Mit den Lübecker Hütchen macht der Familienbetrieb Kongsbak die Straßen sicherer. Die Produktion ist mittlerweile im Elsass.

Lübeck. Für Maschinenbauer und Tüftler ist die Halle des Lübecker Unternehmens Kongsbak ein kleines Paradies. Auf 500 Quadratmetern türmen sich in den meterhohen Regalen Kugellager, Kupplungen, Kettenräder, Keilriemen, Dichtungen, Klebstoffe, Armaturen und Schläuche. "Zu 90 Prozent machen wir unser Geschäft mit Lübecker Industriebetrieben, aber auch Bastler sind unsere Kunden", sagt Peter Kongsbak, der den Familienbetrieb bis 2005 leitete. Mehr als 30.000 Artikel hat der technische Großhändler ständig auf Lager. "Überall, wo ein Schornstein raucht, werden unsere Produkte gebraucht", sagt der 74-Jährige.

Das bekannteste Produkt des Hauses, das jeder schon einmal gesehen hat, gibt aber keine Rauchzeichen und steht versteckt in der hintersten Ecke des Gebäudes. In braunen Kartons stapeln sich die orange-weißen Leitkegel, die auf den Straßen bei Absperrungen und Fahrbahnverengungen eingesetzt werden. Als Lübecker Hütchen legten die Kegel eine beeindruckende Karriere hin - dabei begann die Erfolgsgeschichte mit einem schrecklichen Unfall.

"1952 war mein Vater Ewald auf dem Weg ins Rheinland zu einem Geschäftsbesuch", sagt Peter Kongsbak und schildert den Crash, wie ihn sein Vater als Augenzeuge miterlebt hatte. Ein rot-weiß angestrichenes 200-Liter-Ölfass zeigte die Verengung der Autobahnausfahrt von zwei Spuren auf einen Fahrstreifen an. Doch ein Raser merkte dies zu spät. "Er ist gegen die Tonne gefahren, die mit einem Felsstein beschwert war", sagt Kongsbak. "Der Stein flog durch die Windschutzscheibe und köpfte den Fahrer."

Der Unfall ließ Ewald Kongsbak nicht mehr los. Er wollte eine sichere Alternative zu den Ölfässern schaffen, die damals eingesetzt wurden. "Auf dem Wohnzimmertisch stellte mein Vater mit Pappe und Papier das Urmodell seiner Vision her." Die Produkte, um den Urkegel selbst zu bauen, fand er im heimischen Großhandel, den sein Vater Marinus gegründet hatte.

"Marinus ist zur See gefahren und arbeitete später in einem Stahlwerk in Essen", erinnert sich Peter Kongsbak an die Anfänge der Firmengeschichte. Der Maschinenbaumeister erfand einen Unterwasserschneidbrenner, erhielt darauf ein Patent und verkaufte dieses. Von dem Erlös baute er 1921 einen Technischen Großhandel auf. Seine Kunden kamen aus dem Lübecker Hafen von Dampfschiffen, die er mit Kleinteilen wie Manschetten und Dichtungen belieferte. Vor dem Zweiten Weltkrieg übernahm Ewald das Geschäft von seinem Vater. Mit Gummiteilen aus dem Lager baute er später den ersten Leitkegel. Um einen Metallkegel legte er Gummibahnen und verklebte sie. Ein Metallring am Fuß sollte für einen sicheren Stand sorgen.

Für den Praxistest nahm Vater Ewald Sohn Peter in die Pflicht. Auf der Autobahn stellten die Kongsbaks die Leitkegel auf. "Mein Vater sagte mir: ,Setz dich ans Steuer, gib richtig Gas und fahr so schnell und dicht wie möglich an den Leitkegeln vorbei'", erzählt Peter Kongsbak. "Ich will sehen, ob die Kegel stehen bleiben." Der Sohn gehorchte, setzte sich in den Familien-Opel und fuhr mehrfach die Strecke von Lübeck nach Reinfeld ab. Sein Vater verschanzte sich im Graben neben der A 1 und beobachtete den Versuch. Das Resultat: Die Kegel blieben stehen. "Mein Vater hat ihnen aus Verbundenheit zur Heimat den Namen Lübecker Hütchen gegeben", so Peter Kongsbak.

Ewald Kongsbak beantragte Patentschutz, erhielt aber vor rund 60 Jahren nur ein Gebrauchsmusterschutz. Das Bundesgebrauchsmuster gilt als kleine Schwester des Patents und wird erteilt, wenn eine gewerblich nutzbare Erfindung neu ist und auf einem erfinderischen Fortschritt beruht. Für den Schritt zum Patent reichte es aber nicht, weil es in den USA bereits ein ähnliches Produkt gab.

Das Geschäft lief gut an. Polizei, Autobahnmeistereien und Baubetriebe gehörten zu seinen Kunden. Rund 5000 Stück verkaufte der Lübecker anfangs pro Jahr, später waren es teilweise bis zu 10.000 Kegel. Rund 60.000 D-Mark (30.610 Euro) erlöste Ewald Kongsbak, der 1985 starb, in guten Jahren mit ihnen. "Das war fast die Hälfte des Umsatzes der Firma", sagt Peter Kongsbak. Gefragt waren die Kegel nicht nur in Deutschland. "Der erste Auslandsauftrag kam aus Aruba." 1000 Stück wurden auf die Karibikinsel geliefert. Die meisten Abnehmer saßen aber in Deutschland und Westeuropa. Weil Gummi Anfang der 1960er-Jahre immer teurer wurde, fertigten die Lübecker die Kegel später aus Kunststoff.

Die zunehmende Mechanisierung sorgte dann in zweifacher Hinsicht für Einschnitte bei dem Erfolgsprodukt. Zunächst wurde in den 70er-Jahren die Fertigung aus der Hansestadt an eine Firma im Elsass vergeben. Später ging es auch mit den Verkaufszahlen bergab. "Seit Konkurrenten die Produktion mit Tiefziehautomaten groß und günstig aufbauen, ist uns das Geschäft ein wenig aus der Hand gerutscht", sagt Klaus Reim, 50, der als Schwiegersohn von Peter Kongsbak den Familienbetrieb mittlerweile in vierter Generation führt. Heute seien vor allem die kleinen Kegel mit einer Höhe von 20 und 35 Zentimetern gefragt. Fußballvereine und Kindergärten gehören zu den besten Abnehmern, um Parcours abzustecken. Für den kleinen Kegel müssen 3,50 Euro plus Mehrwertsteuer bezahlt werden. Die Ein-Meter-Version aus Weich-PVC kostet 40 Euro plus Steuer. Als Verkehrszeichen sind vor allem die anderen beiden erhältlichen Kegelhöhen gefragt. Für Absperrungen im Stadtverkehr müssen die Lübecker Hütchen laut Reim mindestens 50 Zentimeter hoch sein, auf Autobahnen 75 Zentimeter.

Für den Technischen Großhandel Kongsbak spielt das bekannteste Produkt des Hauses finanziell heute nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Erlöse steigen auch so kräftig, die Lagerhalle soll nun auf 700 Quadratmeter Grundfläche erweitert werden. Insgesamt liegt der Umsatz der neun Mitarbeiter großen Firma bei drei Millionen Euro und habe sich damit in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt. Mit den Verkehrszeichen kommen heute nur noch rund 10.000 Euro in die Kasse. Geschäftsführer Reim ist sich aber einer Tradition bewusst: "Das wir das Geschäft weiterhin betreiben, ist eine Hommage an den Erfinder."