Notenbankchef Draghi zeigt sich über Konjunkturabkühlung in Europa besorgt

Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ihren Leitzins in den kommenden Monaten wegen der schweren Rezession in zahlreichen Ländern nochmals senken. Präsident Mario Draghi ließ am Donnerstag die Tür für eine Zinssenkung weit offen und beklagte mit deutlichen Worten die zunehmende Konjunkturabkühlung in der Währungsunion. "Wir sind zum Handeln bereit."

Besorgniserregend sei aus Draghis Sicht vor allem, dass sich die Wirtschaftsschwäche inzwischen auch in jenen Ländern ausbreite, die nicht unter einer Zersplitterung ihres Finanzsystems litten. Für die zweite Jahreshälfte erwartet Draghi aber nach wie vor, dass die Konjunktur wieder anzieht. Eine Inflationsgefahr sieht er nicht.

Der EZB-Rat hatte zuvor in Frankfurt beschlossen, den Leitzins für die 17 Euro-Länder auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent zu belassen. Diese Entscheidung sei nicht einstimmig, sondern im Konsens gefallen, erläuterte Draghi. "Wir haben intensiv diskutiert. Am Ende war es Konsens, dass wir vorerst die Zinsen nicht anfassen." Experten gehen davon aus, dass einige Notenbankchefs aus besonders hart von der Krise getroffenen Ländern wie Griechenland oder Zypern eine Senkung verlangt haben, aber dafür keine Mehrheit im Rat fanden. Dem gehören neben den Gouverneuren der Zentralbanken der Euro-Länder die Mitglieder des sechsköpfigen Direktoriums der EZB an. Der EZB-Rat entscheidet jeden ersten Donnerstag im Monat über den Leitzins und den geldpolitischen Kurs.

Am Devisenmarkt sorgten die pessimistischen Töne Draghis zur Konjunktur und die Spekulationen auf eine Zinssenkung für Druck auf den Euro. Der Wechselkurs der Gemeinschaftswährung fiel zeitweise auf den tiefsten Stand seit rund vier Monaten.