Hamburger Importfirma Bösch Boden Spies will mit Functional Food expandieren

Hamburg. Auf dem Tisch liegt ein Beutel mit Trockenpflaumen der Marke Sunsweet Ones. Jedes Stück ist in bunt bedrucktes Zellophanpapier extra eingewickelt. „Das ist unsere neueste Innovation“, sagt Michael Rund von der Hamburger Importfirma Bösch Boden Spies. Wer die Pflaumen essen will, muss die Früchte nicht mehr direkt anfassen und vermeidet somit klebrige Hände. Die Idee, Trockenpflaumen in der Tüte wie Bonbons zu verpacken, ist zwar keine grundsätzlich neue Erfindung, aber in der Branche war bislang kein Wettbewerber darauf gekommen.

Rund ist wie Dirk Schmidt und H.-Ulrich Bösch, dessen Großvater die Firma vor 100 Jahren gegründet hatte, einer der drei Gesellschafter des Unternehmens. Über Jahrzehnte tat Bösch Boden Spies das, was die gesamte Branche machte: Früchte aus aller Welt zu importieren und sie an die Kunden weiterzuleiten. Doch vor gut zehn Jahren kam Dynamik ins Geschäft. Die Firma expandierte. Das führte dazu, dass die Mitarbeiterzahl in den vergangenen fünf Jahren auf nahezu 80 verdoppelt wurde. „Jedes Jahr kommen 5000 Container für uns im Hamburger Hafen an. Das sind rund 80.000 Tonnen Früchte, Nüsse und Co.“, sagt Bösch. Diese liefert das Unternehmen an Tausende Kunden des Handels und der Ernährungsindustrie, darunter Firmen wie Danone, die Schwartauer Werke, Ritter Sport oder Zentis. „Viele Schokoladen, Müslis, Joghurts und andere Lebensmittel enthalten unsere Produkte“, sagt Bösch.

„Früher waren wir fast ausschließlich auf den deutschsprachigen Märkten als Importeur unterwegs. Jetzt haben wir in jedem europäischen Land Kunden“, erklärt Rund den Wandel. Dies hat zu dem positiven Nebenaspekt geführt, dass nun Mitarbeiter aus verschiedenen Ländern in dem Hamburger Unternehmen arbeiten. „Wir haben Spanier, Franzosen, Italiener und Polen vor Ort“, sagt Rund. „Sie sprechen die jeweilige Muttersprache und verstehen die Kultur des Kunden.“ Die Firma profitiert stark von der Internationalisierung, denn in anderen Ländern wird mehr Geld für Nahrungsmittel ausgegeben. „Die Deutschen investieren nur 13 Prozent ihres Gehalts in Nahrungsmittel, die Spanier und Franzosen jeweils 30 Prozent“, sagt Rund. Das habe sich auch in der Euro-Krise nicht verändert. „Im Gegenteil, man isst eher zu Hause als in Restaurants.“

Neben der regionalen Ausdehnung hat das Außenhandelsunternehmen auch seine Absatzstrategie verbessert. „Wir verkaufen viele Produkte, aber damit können wir keinen neuen Bedarf schaffen“, sagt Rund. Deshalb hat sich das Handelshaus entschlossen, viele Produkte zu veredeln und den Gesundheitsnutzen der Rohstoffe besser herauszustellen. „Die Trockenpflaumen sind ein gutes Beispiel dafür.“ Rund kann sich durchaus vorstellen, dass es künftig Kekse oder andere Leckereien gibt, die das Mus von der getrockneten Pflaumen enthalten. Neudeutsch heißt das Verfahren Functional Food – also Essen zu kreieren, das einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen hat. Bösch Boden Spies hat dafür mit der Firma Bolasco ein Tochterunternehmen gegründet und unter anderem vier Ökotrophologen, also Ernährungswissenschaftler, eingestellt. „Ziel ist die Optimierung des Nährwerts, etwa durch die Anreicherung der Frucht mit Mineralien und Vitamine“, sagt Bösch. Die gesundheitlichen Vorzüge einer Frucht oder eines Konzentrats sollen künftig mehr herausgestellt und auch der Geschmack verbessert werden.

Die Produkte werden nachhaltig angebaut. „Wir haben starke Partner in aller Welt“, sagt Rund und meint damit die Bauern, die die Früchte anbauen, ernten und nach Hamburg liefern. Pflaumen kommen zum Beispiel von der amerikanischen Farmerkooperative Sunsweet. Sie wurde bereits 1917 in Kalifornien gegründet. Cranberries, die Bösch Boden Spies als erstes Unternehmen nach Deutschland importierte, werden ebenfalls auf amerikanischen Plantagen angebaut.

„Anfangs wollte keiner die Beeren haben. In den 90er-Jahren trug dann die Kultserie ,Sex in and the City‘“ zu ihrer Popularität bei, weil deren Protagonisten dem Cocktail Cosmopolitan zusprachen, der neben Wodka und Cointreau auch Cranberry-Saft enthält. Das Unternehmen kauft seine Trockenfrüchte, Nüsse, Konzentrate, Püree, Tiefkühlprodukte und Konserven in 18 Ländern ein. Orangen kommen zum Beispiel aus Brasilien, Aprikosen aus Südafrika.

Schon in der Vergangenheit hat die Hamburger Firma geschickter agiert als viele Konkurrenten. „Wir fingen früh an, Wettbewerber zu übernehmen“, sagt Bösch. „Früher gab es mehrere Dutzend Lebensmittelagenturen. Heute sind es noch eine Handvoll großer Handelshäuser.“ Die 100 Jahre alte Firma entwickelte sich vom Zwei-Mann-Betrieb zum weltweit arbeitenden Unternehmen.

Hamburg ist traditionell eine Außenhandelsstadt. In der Metropole hat neben zahlreichen Firmen der Branche auch das Schiedsgericht seinen Sitz. Es wird einberufen, wenn sich zum Beispiel ein Importeur und der Lieferant um die Einhaltung ihrer Verträge streiten. Dann bestellt der Warenverein der Hamburger Börse Schlichter. Bösch und Rund werden als Mitglieder des im Jahr 1900 gegründeten Vereins gern als Vermittler genommen, wenn sich die Streithähne nicht einigen können.

Auch in Zukunft will die europäische Nummer eins weiter wachsen. „Wir haben Russland und die Ukraine im Visier“, sagt Bösch. Spätestens wenn der Markteintritt gelingt, werden in der Hamburger Zentrale weitere Mitarbeiter eingestellt.