Vor allem Deutschland und die Niederlande vom Sparprogramm betroffen. Gebäudetechnik-Spezialist muss 370 Millionen Euro abschreiben

Hamburg/Gouda. Nach finanziellen Unregelmäßigkeiten bei Geschäften in Polen ist der Schaden des Gebäudetechnikspezialisten Imtech höher als gedacht. Statt 100 Millionen Euro muss der Konzern, der seine Deutschlandzentrale in Hamburg hat, 150 Millionen Euro wegen der polnischen Aktivitäten abschreiben, wie jetzt bekannt wurde. Hinzu kommen nochmals 220 Millionen Euro in Deutschland, das sind 70 Millionen Euro mehr als zuvor erwartet.

Wegen dieser prekären Situation will Imtech mit weltweit 29.000 Mitarbeitern an 60 Standorten jetzt 1300 Stellen streichen. "Betroffen werden Beschäftigte überwiegend in den Niederlanden und in Deutschland sein", sagte der niederländische Imtech-Chef Gerard van de Aast. Der HSV-Sponsor beschäftigt in Deutschland 5800 Mitarbeiter, die sich neben der Zentrale auf sechs regionale Niederlassungen verteilen. Allein in der Hansestadt arbeiten rund 900 Beschäftigte.

Wie viele Stellen in Deutschland konkret wegfallen, sagte ein Unternehmenssprecher nicht. Nur so viel: Der Abbau erfolge in den nächsten zwölf bis 14 Monaten. Die Sanierungskosten bezifferte van de Aast mit insgesamt 80 Millionen Euro. Aufgrund der aktuellen Probleme hatte Imtech bereits seine Bilanzvorlage auf Ende Juni verschoben. Möglicherweise müssten nun sogar die Ergebnisse aus dem Jahr 2011 überarbeitet werden, sagte van de Aast.

Verursacher des Debakels war die Deutschland-Zentrale des Unternehmens. Sie ist auch für Polen zuständig. Am 20. Juli 2012 erhielten die deutschen Manager von dem Unternehmen LasPalm einen Auftrag in Höhe von 620 Millionen Euro für den Bau des geplanten Erlebnisparks Adventure World in der Nähe von Warschau. Doch das Geschäft platzte, weil dem Auftraggeber zwischenzeitlich offenbar das Geld ausging. Zu diesem Zeitpunkt war Imtech aber schon in Vorleistungen getreten. Zudem gab es möglicherweise Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit dem Auftrag. Die polnische Geschäftsführung musste gehen. Auch Deutschlandchef Klaus Betz sowie Finanzchef Axel Glaß mussten das Unternehmen verlassen. Imtech behält sich laut van de Aast vor, gegebenenfalls rechtliche Schritte einzuleiten.

Auch sonst läuft es derzeit bei dem Unternehmen mit 1,5 Milliarden Euro Umsatz nicht rund. "Das erste Quartal 2013 war turbulent und schwierig", sagte van de Aast. Das Unternehmen hatte bereits vor Bekanntwerden der hohen Abschreibungen eine Kapitalerhöhung im Volumen von 500 Millionen Euro durchgeführt, um seine Schulden abzubauen. Positiv sei allerdings, dass der Auftragseingang im ersten Quartal des neuen Geschäftsjahres stabil sei.

Mit insgesamt 6,4 Milliarden Euro stand im Orderbuch des Unternehmens, das auch am Bau des Berliner Flughafens beteiligt ist, eine gleich hohe Summe wie am Jahresende 2012. Allerdings ist laut Imtech-Chef van de Aast das Ergebnis unter Druck geraten. Für das Gesamtjahr wollte die Firma deshalb keine Prognosen abgeben. Der Aktienkurs sank gestern um gut sieben Prozent auf 8,26 Euro. Vor dem Polen-Debakel pendelten die Anteilsscheine zwischen 17 und 20 Euro.

Die Hauptgeschäftsfelder des technischen Dienstleisters sind unter anderem Bereiche wie Kommunikations-, Sicherheits- sowie Energie- und Gebäudetechnik. Die Firma ist in vielen Branchen gefragt. Für den Schiffbau entwickelt, baut und wartet Imtech Anlagensysteme für die Kälte-, Klima- und Umwelttechnik. Zudem ist man im Dockbau, der Offshore-Technologie sowie im Brandschutz und Rohrleitungsbau für Schiffe aktiv. So managt Imtech Klimaanlagen etwa in Einkaufscentern, aber auch Heizungsanlagen.

Ein weiterer Geschäftsbereich ist die Stadion- und Arenatechnik. So kann Imtech zum Beispiel den Energieverbrauch im HSV-Stadion senken. Auch darüber hinaus profitiert der Fußball-Bundesligist von dem Unternehmen. Der Konzern bezahlt insgesamt 25 Millionen Euro an den Verein dafür, dass der Name Imtech auch der des HSV-Stadions ist. Im Jahr 2016 läuft der Vertrag allerdings aus.