Schock für den Norden: Der Standort Norderstedt mit 400 Jobs wird geschlossen. In Hamburg fallen 160 Stellen weg. Arbeit geht ins Ausland.

Hamburg. Trotz eines Jahresgewinns 2012 nahezu in Milliardenhöhe schlägt die Lufthansa auf ihrem Sparkurs eine härtere Gangart ein - und der Norden ist besonders stark davon betroffen. So will der Kranich-Konzern die Tochtergesellschaft Lufthansa Revenue Services (LRS) in Norderstedt bis zum Jahr 2017 komplett schließen. "In Norderstedt fallen 400 Arbeitsplätze weg", sagt Sabine-Almut Auerbach, Geschäftsführerin des Bezirks Südholstein der Gewerkschaft Ver.di. Die Mitarbeiter seien bei einer Betriebsversammlung am Mittwochmorgen über die Pläne des Konzernvorstands informiert worden. Nach Angaben der Lufthansa sind in Norderstedt rund 350 Vollzeitstellen betroffen.

In Hamburg sollen von den 200 Stellen der Konzernverwaltung 80 Prozent in ein "Dienstleistungszentrum" übergeführt werden. Solche Zentren gebe es in Krakau, Bangkok und in Mexiko, darüber hinaus prüfe man den Aufbau eines weiteren Zentrums im Großraum Frankfurt, erklärte ein Konzernsprecher. Verlagern wolle man Tätigkeiten im Personalverwaltungsbereich wie etwa die Gehalts- und Reiseabrechnung. Voraussichtlich werde aber kaum einer der etwa 160 betroffenen Mitarbeiter an die neuen Standorte wechseln, sagt Christine Behle, Mitglied des Ver.di-Vorstands: "Wir sprechen von echtem Arbeitsplatzabbau."

Außerdem schließt die Lufthansa die Kölner Hauptverwaltung mit etwa 365 Arbeitsplätzen bis zum Jahr 2017. Zwar hat der Konzern längst einen Großteil der Verwaltungsfunktionen an den Frankfurter Flughafen verlagert, formell hat das Unternehmen aber seinen Sitz in Köln. Die Sparpläne sollen in den nächsten Wochen mit den Arbeitnehmervertretern beraten werden.

Bei der LRS in Norderstedt war ursprünglich vorgesehen, 300 Arbeitsplätze ins Ausland - nach Polen, Indien oder Mexiko - zu verlagern. Derartige Überlegungen sind seit Oktober bekannt. Von der Schließung des Standorts war aber nicht die Rede gewesen. "Der Betriebsrat hatte ein Konzept vorgelegt, wie Stellen sozialverträglich abgebaut werden könnten. Darauf ist der Lufthansa-Vorstand nun überhaupt nicht eingegangen", sagt Auerbach.

Es sei unklar, wie der Abbau erreicht werden soll, denn über 65 Prozent der LRS-Mitarbeiter seien bereits seit mehr als 15 Jahren im Lufthansa-Konzern beschäftigt und somit gemäß bestehender Tarifverträge nicht ordentlich betriebsbedingt kündbar. In Norderstedt werden die gesamten Erlös- und Leistungsdaten aus dem Passagiergeschäft der Lufthansa und von externen Kunden ausgewertet. Das Tochterunternehmen verarbeitet jährlich rund 55 Millionen Flugscheine.

Bereits Ende Januar hatte Lufthansa Technik angekündigt, bundesweit 650 Stellen in Deutschland bis Ende 2014 zu streichen, davon 400 Arbeitsplätze in Hamburg.

Im Zuge des Sparprogramms "Score" will die Lufthansa ihre jährlichen Kosten bis 2015 um 1,5 Milliarden Euro senken. Eine halbe Milliarde davon sollen durch Einsparungen beim Personal erreicht werden. Dabei müsse der Vorstand "auch schwierige Entscheidungen treffen, mit denen wir tief in die Lebenssituation von Mitarbeitern eingreifen", sagte Konzernchef Christoph Franz. Insgesamt sollen alleine in der Verwaltung des Konzerns nach bisherigen Angaben 3500 Arbeitsplätze wegfallen. Doch diese Pläne stoßen auf den entschiedenen Widerstand der Gewerkschaft Ver.di. "Wir kritisieren den geplanten Abbau von mehreren Tausend Stellen bei der Lufthansa und Standortschließungen scharf und werden mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen vorgehen", sagt Behle. Natürlich müsse sich die Lufthansa angesichts der scharfen Konkurrenz wirtschaftlich aufstellen, aber dies dürfe nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. "Wir werden das Thema in die anstehenden Tarifverhandlungen tragen, und wir werden die Beschäftigten mobilisieren", so Behle. Die Tarifgespräche beginnen am 26. Februar.

Behle warnte davor, jetzt Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Kostensenkung könne nicht das alleinige Konzept der Qualitäts-Airline sein. "Verlagerungen ins Ausland erscheinen vielleicht auf den ersten Blick günstiger, aber sie sind in der Regel nicht besser oder werden durch Qualitätsmängel langfristig teurer", meint Behle.

Wie die Lufthansa mitteilte, hat sie im Geschäftsjahr 2012 einen Überschuss von 990 Millionen Euro erzielt, nachdem sie im Vorjahr noch einen Verlust von 13 Millionen Euro verbuchen musste. Branchenanalyst Frank Skodzik von der Commerzbank führte den Gewinnsprung allerdings auf den Verkauf der Anteile am Reisebuchungsabwickler Amadeus zurück. Trotz des Überschusses fällt die Dividende aus. An der Börse wurde dies mit Bestürzung aufgenommen, die Lufthansa-Aktie sackte um mehr als fünf Prozent ab.

Bei einem um 4,9 Prozent auf 30,1 Milliarden Euro gestiegenen Umsatz nahm der operative Gewinn um 36 Prozent auf 524 Millionen Euro ab. Außerdem kündigte die Lufthansa den Kauf von 100 modernen Kurz- und Mittelstreckenmaschinen sowie acht Langstreckenjets an. Der Listenpreis betrage insgesamt rund neun Milliarden Euro. Für welche Modelle der Hersteller Airbus und Boeing man sich entscheiden werde, stehe noch nicht fest. Allerdings hat die Lufthansa bereits die Umstellung der Mittelstreckenflotte auf Airbus-Typen eingeleitet. Vom Konkurrenzmodell Boeing 737 dagegen verabschiedet man sich.