Nordmetall-Vorstand Thomas Lambusch spricht über die Tarifrunde. Arbeitgeber wollen mit sicheren Jobs die Kaufkraft stärken.

Hamburg. Für Thomas Lambusch sind es die zweiten Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie im Norden. Der Unternehmer aus Rostock soll für den Arbeitgeberverband Nordmetall mit seinen rund 250 Mitgliedsunternehmen erneut als Verhandlungsführer eine Einigung mit der IG Metall Küste erzielen. Das Abendblatt sprach mit Lambusch über die Gewerkschaftsforderung von bis zu 5,5 Prozent, Managergehälter, Mindestlöhne, Kurzarbeitergeld und über seinen Verhandlungspartner der Gewerkschaft, Bezirksleiter Meinhard Geiken.

Hamburger Abendblatt: Herr Lambusch, am 22. März werden Sie als Verhandlungsführer des Arbeitgeberverbandes Nordmetall in die erste Runde der Tarifverhandlungen mit der IG Metall gehen. Wie wichtig ist Geld für Sie?

Thomas Lambusch: Wichtig, weil man Geld zum Leben braucht.

Sie waren Manager und sind seit Ende 2005 Unternehmer in Rostock. Was halten Sie von Gehältern wie dem von VW-Chef Martin Winterkorn, der 2012 mit 14,5 Millionen Euro in einem Jahr mehr verdient als ein Arbeiter in seinem ganzen Erwerbsleben?

Lambusch: Zwischen den Arbeitnehmern und dem VW-Vorstand liegen Welten. Ein Millionengehalt in dieser Größenordnung erscheint nicht angemessen. Aber wenn man andererseits die Entwicklung von VW zum Weltkonzern sieht, an der Winterkorn maßgeblich beteiligt war, stimmen die Relationen schon wieder.

Die Schweizer haben jetzt beschlossen, Managergehälter zu deckeln. Kann das ein Vorbild für Deutschland sein?

Lambusch: Als Anhänger der Marktwirtschaft bin ich grundsätzlich gegen solche Vorgaben. Wir haben in Deutschland in großen Unternehmen einen Aufsichtsrat, in dem die Gewerkschaften mitbestimmen und der über die Vorstandsgehälter entscheidet. Ein Gehalt wie Winterkorn zu beziehen, das 400-mal so hoch ist wie das seiner Angestellten, ist schon extrem.

Wie hoch ist denn Ihr Gehalt?

Lambusch: Ich persönlich verdiene 250.000 Euro brutto im Jahr. Das ist gut viermal so viel wie der Durchschnittsverdienst in meinem Unternehmen.

Schauen wir mal auf die niedrigen Verdienste. Wie wichtig ist die Einführung eines Mindestlohns?

Lambusch: Wenn ein Arbeitnehmer gute Arbeit leistet, muss er davon auch leben können. Das ist für mich klar. In der Metallindustrie ist dies auch gewährleistet. Aber wenn der Staat von vornherein ein zumindest knapp ausreichendes Einkommen garantiert, könnten sich viele auf diesem Anspruch ausruhen und auf eine Aus- oder Weiterbildung verzichten.

Was halten Sie von der Forderung der Gewerkschaft, Zeitarbeitern im Vergleich mit Festangestellten den gleichen Lohn für die gleiche Arbeit zu zahlen?

Lambusch: Es geht hier ja um eine moralische Frage. Ich würde die Forderung grundsätzlich unterstützen. In unserer Industrie ist das Thema durch die mit der IG Metall vereinbarten Zuschläge für Zeitarbeiter abschließend geregelt. Es kann natürlich nicht sein, dass Firmen die Aufgaben von teureren Zeitarbeitern auslagern und als Werksverträge vergeben. Diese Verträge sind für Aufgaben vorgesehen, die die Stammbelegschaft nicht ausführen kann. Alles andere ist ein Missbrauch. Und wenn die IG Metall das kritisiert, ist die Kritik berechtigt.

Die Gewerkschaft will in den Tarifverhandlungen bis zu 5,5 Prozent mehr Lohn fordern. Können die Firmen im Norden das überhaupt bezahlen?

