Das Hamburger Unternehmen Delinero möchte mit ausgewählten Produkten kleiner Hersteller den Lebensmittelmarkt aufmischen.

Hamburg. Nils Brummund liebt gute, einfache Gerichte. Für Pasta mit Pesto Genovese und frisch geriebenem Parmesan würde der 31-jährige Wirtschaftsingenieur so manch eine extravagante Kreation der Haute Cuisine links liegen lassen. "Ich stehe mehr auf handfeste, aber qualitativ hochwertige Lebensmittel", sagt der Chef des Hamburger Unternehmens Delinero.

Wohl auch deshalb hat sich Brummund ganz dem Verkauf von Delikatessen kleiner Produzenten im Internet verschrieben. In seinen schlichten Büroräumen am Alten Wall in der Innenstadt stapeln sich Dosen mit Wildschweingulasch, Gläser mit Himbeerblütenhonig oder Schokoladentafeln aus "Meister Eders süßer Werkstatt". In Kühlschränken lagern Hunderte spanische Würste, Ibérico-Schinken und andere Spezialitäten aus Südeuropa.

Eine Handvoll studentischer Hilfskräfte ist gerade dabei, die Lebensmittel anhand von Lieferlisten aus den Regalen zu nehmen und in Versandkartons zu verpacken. Noch sehr improvisiert wirkt das, es herrscht das typische, kreative Chaos einer Start-up-Firma. Im November vergangenen Jahres ist das Unternehmen, hinter dem unter anderem der Hamburger Investor Nils Regge steht, an den Start gegangen.

Trotz der noch sehr überschaubaren Größe fehlt es Geschäftsführer und Mitinhaber Brummund nicht an Selbstvertrauen. Nichts weniger als Europas größten Online-Marktplatz für Lebensmittel will der hochgewachsene Mann mit dem kahl rasierten Schädel aufbauen. Die Zahl der angebotenen Produkte soll von derzeit 3000 auf 10.000 im kommenden Jahr steigen. Bislang ist die Zahl der verschickten Pakete freilich noch ausgesprochen überschaubar. 150 Sendungen gehen derzeit täglich bei dem Unternehmen raus. "Wir stehen noch ganz am Anfang, wachsen aber monatlich um 100 Prozent", gibt sich Brummund zuversichtlich.

Eine gewisse Skepsis gegenüber den hochfliegenden Plänen ist angebracht, denn nichts verkauft sich bislang schlechter im Internet als Lebensmittel. Während der Gesamtanteil des E-Commerce derzeit je nach Rechenmodell zwischen zehn und 16 Prozent des gesamten deutschen Einzelhandels ausmacht, bringen es Supermärkte im Netz gerade mal auf 0,5 Prozent.

Die vorhandenen Anbieter haben nicht nur mit dem hohen Preisbewusstsein der deutschen Verbraucher zu kämpfen, sondern auch mit dem aufwendigen Versand von Frischeprodukten und dem Wunsch der Kunden, sich eine Paprika oder Salami erst einmal anzuschauen, bevor sie sie bestellen.

Erst Anfang Februar stellte der Hamburger Anbieter Supermarkt.de seinen Verkauf ein. Das Unternehmen hatte seit der Gründung 2010 einen siebenstelligen Betrag als Anschubfinanzierung aufgebraucht, ohne sich dauerhaft im Markt etablieren zu können. Das Konzept, Kunden den Alltagseinkauf abzunehmen, ging nur bedingt auf. Derzeit sind die Gründer auf der Suche nach neuen Geldgebern.

Der Hamburger Versandhandelskonzern Otto verbrannte sich schon vor zehn Jahren die Finger mit einem eigenen Online-Supermarkt und hat sich seitdem nicht wieder an das schwierige Thema herangetraut. Konkurrent Amazon verkauft zwar nach wie vor Lebensmittel, doch diese spielen im Vergleich zu Büchern, CDs oder Unterhaltungselektronik für den US-Konzern nur eine verschwindend geringe Rolle.

Delinero-Chef Brummund ist dennoch zuversichtlich, dass sich der Lebensmitteleinkauf im Netz in den kommenden Jahren etablieren wird. Der studierte Wirtschaftsingenieur hat bereits mehrere Jahre Erfahrung im Onlinegeschäft. Nach seiner Arbeit als Unternehmensberater für die Boston Consulting Group war er zuletzt für einen Konzern tätig, der wie kaum ein zweiter die deutsche Einzelhandelslandschaft aufgemischt hat: Zalando.

Seine zwei Jahre als Einkaufschef des aggressiven Schuh- und Modehändlers merkt man Brummund immer noch an. Er spricht schnell, wirkt immer ein wenig ungeduldig. "Bei Zalando habe ich gelernt, schnell Entscheidungen zu treffen, Fehler rasch zu korrigieren und große Teams mit mehr als 100 Mitarbeitern zu führen", sagt er. "Im Onlinegeschäft kommt es darauf an, ein Geschäftsfeld möglichst frühzeitig zu besetzen. Während andere noch zögern, wollen wir Maßstäbe im Onlineverkauf von Lebensmitteln setzen."

Der Konkurrenz glaubt Brummund in mehreren Punkten voraus zu sein. Zum einen bewegt sich Delinero mit dem Verkauf von Delikatessen im höherpreisigen Bereich, was vergleichsweise auskömmliche Margen erlaubt. Darüber hinaus versteht sich das Unternehmen als Marktplatz für die einzelnen, regionalen Produzenten von Olivenölen, Nudeln oder Süßigkeiten. "Die Kunden kaufen im Prinzip direkt bei den Bauern und kleinen Herstellern ein, wodurch wir deutlich bessere Preise als der stationäre Einzelhandel bieten können." Um diesen Anspruch zu untermauern, bietet Brummund den Kunden eine Bestpreisgarantie. "Wer uns nachweist, dass ein bestimmtes Produkt anderswo günstiger zu haben ist, bekommt es bei Delinero zu diesen Konditionen." Das Konzept des Marktplatzes löst für das Hamburger Unternehmen auch eine Reihe von logistischen Problemen. Wer bei Delinero beispielsweise ein T-Bone-Steak bestellt, bekommt dieses direkt von der Hamburger Fleischerei Beisser zugeschickt, die sich auch um die aufwendige Kühlung der rasch verderblichen Ware kümmern muss.

Bei länger haltbaren Produkten wie Pasta, Pasteten oder eingelegten Oliven schicken die Hersteller die Ware hingegen erst zu Delinero, wo die Produkte dann zu einer Gesamtlieferung zusammengestellt werden. "Dadurch müssen die Kunden nur einmal die Versandkosten zahlen", sagt Brummund.

5,90 Euro kostet eine Delikatessenlieferung, weshalb sich die Bestellungen erst ab einer bestimmten Größenordnung lohnen. Auch hieran ist manch ein anderer Konkurrent schon gescheitert, weil den Verbrauchern dieser Aufschlag nicht zu vermitteln war.

Auf die Versandkosten zu verzichten, wie es beispielsweise Brummunds früherer Arbeitgeber Zalando tut, kam für den Geschäftsführer aber nie infrage. "Sonst können wir nicht wirtschaftlich arbeiten", sagt er. Im kommenden Jahr will Brummund mit Delinero die Gewinnzone erreichen. Vergleichsweise schnell für ein junges Internetunternehmen.