Gewerkschaft verlangt Ausgleich für steigende Arbeitsbelastung der 140.000 Hamburger Beschäftigten. Firmen klagen über stagnierende Umsätze

Hamburg. Der Job einer Verkäuferin ist in den vergangenen Jahren nicht gerade einfach geworden. Immer weniger Mitarbeiterinnen müssen sich in Hamburgs Warenhäusern und Boutiquen um immer größere Flächen und Sortimente kümmern, die Kassen mitbedienen und sich mit dem Frust manch eines wartenden Kunden auseinandersetzen.

Angesichts dieser Entwicklung verlangt die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di in der bevorstehenden Tarifrunde nun zumindest eine kräftige Gehaltserhöhung für die rund 90.000 Beschäftigten im Hamburger Einzelhandel. 150 Euro mehr sollen die Mitarbeiter im Monat bekommen, was im Schnitt einer Lohnsteigerung von 6,5 Prozent entspricht. Für die rund 50.000 Beschäftigten im Groß- und Außenhandel sollen die Gehälter um 160 Euro im Monat steigen.

"Die Arbeitsbelastung und die Verantwortung einer Verkäuferin steigt immer weiter an", sagt der Hamburger Fachbereichsleiter der Gewerkschaft, Arno Peukes. "Daher wäre eine solche Gehaltserhöhung nur angemessen." Vor allem untere Lohngruppen, die von allgemeinen Kostensteigerungen in Deutschland besonders gebeutelt seien, benötigten mehr Geld, so Peukes. Ein ungelernter Warenauffüller verdiene rund 1385 Euro brutto, eine Verkäuferin maximal 2248 Euro. Auch die weitgehend stabile Konjunktur erlaubt aus Sicht der Gewerkschaft eine entsprechende Lohnanpassung - trotz des anhaltenden Verdrängungswettbewerbs in der Branche.

Das sehen die Arbeitgeber allerdings ganz anders, harte Auseinandersetzungen in den am 21. Mai beginnenden Verhandlungen sind daher wahrscheinlich. "Wir gehen im Augenblick davon aus, dass wir allenfalls einen Umsatz auf dem Niveau des Vorjahres erreichen können", sagt der Vorsitzende der Fachverbände des Hamburger Einzelhandels (FHE), Andreas Bartmann. "Große Spielräume für Lohnerhöhungen kann ich daher nicht erkennen." Allenfalls im Lohneinstiegsbereich könne man über eine Anpassung reden.

Vor allem die aufstrebenden Internethändler setzen den traditionellen Geschäften laut Bartmann zu. "Bei Schuhen, Kleidung und Unterhaltungselektronik hat sich die Konkurrenzsituation weiter verschärft", sagt der Verbandsvorsitzende.

Schwierig ist die Lage nach wie vor beim Essener Warenhauskonzern Karstadt, einem der größten Arbeitgeber der Branche in der Hansestadt. Das Unternehmen hat bundesweit gerade erst 1850 Arbeitsplätze abgebaut, um sich nach Ablauf des Sanierungstarifvertrags im vergangenen Jahr die normalen Tariflöhne leisten zu können.

Stark zu kämpfen hat auch die alteingesessene Schuhhandelskette Görtz, die die Konkurrenz von großen Onlineanbietern besonders hart zu spüren bekommt und nach Stellenabbau und Filialschließungen im vergangenen Jahr nun noch einmal 14 Geschäfte dichtmachen will.

Selbst der Versandhandels- und Onlinekonzern Otto sieht sich wegen aggressiver Wettbewerber wie Amazon oder Zalando gezwungen, rund 700 Stellen im deutschen Kerngeschäft abzubauen. Um einen Teil dieses Abbaus zu verhindern, sollen nun Mitarbeiter des Versenders Otto in Hamburg auf einen Teil ihres Lohns verzichten und in eine andere Gehaltsgruppe innerhalb des Tarifs wechseln.

Hamburg ist das einzige Bundesland, in dem die Arbeitgeber im diesjährigen Tarifkonflikt den Manteltarifvertrag nicht gekündigt haben. Dennoch rechnet die Gewerkschaft damit, dass ihr Tarifpartner auch hier einen Angriff auf die Lohn- und Gehaltsstruktur plant. Ver.di befürchtet, dass die höheren Tarife für Kassierer auf die geringeren der Verkäufer eingeebnet werden sollen. Sollten solche Vorstöße kommen, seien die Mitglieder kampfbereit, sagte Fachbereichsleiter Peukes. "Ich kann mir schwer vorstellen, dass wir ohne Streiks auskommen werden." Ein Grundproblem besteht für die Gewerkschaft allerdings darin, dass die Zahl der tarifgebundenen Betriebe in der Hansestadt immer weiter abnimmt, die ausgehandelten Tarifverträge also für immer weniger Beschäftigte gelten. Nicht einmal mehr die Hälfte der Hamburger Einzelhändler wendet noch den Tarif an. Hinzu kommt, dass viele Supermärkte oder Drogerien die bestehenden Verträge durch den Einsatz von Leiharbeitern oder Beschäftigten mit Werkverträgen unterlaufen. Diese Beschäftigten, die Regale einräumen oder sogar an der Kasse sitzen, verdienen oft nur einen Bruchteil der regulär beschäftigten Mitarbeiter.

Etwas einfacher als im Einzelhandel dürften sich die Tarifverhandlungen im Groß- und Außenhandel gestalten, da hier die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen besser sind als in Modeläden und Kaufhäusern. In diesem Sektor des Handels beginnen die Gespräche bereits am 23. April.