Branche rechnet mit Absatzrückgang von drei bis zehn Prozent

Genf. Stück für Stück begräbt die Autobranche ihre Hoffnungen auf eine baldige Erholung im krisengeschüttelten Europa. Rechneten die Hersteller ohnehin schon mit einer langen Durststrecke in einer der wichtigsten Absatzregionen der Welt, schüren nun immer neue Hiobsbotschaften immer größere Befürchtungen. "Mindestens noch fünf Jahre" werde die Schuldenkrise und damit die Volatilität auf den europäischen Automärkten anhalten, prognostizierte BMW-Chef Norbert Reithofer am Dienstag auf dem Genfer Autosalon, einer der wichtigsten Messen der Branche. "Der Druck lässt nicht nach", sagte Peugeot-Markenmanager Frederic Saint-Geours. Stephen Odell, Europa-Chef des US-Herstellers Ford, warnte, es werde wohl vier bis fünf Jahre dauern, bis das Niveau von 2007, vor der Krise, wieder erreicht werde.

Bevor sich die Schuldenmisere über weite Teile der Welt ausbreitete, wurden in ganz Europa in Spitzenzeiten rund 16 Millionen Autos verkauft. 2012 waren es dann noch zwölf Millionen Neuwagen - so wenige wie seit 1995 nicht mehr. Im Januar sackten die Neuzulassungen gar auf einen historischen Tiefstand seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen ab. Der Pkw-Markt in Europa sei schlechter ins Jahr 2013 gestartet als gedacht, sagte Daimler-Vorstandsvorsitzender Dieter Zetsche in Genf. "Der Markt ist nicht in der Verfassung, wie wir das vor drei Monaten erwartet haben." Ford-Manager Odell ging davon aus, dass die Verkaufszahlen im ersten Halbjahr "am unteren Rand" der Erwartungen entlangkriechen.

Daimler-Chef Zetsche hielt eine Verbesserung der Lage vom zweiten Halbjahr an für möglich. Darauf könne die Branche aber nicht vertrauen. "Mal ehrlich: Wer weiß schon, was in der zweiten Jahreshälfte passiert?", fragte dagegen Ford-Manager Odell. Für das Gesamtjahr 2013 wird in der Branche mit Rückgängen in Europa zwischen drei und zehn Prozent gerechnet. Ford, der zweitgrößte Autobauer der USA, zählt wie PSA Peugeot Citroën, Fiat oder Opel zu denjenigen Herstellern, die unter der Krise leiden, weil sie in Europa für Europa produzieren und Rückgänge nicht andernorts ausgleichen können. Vor allem im schuldengeplagten Süden des Kontinents halten die Käufer von Klein- und Mittelklassewagen angesichts hoher Arbeitslosigkeit ihr Geld zusammen, statt es in neue Autos zu stecken. Rabattschlachten und Stellenstreichungen bei den Pkw-Konzernen sind die Folge.

Wie in jeder Krise sehen einige Unternehmen die Chance, trotz des allgemeinen Schrumpfkurses ihren eigenen Marktanteil auszubauen. Der leidgeprüfte Hersteller Opel kündigte dies ebenso an wie der Daimler-Konzern, der laut Zetsche außerdem die Nettopreise bis zum Jahresende leicht anheben will. Die Konkurrenten BMW und Audi, mit denen sich die Oberklassemarke Mercedes ein Wettrennen um die Spitzenposition im Premiumsegment liefert, verkündeten auf dem Autosalon weitere Zuwächse beim Absatz. Sie profitieren davon, dass ihre Wagen außerhalb Europas, vor allem in den Wachstumsmärkten China und USA, weiter reißenden Absatz finden.

Der neue Opel-Chef Karl-Thomas Neumann sieht den Autobauer vor einer schwierigen Sanierung. "Eine Marke wieder neu aufzubauen, braucht Zeit", sagte der frühere VW-Manager. Opel müsse Kosten senken und Abläufe verbessern. Er sei aber zuversichtlich, die Traditionsmarke wieder zu altem Glanz führen zu können. Dabei setzt der frühere Conti-Chef vor allem auf neue Modelle. "Wir haben 23 neue Autos in der Pipeline", sagte Neumann.