EZB belässt Leitzins auf Rekordtief von 0,5 Prozent. Sparer sind die Leidtragenden. Die Märkte reagieren beruhigt

Frankfurt. Europas Währungshüter stimmen auf anhaltend niedrige Zinsen im Euro-Raum ein. „Der EZB-Rat erwartet, dass die Zinssätze der EZB für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau oder darunter bleiben“, sagte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, Donnerstag in Frankfurt. Diese Entscheidung sei einstimmig gefallen.

Die Notenbanker hätten intensiv über eine weitere Rücknahme des Leitzinses diskutiert, sagt Draghi. Zunächst jedoch bleibt der wichtigste Zins für Zentralbankgeld im Euro-Raum auf dem Rekordtief von 0,5 Prozent. Allerdings ist eine weitere Senkung nun deutlich wahrscheinlicher geworden – ebenso wie eine Art Strafgebühr für Banken, die Geld über Nacht bei der EZB parken. Der Zinstrend gehe, wenn überhaupt nach unten, sagte Draghi.

Eine genaue Zeitspanne für die beschlossene Niedrigzinspolitik nannte Draghi nicht: „Ein längerer Zeitraum ist ein längerer Zeitraum. Das sind nicht sechs Monate, das sind nicht zwölf Monate.“ Die Notenbank mache ihre Zinsentscheidungen abhängig von der Entwicklung von Inflation, Konjunktur und Kreditvergabe.

Mit seiner Ankündigung betritt Draghi – anders als etwa die Notenbanken in den USA und Japan – Neuland. Derart festgelegt hatte sich die EZB in der Vergangenheit nie. Europas Währungshüter begegnen mit ihrer Ankündigung auch Sorgen an den Finanzmärkten vor einem baldigen Ausstieg aus der Krisenpolitik des billigen Geldes. Darüber war spekuliert worden, nachdem die US-Notenbank Fed entsprechende Schritte angekündigt hatte. Die EZB dagegen erwartet zwar, dass sich die Wirtschaft im Euro-Raum im weiteren Jahresverlauf erholen wird, die Erholung stehe aber weiter auf wackligen Beinen.

Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) hält weit geöffnete Geldschleusen wegen der schwierigen Wirtschaftslage und des begrenzten Inflationsdrucks zwar noch für vertretbar. Doch dürfe dies nicht zum Dauerzustand werden. „Je länger die Niedrigzinsphase anhält, umso mehr stellt sich die Frage, ob der Nutzen der extrem expansiven Geldpolitik höher ist als die damit verbundenen Kosten“, erklärte BVR-Vorstand Andreas Martin. Die Sparer bekämen die Schattenseite der Niedrigzinspolitik zu spüren.

Die meisten Volkswirte hatten für Donnerstag keine weiteren Schritte der EZB erwartet. Denn seit der letzten Zinssenkung im Mai hat sich die Lage an der Konjunkturfront etwas entspannt: Das Geschäftsklima verbesserte sich gerade auch bei Unternehmen in den Krisenländern, und die Verbraucherstimmung im Euro-Raum kletterte im Juni auf den höchsten Stand seit fast zwei Jahren.

Es gebe Hoffnung, dass die konjunkturelle Talsohle durchschritten sei, meint Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise: „Nach Jahren einer sehr starken Abwärtsentwicklung stellen wir fest, dass sich die Lage allmählich stabilisiert – auch in den südlichen Ländern.“ ZEW-Präsident Clemens Fuest forderte mehr Engagement aus den Hauptstädten: „In der Politik ist die Versuchung groß, unangenehme Dinge wie die Restrukturierung von Banken und Staaten in die Zukunft zu verlagern.“

Niedrige Zinsen sollen Investitionen anschieben und damit die Konjunktur in Schwung bringen. Doch das funktioniert in den Krisenländern derzeit nicht, weil die Finanzbranche das billige Geld nicht in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterreicht. Daher meinen viele Ökonomen, dass noch billigeres Geld im Kampf gegen die Rezession wenig helfen würde.