Carla Kriwet, 41, leitet künftig die Deutschland-Zentrale. Promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin kommt von „Save the Children“.

Hamburg. Wenige Wochen nach dem überraschenden Abgang von Philips-Deutschland-Chef Andreas Wente hat der Konzern eine Nachfolgerin gefunden. Vom 1. April an wird Carla Kriwet, 41, Vorsitzende der Geschäftsführung des Elektronikkonzerns in Hamburg und damit zuständig für die Geschäfte in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Kriwet löst den Niederländer Ronald de Jong ab, der Wentes Position zuvor für die Übergangszeit übernommen hatte, teilte Philips mit.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin Kriwet gilt als ehrgeizig und zielstrebig. "Sie geht gern den unkonventionellen Weg - und nur selten den, der nahe liegt. Sie überrascht immer wieder", sagt ihr langjähriger Mentor Martin Koehler, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Boston Consulting. Dort hatte die groß gewachsene, blonde Frau ihre Karriere begonnen.

Die Tochter des ehemaligen Thyssen-Chefs und späteren Aufsichtsratsvorsitzenden Heinz Kriwet wuchs in der Nähe von Düsseldorf mit vier Geschwistern auf und bestand ihr Abitur an einem katholischen Mädchengymnasium. Danach beteiligte sie sich an Anti-Aids-Kampagnen in Burundi und absolvierte ihr Studium in Würzburg und im Schweizer St. Gallen, wo sie promovierte. Nach der Beratungsgesellschaft wechselte Kriwet zum Linde-Konzern. Dort stieg sie zur Chefin des Gesundheitsgeschäfts in Nord- und Zentraleuropa auf.

Spekuliert wird, dass sie später vor allem zum Medizintechnikhersteller Dräger nach Lübeck ging, weil man ihr bei Linde nicht so rasch einen Vorstandsposten anbieten wollte. Doch schon nach nur knapp zwölf Monaten war in der Hansestadt an der Trave wieder Schluss. Über die Hintergründe für die Entscheidung, die der Vorstandsvorsitzende Stefan Dräger im November 2011 bekannt gab, wurde jedoch nichts weiter bekannt. Allerdings soll Kriwet von Dräger eine hohe Abfindung erhalten haben.

Derzeit ist die Mutter von drei Kindern Vorstand bei der in Berlin ansässigen Hilfsorganisation Save the Children. Dort war sie am Donnerstag auf Anfrage des Abendblatts jedoch nicht zu erreichen. Auf ihre neue Position in Hamburg soll die Topmanagerin nun nach der kommenden Sitzung des Philips-Aufsichtsrats rücken. Damit wartet keine leichte Aufgabe auf sie. Denn die Beschäftigten in Hamburg, sowohl in der Röntgenfabrik als auch in der Unternehmenszentrale, seien durch den überraschenden Abschied ihres Vorgängers stark verunsichert, hieß es in den vergangenen Monaten aus der Belegschaft. Andreas Wente geht nun in den Ruhestand - im Alter von nur 58 Jahren. Nach Abendblatt-Informationen konnte er sich mit Philips nicht auf einen neuen Vertrag einigen.

Kriwet muss sich nun in Hamburg mit einem Sparprogramm von Philips befassen. Denn das Unternehmen will weltweit in der Konsumelektronik 1,1 Milliarden Euro sparen. Auch ein Stellenabbau ist geplant. Beabsichtigt wird, 6700 Jobs zu streichen. In Hamburg laufen bereits Verhandlungen über einen Interessensausgleich mit dem Betriebsrat. Ergebnisse darüber liegen noch nicht vor. Immerhin hat Philips mit der Fabrik für Röntgenröhren in Fuhlsbüttel eine starke internationale Position. Die Produktion in der Medizintechnik gilt als Wachstumstreiber. Doch das Werk steht in Konkurrenz zu Billiglohnländern. So produziert Philips einfache Geräte bereits in Brasilien, Indien und China. Im Wettbewerb mit Firmen aus Asien steht auch die Lichttechnik. Mit den Beleuchtungen für Stadien, Konzerthallen und Straßen hat der niederländische Konzern zwar eine führende Position, muss aber in neue Technologien viel investieren. Auf Carla Kriwet dürfte in Hamburg viel Arbeit zukommen - nicht nur angenehme.