Wirtschaftssenator Frank Horch im großen Abendblatt-Interview zu Seilbahnplänen, die Entwicklung im Hafen und die Zukunft des Verkehrs

Hamburg. Sein Wechsel aus der Wirtschaft in die Politik war eine Überraschung. Nach zweieinhalb Jahren im Amt ist Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) nicht unumstritten. Unklare politische Aussagen, Pläne für ein neues Kreuzfahrtterminal mitten im Hafen und viele Baustellen in der Stadt haben ihn in die Kritik gebracht. Im großen Abendblatt-Interview erklärt Horch seine Pläne und zeigt politisch klar Kante.

Hamburger Abendblatt:

Herr Horch, Harley Days, Schlagermove, Marathon, Cyclassics – die Zahl der öffentlichen Großveranstaltungen wächst. Immer mehr Hamburger beklagen sich über Lärm, Straßensperrungen, Dreck. Gibt es ein Übermaß an Veranstaltungen in der Stadt?

Frank Horch:

Auch ich sehe das nicht ohne Sorge. Hinzu kommen noch die vielen Filmaufnahmen. Hamburg ist so attraktiv, dass kein Tag und keine Nacht vergehen, ohne irgendwelche Dreharbeiten …

Das ist doch Werbung für die Stadt.

Sicher. Ich will das nicht verurteilen. Aber wir müssen auch an die Lebensqualität der Bewohner denken. Die Fülle an Veranstaltungen ist gerade im Frühjahr und Sommer sehr groß. Vor Kurzem gab es ein Wakeboard-Festival direkt vor meiner Haustür in der HafenCity. Das muss man als Anwohner nicht mögen. Zusammen mit der für Tourismus zuständigen SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Dorothee Martin habe ich besprochen, dass es einer besseren Koordination des Veranstaltungskalenders bedarf. Ich will mich auch nicht einseitig für bestimmte Veranstaltungen starkmachen, aber wir müssen eine Balance finden. Eine gewisse Verschlankung wäre wünschenswert. Klar ist aber auch, dass das nicht ohne die Bezirke geht. Die sind in erster Linie die Entscheidungsträger.

Der Chef der igs, Heiner Baumgarten, glaubt sogar, dass ihm die vielen Alternativangebote in der Stadt die Besucher der Gartenschau absaugen.

Horch:

Diese Befürchtung teile ich nicht. Wer Blumen sehen will, geht nicht zu den Harley Days. Es liegt wohl eher am Wetter, dass die Besucherzahlen so gering sind.

Wie steht es um den Bau einer Seilbahn zum südlichen Elbufer, ist sie vom Tisch?

Horch:

Nein. Wir haben nach eingehender Prüfung lediglich gesagt, dass eine Seilbahn über den Hafen hinweg abgelehnt werden muss. Hafen ist Hafen, da bleibe ich beinhart. Im Hafen gibt es Lärm, Emissionen, dort werden gefährliche Güter bewegt. Eine Seilbahn hat dort nichts zu suchen. Allerdings gibt es auch bei einer Trasse auf St. Pauli Probleme. Wer will schon eine Seilbahn über seinem Haus hängen haben? Touristisch ist das reizvoll. Aber – ganz wichtig: Das Projekt muss kostenfrei für Hamburg bleiben, auch ein eventueller Rückbau. Der Bezirk soll das entscheiden. Sicher hängt das Wohl der Stadt nicht an einer Seilbahn.

Wenn der Hafen so gefährlich ist, dann hat dort auch ein neues Kreuzfahrtterminal nichts zu suchen.

Horch:

Wieso denn das? Die Gefahrgüter werden doch nicht am Kreuzfahrtkai umgeschlagen.

Wie realistisch ist der Bau eines Passagierterminals im Mittleren Freihafen?

Horch:

Zunächst hatten wir ja überlegt, das Überseezentrum für einen Kreuzfahrtanleger umzugestalten. Das wäre aber mit rund 200 Millionen Euro zu teuer geworden. Im Mittleren Freihafen haben wir Platz und bestehende Kaianlagen. Dort fällt nur ein Bruchteil der Kosten an. Deshalb lag der Gedanke nahe, diese Flächen ins Auge zu fassen.

Gibt es denn schon eine Grundsatzentscheidung für das Kreuzfahrtterminal?

Horch:

Nein. Aber wir haben umfangreiche Prüfungen bezüglich der Anforderungen an ein solches Passagierterminal vorgenommen, und die werden dort im Mittleren Freihafen erfüllt.

Wann soll das Terminal fertig sein?

Horch:

2015 gehen die großen Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 4000 Passagieren in Fahrt, die ab Hamburg ihre Reisen starten wollen. Bis dahin wollen wir fertig sein.

Das Kreuzfahrtgeschäft boomt, das normale Umschlaggeschäft stagniert. Wandelt sich der Hafen zu einem Kreuzfahrthafen?

Horch:

Natürlich nicht. Das eine schließt das andere doch nicht aus. Die Warenströme in der Welt haben sich schon immer volatil entwickelt. Wir haben aber jetzt durch die lang anhaltende Schifffahrtskrise eine andere Situation. Und wir müssen uns daran gewöhnen, dass das Wachstum künftig geringer als bisher ausfallen kann. Das stellt doch nicht den Hafen insgesamt infrage.

