Tarifverhandlungen sind gescheitert. Arbeitskampf im April geplant. Es soll Notfallteams bei Stromausfall und anderen Problemen geben.

Hamburg. Die Tarifverhandlungen für gut 15.000 der 20.000 Mitarbeiter vom Stromkonzern Vattenfall in Deutschland sind geplatzt. Die Arbeitgeber hätten zu Beschäftigungssicherung, Ausbildung und Entgelterhöhung keine abschlussfähigen Angebote vorgelegt, kritisierte die Tarifkommission der drei Gewerkschaften IG BCE, Ver.di und IG Metall. Die Mitarbeiter hatten zuvor unter anderem 6,5 Prozent mehr Lohn gefordert. Nun werden die Urabstimmung und weitere Schritte wie Streiks vorbereitet.

"Die Urabstimmung wird nach Ostern stattfinden", sagt Ina Morgenroth, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall in der Region Hamburg. Mitte April könnte es dann zu ersten Streiks in der Hansestadt kommen. "Die Verhandlungen eskalierten. Die letzte Chance zur Einigung wurde von Vattenfall vertan." Offenbar habe das Unternehmen die Signale der Warnstreiks mit Tausenden von Beschäftigten nicht erkannt. "Wir haben gezeigt, was wir können, und wir sind steigerungsfähig", so Morgenroth. Allein am vergangenen Dienstag haben sich mehr als 3000 der rund 4200 Hamburger Vattenfall-Mitarbeiter an einem Warnstreik inklusive einer Demonstration von Bramfeld zur Konzernzentrale des Stromversorgers in der City Nord beteiligt.

Der Berliner Vattenfall-Arbeitsdirektor Torsten Meyer erklärte hingegen, das Unternehmen sei den Gewerkschaften in allen Punkten deutlich entgegengekommen. "Wir haben ein Angebot vorgelegt, das sogar über die bereits in der Branche abgeschlossenen Vereinbarungen hinausgeht."

So sei der Tarifvertrag über die jährliche Einstellung von knapp 400 Auszubildenden für zwei weitere Jahre verlängert worden, tarifliche Kündigungen sollten erst Ende Februar 2016 möglich sein - unter der Bedingung, dass Vattenfall die Konzessionsverträge für die Stromnetze in Hamburg und Berlin wiedererlangen könne. Zudem habe das Unternehmen angeboten, die Vergütung um 2,75 Prozent für das Jahr 2013 sowie um 1,75 Prozent für das Jahr 2014 zu erhöhen. Daher sei die Entscheidung der Gewerkschaften nicht nachvollziehbar, so Meyer.

In Hamburg gab sich der Stromkonzern am Donnerstag gelassen. "Vattenfall rechnet derzeit mit keinen unmittelbaren Auswirkungen durch die Warnstreiks auf seine Kunden. Insbesondere ist die Versorgung der Bevölkerung mit Energie und Fernwärme sichergestellt", hieß es. Laut dem Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Rainer Kruppa wird der Konzern - auch in Hamburg - entsprechende Notfallpläne mit den Gewerkschaften aushandeln müssen, um etwa bei einem Stromausfall ein einsatzfähiges Team zu haben. Kruppa ist enttäuscht darüber, dass die Tarifverhandlungen geplatzt sind. "Die meisten großen deutschen Unternehmen haben mit ihren Betriebsräten Verträge zur Beschäftigungssicherung ausgehandelt. Es ist mehr als unverständlich, dass sich Vattenfall bei diesem Thema nicht bewegt hat."

Gerade ein Abkommen zur Sicherung des Jobs wäre für die Mitarbeiter des Unternehmens derzeit immens wichtig. Denn der schwedische Vattenfall-Chef Øystein Løseth hat Anfang des Monats angekündigt, dass er 1500 Arbeitsplätze bis Ende 2014 in Deutschland abbauen will. Insgesamt werden konzernweit rund 2500 der 34.000 Stellen gestrichen, davon 400 in Schweden und etwa 500 bei der Tochter Nuon in den Niederlanden. In Hamburg, wo eine Bürgerinitiative erreichen will, dass die Stadt die Strom- und Gasnetze von Vattenfall und E.on Hanse zu Kosten von rund zwei Milliarden Euro zurückerwirbt, dürften die schwedischen Pläne und die gescheiterten Tarifverhandlungen dem Image Vattenfalls im Vorfeld des für den Herbst geplanten Volksentscheid nicht dienlich sein.

Der schwedische Staatskonzern ist angeschlagen. Mit dem deutschen Ausstieg aus der Kernenergie, der bislang zum Aus für die Kernkraftwerke Stade, Krümmel und Brunsbüttel führte, fließen immer weniger Gewinne von Deutschland an den Mutterkonzern. Nach der Übernahme des niederländischen Stromkonzerns Nuon ist Vattenfall zudem hochverschuldet.

Vereinzelt wird inzwischen sogar schon im schwedischen Regierungslager für einen Verkauf der deutschen Beteiligungen plädiert. Das konservative "Svenska Dagbladet" hält den Staatskonzern nicht zuletzt wegen seiner deutschen Tochter für "komplett an die Wand gefahren". Das sozialdemokratische "Aftonbladet" nennt ihn einen "arroganten Umweltschurken", weil in Deutschland Braunkohlekraftwerke betrieben werden.

"Es ist hoffnungslos für ein Staatsunternehmen, bei uns den schwedischen Vorgaben für die Klimapolitik zu folgen und in Deutschland denen der deutschen Politiker" sagte der schwedische Wirtschaftspolitiker Carl B. Hamilton mit Blick auf den deutschen Atomausstieg. In Schweden setzt der Konzern auf neue Atomkraftwerke.