Lambusch: Die Forderung ist zu hoch. Denn sie passt nicht zur wirtschaftlichen Lage. Ende 2012 ist die Produktion in unserer Branche um vier Prozent zurückgegangen. Zwar haben sich die Unternehmen wieder etwas erholt, aber um mehr als 0,6 Prozent wird die Produktivität 2013 nicht steigen. Das ist der Spielraum, der problemlos verteilt werden kann, ohne Jobs zu gefährden. Die IG Metall rechnet dann die Inflation hinzu. Dass sie auch noch einen weiteren Zuschlag will, um die Binnennachfrage anzukurbeln, halten wir für ein falsches Argument. In der norddeutschen Metall- und Elektroindustrie wurden zwischen 2009 und 2012 rund 7000 neue Jobs geschaffen. Das bedeutet eine zusätzliche Kaufkraft von 300 Millionen Euro. Das ist unser Beitrag zur Sicherung des Konsums.

Wäre ein Lohnplus mit einer Drei vor dem Komma akzeptabel?

Lambusch: Das fände ich noch zu hoch. Denn der Abschluss 2012 mit 4,3 Prozent wirkt noch als Kostenbelastung in dieses Jahr hinein.

Was wäre es den Arbeitgebern wert, wenn sich ein Abschluss für mehr als ein Jahr, etwa für 18 Monate erzielen ließe?

Lambusch: Ein längerer Abschluss wäre gut. Wir haben uns auch schon einmal auf einen Tarifvertrag für 26 Monate geeinigt. Sicher kostet so etwas ein bisschen mehr. Das Wichtigste ist aber, die Jobs und damit die Kaufkraft zu sichern. Dazu müssen wir bei den Verhandlungen auch über Anpassungsmöglichkeiten für einzelne Betriebe reden, zum Beispiel über die Verschiebung der Lohnerhöhungen. Es gibt inzwischen in allen Branchen Betriebe, denen es nicht gut geht. Derzeit sind wir mit 20 Firmen über Ergänzungstarifverträge oder andere Instrumente im Gespräch. Der Abschluss muss flexible Lösungen zulassen.

Welche Firmen werden die meisten Schwierigkeiten haben, die Tariferhöhung zu bezahlen?

Lambusch: Vor allem Firmen, die ihre Erzeugnisse in südeuropäische Staaten exportieren, die von der Schuldenkrise betroffen sind. Blicken wir auf die Branchen, dann fehlen in der Elektrotechnik, bei den metallverarbeitenden Betrieben und im Schiffbau Aufträge. Die Werften stehen im internationalen Wettbewerb und müssen zum Teil gegen staatlich subventionierte Konkurrenten kämpfen. Noch dazu verzögern sich jetzt Aufträge aus der Offshore-Industrie, weil dort die künftige Förderung nicht sicher ist.

Die IG Metall fordert, die Werften mit einer Kurzarbeiterregelung über die Flaute zu bringen.

Lambusch: Das ist ein guter Vorschlag. Wenn wieder wie während der Finanzmarktkrise Kurzarbeit über 24 Monate möglich wäre und die Arbeitsagentur die Sozialkosten für die ausgefallenen Stunden übernimmt, würde das die Werften stützen. Die Arbeitgeberverbände sprechen darüber bereits seit mehr als einem Jahr mit der Regierung.

Werden die Tarifverhandlungen jetzt härter als 2012?

Lambusch: Schwer zu sagen. Aber es ist positiv, dass die IG Metall nicht wie andere Gewerkschaften 6,5 Prozent mehr Geld fordert. Für unseren Bereich Küste habe ich Bezirksleiter Meinhard Geiken schon 2012 als fairen Partner erlebt. Er geht auf Argumente ein und auch die demonstrierenden Metaller haben mich bei Treffen stets angehört.

Halten Sie eine Einigung in der Friedenspflicht bis Ende April ohne Warnstreiks für möglich?

Lambusch: An uns soll es nicht liegen. Bei unserem ersten Treffen am 22. März werden wir uns anhören, was die Gewerkschaft zu sagen hat. Die zweite Runde ist für Ende April geplant. Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann ein Angebot vorlegen.