Befürchten Sie, dass durch die neue Megaallianz der größten Reedereien Maersk, MSC und CMA CGM künftig Ladung aus Hamburg abgezogen wird?

Horch:

Ich behaupte: Qualität wird sich durchsetzen. Und wir haben fundamentale Vorteile, die auch weiterhin für Hamburg sprechen: Wir haben ein hohes Lokalaufkommen an Ladung, wir haben die beste Umschlagstruktur, eine hohe Qualität, und wir haben die beste Verdrahtung mit dem Hinterland. Hamburg ist der Eisenbahnhafen Europas. An diesen Assets werden auch die Reedereien nicht vorbeikommen.

Ja aber, wir verlieren doch derzeit Ladung, wenn Sie sich die starken Verluste bei Eurogate anschauen. Müssen Sie nicht gegensteuern und die Hafengebühren weiter senken?

Horch:

Die Verluste bei Eurogate haben nichts mit den Hafengebühren zu tun, sondern mit den Allianzen der Reedereien. Die HHLA hat beispielsweise dadurch Ladung gewonnen. Ich bin sicher: Hamburg wird mit seinem qualitativen Hintergrund nicht Ladung verlieren, sondern gewinnen. Nehmen Sie das Beispiel Wilhelmshaven. Dort gibt es hervorragende Kaikanten und Umschlagkapazitäten – und der Hafen läuft trotzdem nicht.

Noch nicht!

Horch:

Mag sein. Wenn es mal so einfach wäre, dass man für einen florierenden Hafen nur tiefes Wasser und schwere Umschlagkräne bräuchte. So ist es aber nicht. Im Hamburger Hafen haben sich über 825 Jahre hinweg Wertschöpfungsketten von der Produktion über den Transport bis zum Kunden aufgebaut, die man nicht einfach woanders simulieren kann. Sprechen Sie mal mit den Spediteuren. Die sagen, dass sie ihre Ladung über Hamburg haben wollen.

Wie wichtig ist die Elbvertiefung?

Horch:

Sie ist unverzichtbar. Allein schon für die lokale Ladung, die hier in Hamburg bleibt, brauchen wir mehr Tiefgangspielraum für Schiffe. Jeder Ökonom wird ihnen bestätigen, dass die Fahrrinnenanpassung volkswirtschaftlich notwendig ist. Die Bedarfsnotwendigkeit ist die Grundlage des gesamten Planfeststellungsverfahrens gewesen.

Haben Sie einen Plan B, wenn die Elbvertiefung nicht kommt?

Horch:

Ich kann mich doch nicht mit Plan B oder Plan C beschäftigen, wenn die gründliche Vorbereitung von Plan A alle Kräfte bindet. Und wenn wir jetzt sagen, wir wollen nur einen halben Meter tiefer buddeln, dann ändern sich alle Berechnungsgrundlagen. Dieses Planfeststellungsverfahren ist in einer Gründlichkeit durchgeführt worden wie kein anderes Verfahren in Deutschland. Und es hat mir noch keiner gesagt, dass wir etwas übersehen hätten. Insofern habe ich keine Angst vor der Entscheidung, weil wir wirklich alles bedacht haben!

Die Weservertiefung galt auch als unverzichtbar. Jetzt zerpflückt das Bundesverwaltungsgericht den Planfeststellungsbeschluss.

Horch:

Ich kann die Richter verstehen. Die müssen sich hier mit ökologischen Fragen beschäftigen, die komplex sind und die nur wenige beantworten können. Da wollen sie gründlich sein. Ein Bundesverwaltungsgericht möchte sich nicht vom Europäischen Gerichtshof vorhalten lassen, dass es falsch entschieden hat.

Sie haben Verständnis für die Richter. Haben Sie auch Verständnis für die Politik, die das Verbandsklagerecht eingeführt hat?

Horch:

Ehrlich gesagt, das fällt mir schwer. Ich finde es vollkommen richtig, dass wir die Bürger bei Bauprojekten einbinden müssen. Entscheidungen von hoher volkswirtschaftlicher Tragweite müssen aber durch die demokratisch gewählte Mehrheit, wie im Falle der Fahrrinnenanpassung, im Bundestag getroffen und dann auch umgesetzt werden können.

Also stellen Sie das Verbandsklagerecht zur Disposition?

Horch:

Man sollte es zumindest überarbeiten. Zum Beispiel, indem volkswirtschaftlich essenzielle Dinge davon ausgenommen werden. Das kann wettbewerbsentscheidend sein. Der Hafen ist die Keimzelle der Hamburger Wirtschaft und von nationaler Bedeutung. Läuft es hier nicht mehr, dann wird die Industrie geschwächt. Dann steigt die Zahl der Arbeitslosen, die ganze Volkswirtschaft leidet. Das ist die für Hamburg wichtigste Entscheidung des Jahrzehnts.

Wann wird es denn richtig eng für Hamburg, wenn sich dieses Verfahren noch jahrelang hinzieht?

