen Tag über hatte der Aufsichtsrat auf einem außerordentlichen Treffen in der Hansestadt fieberhaft nach einer Lösung für die Finanzprobleme gesucht. Bei einer Telefonkonferenz mit Banken sollte es darum gehen, dass die Institute kurzfristig erneut 35 Millionen Euro ins Unternehmen einschießen, das schon seit Jahren rote Zahlen schreibt.

Diese Bemühungen blieben aber offenbar erfolglos. Die Verhandlungen über weitere Sanierungsfinanzierungen seien gescheitert, weil einzelne Gläubigergruppen diesen nicht zugestimmt hätten, heißt es in der Praktiker-Mitteilung weiter. Alternative Finanzierungslösungen seien auch deshalb notwendig geworden, weil die Veräußerung der Anteile an einer luxemburgischen Tochtergesellschaft wegen Gremienvorbehalten auf Seiten des Käufers nicht abgeschlossen werden konnten und somit die erwarteten Erlöse aus dem Verkauf nicht realisiert werden konnten. Diese Erlöse seien im Finanzierungskonzept aus dem Jahr 2012 fest eingeplant gewesen.

Die tiefe Krise der Kette hatte sich bereits abgezeichnet. Zuletzt hatte das Unternehmen mit Engpässen bei der Warenversorgung zu kämpfen. Einige Lieferanten beliefern das Unternehmen erst verspätet oder gar nicht mehr, weil es der Kette in den vergangenen Monaten nicht gelungen ist, die vereinbarten Zahlungsziele einzuhalten.

„Die Warenversorgung in einzelnen Sortimentsbereichen war und ist angespannt“, bestätigte Konzernsprecher Harald Günter dem Abendblatt. Dies betreffe ausschließlich die auf Discount ausgerichteten Praktiker-Märkte, nicht aber die höherwertige Marke Max Bahr. Zu den näheren Hintergründen wollte sich der Sprecher nicht äußern.

Praktiker steckt wegen einer verfehlten Preisstrategie und einer missglückten Expansion im Ausland seit Jahren in den roten Zahlen. Um Kosten zu sparen, wurde unter anderem die Zentrale der Kette vom saarländischen Kirkel nach Hamburg, an den Standort der erfolgreicher operierenden Tochter Max Bahr, verlegt. Ein Großteil der Praktiker-Märkte wird auf das Max-Bahr-Konzept umgestellt.

Die erhoffte Trendwende durch die Umflaggung ist bislang aber ausgeblieben. Im Frühjahr machten das miserable Wetter und der lang anhaltende Winter alle Hoffnungen auf eine rasche Erholung zunichte. Weil Hobbygärtner auch im März noch den Schnee aus ihren Beeten schaufeln mussten, bewegte sich der Absatz von Stiefmütterchen, Harken und anderen Gartenartikeln bei nahezu null.

Der Konzernumsatz der Baumarktkette lag daher im ersten Quartal mit 570 Millionen Euro noch einmal 10,4 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Der Verlust vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) weitete sich um gut 55 Prozent auf 91,7 Millionen Euro aus. Unter dem Strich blieb ein Fehlbetrag von fast 118 Millionen Euro nach 72 Millionen Euro Anfang 2012. Konzernchef Burger sprach von einem „grauslichen“ Quartal.

In den vergangenen Wochen hat Praktiker offenbar mit allen Mitteln versucht, das Geschäft anzukurbeln. Bereits Ende Juni und damit deutlich vor der Konkurrenz startete das Unternehmen in nahezu allen Märkten einen „Sommerschlussverkauf“ mit Rabatten von bis zu 70 Prozent auf einzelne Artikel. Im Schnitt sollen die Preisnachlässe bei 20 bis 40 Prozent gelegen haben. Dabei war die Baumarktkette ursprünglich mit überzogenen Rabattaktionen („20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung“) erst in die Krise geschlittert, weil die Kunden nur noch in den Aktionswochen kauften und das Unternehmen kaum etwas verdiente.