Natalie Leroy, die neue Geschäftsführerin der Hamburger Wasserwerke, kämpft gegen die Privatisierung der Versorgung in der Hansestadt

Hamburg. Wenn Natalie Leroy von Hamburgs Trinkwasser spricht, bekommt ihre Stimme einen besonderen Klang. So als sprudele es direkt aus der heiligen Quelle von Lourdes und nicht aus einem der etlichen Wasserhähne in der Hansestadt. "Es ist doch nur Wasser", möchte man ihr zurufen, aber da ist man bei Leroy schief gewickelt. "Unser Trinkwasser ist Daseinsvorsorge. Es ist unverzichtbar, und es ist das beste Lebensmittel, das man in Deutschland bekommen kann", sagt die 40-Jährige mit Nachdruck.

Na ja, das muss sie sagen. Leroy ist seit gut einem Monat kaufmännische Geschäftsführerin des städtischen Unternehmens Hamburg Wasser und damit für die Wasserversorgung der Stadt zuständig, wie auch für die Beseitigung und Aufbereitung der Abwässer. Damit sitzt sie an entscheidender Stelle, wenn es um die Zukunft der ehrwürdigen Hamburger Wasserwerke geht.

Leroy ist bei Paris geboren, hat neben dem französischen auch den deutschen Pass in der Tasche. Sie hat Wolfgang Werner beerbt, der zuvor 17 Jahre lang die Geschäfte führte - und Leroy ist die erste Frau an der Spitze in der 170-jährigen Unternehmensgeschichte. Aber das treibt sie nicht an, wie sie meint. Über das Thema "Frauen in Führungspositionen", sollen andere diskutieren, Leroy will lieber dafür sorgen, dass die Wasserversorgung in Hamburg auch weiterhin durch die Stadt sichergestellt wird.

Es gibt nämlich Bestrebungen in der EU, den Wassermarkt zu liberalisieren. Im Ergebnis könnte das dazu führen, dass Städte die Wasserversorgung nicht mehr in Eigenregie weiterführen dürfen, sondern öffentlich ausschreiben müssen. Für Leroy ist das undenkbar: "Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, wie die Regelung wirklich aussehen soll. Es ist ja noch nichts entschieden. Doch die Trinkwasserversorgung in Hamburg ist sehr effizient und von hoher Qualität zu normalen Preisen. Warum sollte man in Hamburg etwas ändern?", fragt sie mit französischem Akzent, den sie seit ihrem Wechsel nach Deutschland vor 17 Jahren noch nicht abgelegt hat.

Als Vertreterin eines städtischen Unternehmens klingt das logisch, und dennoch sind es ungewöhnliche Worte angesichts von Leroys Vorgeschichte. Sie hat nämlich die Seiten getauscht. Vor ihrem Wechsel nach Hamburg zum Jahresanfang stand sie beim Berliner Wasserversorger Veolia unter Vertrag, einem privaten Unternehmen. Dort war sie Mitglied der Geschäftsleitung und Leiterin Finanzen. Berlin ist einen anderen Weg als Hamburg gegangen und hat seine Wasserversorgung teilprivatisiert. Es gab verschiedene Gesellschafter und immer wieder Ärger. Veolia hält jetzt noch 24,9 Prozent der Anteile. Die Wasserpreise sind in der Hauptstadt gestiegen, und zwar so, dass das Bundeskartellamt sie inzwischen als zu hoch eingestuft hat. Der Berliner Senat traut sich aber nicht, die Wasserpreise zu senken, da den privaten Anteilseignern vertraglich ein Gewinnausgleich garantiert worden ist.

Die Verantwortung für das Dilemma trägt laut Leroy nicht die privatwirtschaftliche Unternehmensstruktur, sondern die Politik. "Die war bei den Verhandlungen offenbar zu sehr von den eigenen Erwartungen an die Privatisierungserlöse getrieben worden", sagt Leroy und unterstreicht ihre Worte mit deutlichen Gesten.

Eine Karaffe voll Wasser steht vor ihr auf dem Tisch im schlichten Besprechungszimmer in der Zentrale der Wasserwerke in Rothenburgsort. Sie zeigt darauf. "Das da gehört zur Daseinsvorsorge der Kommunen. Sie setzen die Rahmenbedingungen. Wenn die stimmen, ist die Gesellschafterstruktur eigentlich zweitrangig." Die Politik dürfe aber nicht in die Wasserunternehmen hineinregieren. "Darum sei Hamburgs Modell ein großes Vorbild für andere", meint sie. "Die Politik setzt den Rahmen und bestimmt die Wasserpreise, hält sich aber aus dem operativen Geschäft heraus. Und das Unternehmen arbeitet wirtschaftlich, achtet aber auf die Qualität und die Bedürfnisse seiner Kunden", sagt Leroy - und wechselt überraschend das Thema: "Die Deutschen sind so qualitätsbewusst. Ich würde mir wünschen, dass sie mehr Leitungswasser trinken und weniger Wasser aus Flaschen." Sie lacht. Leroy lacht viel, und strahlt dabei. Eine zierliche, attraktive Frau, mit ausdrucksvollen dunklen Augen - sie könnte glatt in der Unterhaltungsbranche arbeiten.

Das hat sie auch. Nachdem sie ihrem Mann, den sie im Studium in Nantes und Bilbao kennengelernt hatte, nach Berlin gefolgt war, war sie zunächst bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG angestellt und später als kaufmännische Leiterin bei der Studio Babelsberg GmbH. Zum Wasser kam sie 2005, weil ihr in dem Studiojob irgendetwas fehlte, wie sie zugibt: "Das war nachher immer dasselbe. Die Filme waren unterschiedlich, aber ihre Produktion läuft eigentlich immer gleich ab." Die Arbeit bei Hamburg Wasser sei eine viel größere Herausforderung. Ich muss jeden Tag sicherstellen, dass die Wasserversorgung der Bevölkerung zu bester Qualität klappt." Und das ist eine Herkulesaufgabe: Je nach Jahreszeit und Urlaubssaison schwankt die tägliche Wasserabnahme in Hamburg zwischen 250.000 und 400.000 Kubikmetern. Dazu müssen 5400 Kilometer Wasserrohre instand gehalten werden. "Hinzu kommen 5.500 Kilometer Abwasserrohre und Abwasserkanäle" sagt Leroy und verbessert sich sogleich: "Nein, in Hamburg heißen die Kanäle Siele. Daran muss ich mich erst noch gewöhnen."

Mögen ihr noch einige Worte fehlen, die Themen von Hamburg Wasser hat sie inzwischen drauf: neue Bauprojekte, Gebührensplitting beim Abwasser und das Regenwassermanagement - das rattert sie alles runter.

Und wenn sie sich nicht mit Wasser befasst, dann erkundet sie mit ihrer Familie ihre neue Heimat. Seit November bewohnt Leroy mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern ein Haus nahe Reinbek vor den Toren Hamburgs. Heimweh hat sie nicht, wie sie meint: "Es gibt nur eines, was ich an Frankreich vermisse: den guten Käse."