Horch:

Ich bin überzeugt, das wird es nicht!

Ernst ist auch die Lage bei Sietas. Ist die Werft Opfer der Energiepolitik in Berlin?

Horch:

In der Vergangenheit sind auch unternehmerische Fehler passiert, keine Frage. Aber wir hätten Sietas retten können, wenn die Bundesregierung sich klar zur Offshore-Windenergie bekannt hätte. Dann hätte Sietas Folgeaufträge zu dem ersten Spezialschiff bekommen, und die Sache wäre ins Laufen gekommen. Stattdessen gab es aufgrund ungünstiger energierechtlicher Rahmenbedingungen nur unzureichende Planungs- und Investitionssicherheit und etliche Verzögerungen bei der Errichtung von Offshore-Windparks. Ja, ich glaube, Sietas ist ein klares Opfer einer zögerlichen Energiewendepolitik der Bundesregierung geworden.

Wie viel Geld wird Hamburg durch die Sietas-Insolvenz verlieren?

Horch:

Ich hoffe, dass Hamburg mit 17 Millionen Euro Verlust aus den übernommenen Bürgschaften herauskommt.

Welche Branchen wollen Sie in Hamburg neben Luftfahrt, Logistik und erneuerbare Energien noch vorantreiben?

Horch:

Wir wollen Nanotechnologie, Gesundheitswirtschaft und Ernährungswirtschaft als neue Cluster befördern. Gerade die Gesundheitswirtschaft hat im Norden noch großes Potenzial. Und dann steht natürlich die Mobilität im Mittelpunkt, die für eine Metropole wie Hamburg entscheidend ist, und wo sich gerade so viel wandelt. Umweltfreundliche Antriebe wie Hybrid, Elektromotoren und Brennstoffzellen werden ungemein an Bedeutung gewinnen.

Wie sollte der Verkehr in Hamburg idealerweise aussehen? Mehr Fahrräder und Busse, dafür weniger Autos?

Horch:

Ich bin dagegen, einen Verkehrsträger dogmatisch zu bevorzugen. Wir brauchen natürlich mehr Fahrradwege, aber wir sind nicht Freiburg im Breisgau, sondern ein bedeutender Industrie- und Wirtschaftsstandort. Wir müssen also alle Verkehrssysteme in einen Einklang bringen. Ich möchte auch nicht den Autofahrer per Verordnung aus der Stadt vertreiben, sondern ihn dazu animieren, öfter mal auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. Und es wirkt. Wir haben im HVV im bundesweiten Vergleich das stärkste Fahrgastwachstum.

Dann brauchen wir bald die Stadtbahn.

Horch:

Ich will nicht der Zukunft ausweichen, aber wir müssen erst die dringend notwendigen Dinge zur Verbesserung des Verkehrs auf den Weg bringen, wie Schlaglöcher beseitigen, Radwege ausbauen und den ÖPNV beschleunigen. Und mit der U 4 in die HafenCity sind wir im größten Urbanisierungsprojekt Europas rechtzeitig öffentlich angeschlossen. Das alles kostet Geld. Zurzeit ist die Stadtbahn kein Thema, weil wir es schlicht nicht bezahlen können. Wie das in künftigen Dekaden sein wird, vermag ich heute nicht zu sagen.

Sie geben 256 Millionen Euro für die Busbeschleunigung aus …

Horch:

Das ist viel Geld. Ich garantiere Ihnen aber, dass es sich als sinnvolle Investition erweisen wird. Schon jetzt, nach der Umschaltung der ersten Ampeln, erleben wir spürbare Entlastungen für die Metrobusse. Zugleich treiben wir die Erweiterung der S-Bahn-Linien voran. Die S 4 nach Ahrensburg ist ein sehr wichtiges Projekt. Mit einer möglichen S 32 wollen wir eine weitere Linie auf der sehr stark frequentierten Strecke von Harburg nach Hamburg etablieren. Sie ist aber erst realisierbar, wenn die S-Bahn neue Fahrzeuge hat. Das Untersuchungsergebnis zur fahrplanmäßigen Machbarkeit war positiv.

Was kommt denn eher, die Stadtbahn oder die Seilbahn?

Horch

(lacht): die Elbvertiefung.

Und die Verlagerung des Fernbahnhofs Altona nach Diebsteich?

Horch:

… die liegt in der Verantwortlichkeit der Deutschen Bahn.

Würden Sie dies denn begrüßen?

Horch:

Ja, mit der Verlegung des Bahnhofs würden wir in Altona viel Raum gewinnen.

Würden Sie den Wechsel in die Politik noch einmal wagen?

Horch:

Der Anfang war nicht einfach, aber ich habe in den zweieinhalb Jahren viel politische Erfahrung gewonnen. Ich bin sehr zufrieden und halte es weiter für eine Ehre, für die Stadt in einem so wichtigen Amt arbeiten zu dürfen.

Würden Sie denn nach der Bürgerschaftswahl weitermachen, wenn es eine entsprechende Offerte gibt?

Horch:

Die Entscheidung liegt nicht bei mir. Aber: Ja, ich kann mir das vorstellen.