Viele Auszubildende entscheiden sich zunächst falsch. Hamburger Kammern wollen gegensteuern

Hamburg/Berlin. Mehr als jede vierte Ausbildung in Hamburg wird nicht abgeschlossen. Das geht aus einer Auswertung des Bonner Bundesinstituts für Berufbildung (BiBB) für den neuen Berufsbildungsbericht 2013 der Bundesregierung hervor, die dem Abendblatt vorliegt. Damit lag die Hansestadt 2011 - die Nachwuchskräfte im öffentlichen Dienst sowie der Land- und Hauswirtschaft und in den freien Berufen eingeschlossen - mit einer Abbruchquote von 28,2 Prozent höher als der bundesweite Durchschnitt von 24,4 Prozent. Bundesweit kommt das Institut auf 149.760 Ausbildungsverträge, die vorzeitig gelöst wurden - bei einem Drittel geschah dies in der Probezeit.

Die Quoten sind vor allem deshalb so hoch, weil sie nicht berücksichtigen, wie sich die Betroffenen später neu entscheiden. Die Auflösungen der Verträge stellen für einen großen Teil der Lehrlinge "keinen Ausbildungsabbruch dar", stellt die BIBB-Expertin Alexandra Uhly klar. Nach den Erfahrungen des Instituts schließen vielmehr etwa die Hälfte der Betroffenen wieder einen neuen Lehrvertrag ab. "Oft ist einfach der Beruf falsch gewählt, manchmal passt die Chemie zwischen Ausbilder und Jugendlichen nicht oder die Entfernung zum Betrieb wird auf Dauer zum Problem", sagt Hans Heinrich Driftmann, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), zu den Gründen für den Ausstieg aus den Lehrverträgen.

Der Anteil der Abbrecher habe sich in Hamburg in den vergangenen Jahren kaum verändert, versicherten Vertreter der Hamburger Handels- und der Handwerkskammer am Donnerstag dem Abendblatt. Sie liegen bei 10.000 neuen Verträgen pro Jahr im Bereich der Handelskammer bei rund 25 Prozent. Die Handwerker kommen nach ihren Berechnungen auf rund 20 Prozent. So hatten 2011 hier 520 von 2490 Lehrlingen im ersten Jahr ihren Vertrag wieder gekündigt. In den Berufen, die von den beiden Kammern vertreten werden, beginnen jährlich etwa 12.500 junge Leute eine Ausbildung.

Grundsätzlich gilt, dass mit der steigenden Zahl von Ausbildungsplätzen in der Stadt auch die Bereitschaft der Jugendlichen wächst, selbst nach einem Vertragsabschluss weiter zu suchen. Davon ist jedenfalls Fin Mohaupt überzeugt, der Leiter Ausbildungsberatung der Handelskammer. Solche Wechsel gelten dann ebenfalls als Abbruch. Auch Oliver Thieß, der Leiter Bildungspolitik der Handwerkskammer, verweist darauf, dass selbst bei der Änderung der Rechtsform eines Betriebes ein Lehrvertrag als formal abgebrochen gelten könne.

Klar ist: Die Abbrecherzahlen bewerten die beiden Hamburger Kammer-Experten als zu hoch. "Denn der Fachkräftemangel wird künftig noch zunehmen", so Mohaupt. "Wichtig ist vor allem, dass die Jugendlichen früh über die Anforderungen eines Berufs Bescheid wissen. Die Orientierung muss schon in den Schulen beginnen", sagt Thieß. Gleichzeitig sei es aber auch wichtig, dass sich sowohl die Betriebe als auch die betroffenen Jugendlichen bei Problemen während der Ausbildung frühzeitig bei den Kammern meldeten. "Derzeit kommen solche Hilferufe oftmals so spät, dass wir das Ausbildungsverhältnis dann auch nicht mehr retten können."