Johannes J. Matthies, der größte Händler Norddeutschlands, expandiert südlich von Hamburg. Umsatz wächst

Hamburg. Wohlgeordnet stehen sie da. In Regalen im Lager vom Autoersatzteilehändler Johannes J. Matthies in der Hammerbrookstraße. „Dies ist nur unser Verkaufslager in der City Süd, in unserem Zentrallager in Stellingen am Volkspark halten wir noch viel mehr Teile vor“, sagt Unternehmenschef Hans-Jürgen Matthies. „Von hier werden jede Nacht alle 15 Verkaufshäuser im Norden aufgefüllt.“

120.000 Teile hat Norddeutschlands größter Ersatzteilhändler im Angebot, von Felgen und Reifen bis hin zu Kupplungen oder Bremsklötzen. Die meisten Produkte kommen von Herstellern, die auch die Autoindustrie beliefern. Darüber hinaus gibt es Lieferanten weltweit wie etwa in Südkorea, Taiwan und Italien. „Wir handeln mit sogenannten Identteilen, die kommen nicht vom Autohersteller direkt, sind aber in der Qualität identisch“, sagt Matthies.

Der Vorteil für den Kunden – in der Regel freie Werkstätten und Vertragswerkstätten – ist die tägliche Verfügbarkeit aller Teile. Dreimal täglich wird jede Werkstatt im Norden beliefert. „Das Durchschnittsalter eines Autos in Deutschland ist 8,7 Jahre. Klar, dass ein Neuwagenfahrer andere Qualitäts- und Preisansprüche hat als der Fahrer eines zehn Jahre alten Autos“, sagt der Chef. Für ältere Fahrzeuge halte man ein „wertgerechtes Angebot“. So sei etwa ein Bremsenteil 20 bis 25 Prozent günstiger als beim Fahrzeughersteller.

Das Geschäft floriert – eigentlich seit 80 Jahren, als sein Vater Johannes Jakob Matthies 1933 ein Handelsgeschäft für Eisenwaren in der ABC-Straße eröffnete. Schnell erkannte der junge Mann, wie sich gutes Geld mit Autoersatzteilen verdienen lässt. Die Leidenschaft für schnelle Flitzer und schöne Karossen war schon damals in der vornehmlich männlichen Hamburger Bevölkerung verbreitet. Nach dem Krieg, in Zeiten des Wirtschaftswunders, konnten sich immer mehr Familien ein Auto zulegen, Matthies hatte alle Hände voll zu tun.

Das ist auch heute noch so, wie sein Sohn Hans-Jürgen Matthies sagt, der in den 60er-Jahren von seinem Vater ins Unternehmen geholt wurde. Doch die Zeit hat sich gewandelt. Mehr als tausend Großhändler für Autoersatzteile gibt es bundesweit. Vom kleinen Händler bis zum Konzern mit Milliardenerlösen. Mit 220 Millionen Euro Umsatz ist das Hamburger Unternehmen die Nummer eins im Norden. Matthies hat sich diese Position unter anderem durch einen umfangreichen Service aufgebaut.

Dreimal täglich fahren seine 130 Lkw zu einer der rund 10.000 Autowerkstätten, die seine Kunden sind. Inklusive des Motorradbereichs, der anders als die Autoteilesparte nicht nur im Norden, sondern auch bundesweit am Markt ist, sind es sogar 24.000 Kunden. Die Bestellungen bei dem Unternehmen kommen zur Hälfte per Internet oder telefonisch an. „Eingehende Online-Bestellungen landen nach Prioritäten sortiert direkt auf dem Scanner des Lagerpersonals. Bis 15 Minuten vor Abfahrt der Liefertour kann noch bestellt werden. Wir haben dafür extra eine eigene Software entwickelt“, sagt Matthies. Mit der Artikelentnahme wird dem System der Abgang gemeldet. Das sei wichtig für den Kunden, der über die Internetseite die aktuelle Verfügbarkeit aller Artikel Tag und Nacht prüfen kann. „Gleichzeitig wird unserem Warenwirtschaftssystem gemeldet, dass der entsprechende Artikel verkauft ist, und es werden automatisch Nachbestellungen ausgelöst“, sagt Matthies.

