Immobilien für 1,4 Milliarden Euro sollen verkauft werden. Es gibt zudem Untreuevorwürfe gegen Inhaber Heinrich Maria Schulte.

Hamburg. Das traditionsreiche Investmenthaus Wölbern Invest will sich von fast allen seinen Immobilienfonds trennen. Betroffen sind rund 40.000 Anleger. "Wir haben am Freitag eine Erstinformation an die Investoren verschickt, in der wir einen Portfolioverkauf von Fondsimmobilien anbieten", sagt Thomas Kühl, Generalbevollmächtigter von Wölbern Invest. Geplant ist der Verkauf von 37 Objekten in den Niederlanden, Österreich, Deutschland, Frankreich und Polen zu einem Preis von zusammen 1,4 Milliarden Euro.

Die Investmentgesellschaft begründete das damit, dass sich die Rahmenbedingungen auf den Immobilienmärkten verschlechtern würden. Aus dem Geschäft mit Privatanlegern will das Unternehmen komplett aussteigen, dennoch soll das keine Auswirkungen auf die 75 Mitarbeiter in Hamburg haben, versicherte Kühl. "Mit einem Paketverkauf können wir einen wirtschaftlich vernünftigen Ausstieg realisieren", sagte Kühl. Doch einige Anleger haben den Verdacht, dass mit dem Komplettverkauf, millionenschwere Liquiditätsabflüsse aus den Fonds zum Nachteil der Anleger vertuscht werden sollen. Es geht um 39 Millionen Euro, die eigentlich den Anlegern zustehen sollen.

Für Tilman Welther, den Chefredakteur des Branchendienstes "Fondstelegramm", steht ein Verkauf zu diesem Zeitpunkt "im Widerspruch zu alten Kaufmannstugenden". Denn Wölbern hatte in einer Präsentation, die dem Abendblatt vorliegt, jüngst selbst auf die Probleme des niederländischen Immobilienmarktes hingewiesen. So seien die Mieten im vergangenen Jahr um 2,8 Prozent gesunken, der Leerstand liege bei 14,6 Prozent und steige weiter, der Marktwert von Büros, Einkaufszentren und Logistikimmobilien sei nach Angaben der Maklergruppe CBRE seit 2007 um mehr als 30 Prozent gefallen. Zwar hatte Wölbern schon im Jahr 2007 auf einen Schlag 72 Objekte aus 46 Holland-Fonds im Wert von 1,2 Milliarden Euro verkauft, "aber damals war der dortige Markt in sehr guter Verfassung", sagt Welther.

Auch andere Branchenexperten sind skeptisch. "So ein Paketverkauf wird ein schwieriges Unterfangen, weil höchstens Investoren aus Übersee dafür zu gewinnen sind, die noch nicht im europäischen Markt vertreten sind", sagt ein Immobilienmanager aus Hamburg. Zwei Drittel der zu verkaufenden Objekte sind in den Niederlanden. Kühl verweist aber darauf, dass es bereits Interessenten für das Immobilienportfolio am Markt gebe.

Gegen den Verkauf der Immobilienfonds formiert sich bereits jetzt massiver Widerstand. "Bevor über einen Verkauf gesprochen wird, muss erst Ordnung geschaffen werden", sagt Christoph Schmidt, der als Beirat eines Fonds schwere Vorwürfe gegen den Inhaber von Wölbern Invest, Heinrich Maria Schulte, erhebt. "Allein aus 14 Immobilienfonds wurden knapp 39 Millionen Euro an liquiden Mitteln abgezogen, ohne dass die Anleger dem zugestimmt haben und wissen, was mit dem Geld passiert ist", sagt Schmidt dem Abendblatt. Das ergebe sich aus den Jahresabschlüssen der Fonds für 2011, die erst jetzt im "Bundesanzeiger" veröffentlicht wurden. Neuere Zahlen zu den Fonds liegen nicht vor. Die liquiden Mittel standen eigentlich den Anlegern zu und wurden bisher immer am Jahresanfang ausgeschüttet.

Auffällig sei, dass alle Jahresabschlüsse der Fondsgesellschaft sehr verspätet und untestiert im "Bundesanzeiger" veröffentlich wurden. Dagegen sagt Kühl, dass für die Masse der Fonds Testate vorliegen. Auf Nachfrage bestätigte die Staatsanwaltschaft Hamburg, dass gegen zwei Manager von Wölbern Invest, darunter Heinrich Maria Schulte, wegen Untreue ermittelt werde. "Wir haben von Anlegern neue Unterlagen bekommen und setzen das Verfahren fort", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Von dem Unternehmen gab es zu den Ermittlungen keine Stellungnahme.

Die ungeklärten Fragen bei der Liquidität stehen nach Einschätzung von Franz in engem Zusammenhang mit dem geplanten Verkauf der Fonds. "Es kann dafür gar keinen anderen Grund geben", sagt er. Auch sein Mitstreiter Schmidt findet es auffällig, dass für den Verkauf der Immobilien eine Transaktionsgebühr von 3,5 Prozent fällig wird. Angepeilt wird ein Verkaufserlös von 1,4 Milliarden Euro, was zu einer Einnahme von Wölbern Invest in Höhe von 49 Millionen Euro führen würde. "Das könnte jene Summe abdecken, die den Fonds bisher entzogen wurde", vermutet Schmidt.

Er ist persönlich betroffen, denn er gehört zu den Anlegern des Österreich-Fonds Nr. 4. Es handelt sich um ein Bürogebäude über dem Hauptbahnhof in Wien. Aus diesem Fonds wurden 6,5 Millionen Euro abgezogen, die höchste Summe unter allen Abflüssen. Jetzt will Schmidt Einsicht in die Kontoauszüge der Fondsgesellschaft nehmen, um die Geldabflüsse aufzuklären. Nach seinen Angaben hat er dies bereits gerichtlich durchgesetzt. Doch das Investmenthaus habe Berufung eingelegt. Jetzt will sich Schmidt mithilfe eines Gerichtsvollziehers Zugang verschaffen.

2012 hatte Wölbern Invest damit begonnen, einen Cashpool für alle Fonds zu bilden, in denen die Liquidität gebündelt werden sollte. Die Fonds sollten sich so untereinander Kredite geben können. "Doch die Mittelabflüsse erfolgten zu einem Zeitpunkt, als dieses Modell noch gar nicht auf der Tagesordnung stand", sagt Schmidt. Franz hat den Verdacht, dass der Liquiditätspool nur geschaffen wurde, "um die bereits erfolgten Geldabflüsse nachträglich zu rechtfertigen". Nach Angaben von Schmidt wurde bei 13 Fonds ein gemeinsames Liquiditätsmanagement gerichtlich untersagt.

Wölbern legte im Jahr 1972 einen ersten geschlossenen Fonds auf. Die Wurzeln des Unternehmens reichen fast 200 Jahre zurück. Seine Geschichte beginnt 1816 in Berlin als E.J. Meyer Bank. Den heutigen Namen erhielt das Unternehmen 1956, als der Hamburger Investor Ernst Wölbern die Anteile erwarb. Die Geschichte als Fondshaus begann 1993 mit dem ersten Holland-Fonds. Künftig will sich das Unternehmen stärker auf institutionelle Anleger konzentrieren. Im Jahr 2006 übernahm der Mediziner Heinrich Maria Schulte die Wölbern Group, im Jahr darauf trennte er das Bankhaus Wölbern ab.