Von Flensburg bis Hannover reicht das Matthies-Verkaufsgebiet. Kundennähe ist gefragt, deshalb gibt es inzwischen 17 Verkaufshäuser, davon zwei in Hamburg. Das Geschäft ist kleinteilig. „Manchmal bestellt ein Kunde nur einen Scheibenwischer“, sagt Matthies. Der 17. Standort ging gerade in Buchholz an den Start. Sechs Beschäftigte arbeiten dort, fünf davon hat Matthies neu eingestellt. „Wir brauchen eigentlich fast immer Mitarbeiter“, sagt der Chef. „Wir haben das Glück, dass wir auf unsere ausgelernten Auszubildenden zurückgreifen können und auf Zeitarbeiter, die im Frühling und Anfang des Winters saisonweise bei uns arbeiten.“ Matthies beschäftigt 45 Auszubildende und 800 Mitarbeiter, wovon 250 in der Hamburger Firmenzentrale arbeiten.

„Zufriedenheit entsteht nach dem Kauf“, ist das Motto von Matthies. Er beschäftigt allein 35 Servicetechniker, die Geräte in den Vertragswerkstätten betreuen. Weiterhin arbeiten zehn Mitarbeiter an einer telefonischen Helpline. Hinzu kommen 20 Trainer, die neueste Kfz-Technik vor Ort in den Werkstätten der Matthies-Kunden vermitteln. „Damit setzen wir uns vom Wettbewerb ab“, sagt der Chef. Gerade in Zeiten, in denen Preisdruck auf dem Markt herrscht, sei ein solches Angebot ein gutes Mittel, um Kunden zu binden.

Inzwischen ist auch Sohn Martin in der Geschäftsführung. Im Laufe der Zeit ist aus dem vor 80 Jahren gegründeten Autoteileverkäufer ein Serviceunternehmen geworden. So richtet Matthies den Werkstätten auch komplette Lager ein und bestückt sie mit Ersatzteilen. Zuständig für diesen Bereich ist seine Mitarbeiterin Karina Mills-Harder. „Oft muss ich erst die Werkstatt aufräumen, bevor ich die Regale aufstellen kann“, sagt sie. Zum Komplettpreis von 199.000 Euro schlüsselfertig, können zum Beispiel Neugründer eine vollständig neue Werkstatt samt aller Technik von dem Hamburger Unternehmen erwerben.

Vor mehr als zehn Jahren überraschte Matthies seine Konkurrenten mit einem neuen Coup. „Wir haben die Firma Trainmobil gegründet, nachdem neue Automodelle immer komplizierter werden und mehr Elektronik haben“, sagt er. Das bedeute immer neue Test- oder andere Geräte, die eine Werkstatt nicht nur haben, sondern auch verstehen muss. Rund 10.000 Werkstattmitarbeiter pro Jahr lassen sich bereits bei Trainmobil für neue Produkte und Techniken wie Hybridfahrzeuge fitmachen. Trainings gibt es auch für den Umgang mit Airbags oder neuer Software für die Diagnose von Problemen am Auto.

Im Jahr 1992 sind die Zentrale und das Lager in Hammerbrook komplett abgebrannt. Matthies hat sich nicht unterkriegen lassen. Der gelernte Bankkaufmann baute den Standort wieder auf. Auch der Finanzkrise trotzt das Unternehmen. „Wir helfen unseren Kunden großzügig mit Lieferantenkrediten“, sagt der Chef. So schließt sich ein Kreis. Matthies handelt nun nicht mehr nur mit Ersatzteilen, sondern ist auch wieder Banker.