Anteilseigner verzichten auf Sonderrechte. Doch Deutschland, Frankreich und Spanien halten bald 28 Prozent. Aktie reagiert mit Kurssprung.

München/Paris. Die Chefunterhändler des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS dürften mächtig müde sein. Fast 72 Stunden hatten Strategiechef Marwan Lahoud und Chefjurist Peter Kleinschmidt "mehr oder weniger durchgearbeitet", schreibt Konzernchef Tom Enders in einem Brief an die Mitarbeiter. Die beiden hatten mit Aktionären und Regierungen über eine Neuordnung der Machtstrukturen bei EADS gerungen. Mit Erfolg: Am späten Mittwochabend vermeldeten sie Vollzug. "Das sind gute Nachrichten", lobt Enders. Der Staatseinfluss auf das Unternehmen sinke. Auch Anleger reagierten am Tag danach euphorisch: Die Aktie stieg am Donnerstag zeitweise um mehr als neun Prozent.

Den Konzern vom staatlichen Einfluss zu befreien ist ein altes Ziel von Enders. Der Konzernchef beklagte in der Vergangenheit die "deutsch-französische Zwangsjacke", in der EADS stecke. Der jüngste Beleg dafür dürfte das Scheitern der Fusionsverhandlungen mit dem britischen Rüstungskonzern BAE Systems im Oktober gewesen sein. Der Zusammenschluss war am Widerstand der Regierungen gescheitert.

Nun wird die Macht über EADS neu geordnet. Bislang wird das Unternehmen von einem Pakt staatlicher und privater Aktionäre bestimmt, die etwas mehr als 50 Prozent an EADS halten. Doch Autobauer Daimler (15 Prozent), der französische Medienkonzern Lagardère (7,5 Prozent) sowie deutsche Banken steigen aus - Daimler verkaufte schon die Hälfte seiner EADS-Aktien für knapp 1,7 Milliarden Euro. Die Bundesregierung wird über die staatliche Kfw-Bankengruppe Anteile im Umfang von zwölf Prozent übernehmen. Frankreich soll auch zwölf Prozent halten, Spanien vier Prozent.

Fraglich ist allerdings, ob die Rochade wirklich, wie von Enders erhofft, EADS vom Staatseinfluss befreit. Zwar wird der Aktionärspakt aufgelöst und die Vertragsparteien verzichten auf Sonderrechte. Doch der Anteil, den die Regierungen an EADS halten, erhöht sich. Erstmals kann die Bundesregierung direkt bei EADS mitreden.

Von einer Stärkung der deutschen Position spricht denn auch Peter Hintze, Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung: "Wir haben eine Realbalance hergestellt, was der Gründungsidee entspricht und gut so ist", sagte er "Das bedeutet, Deutschland und Frankreich werden die gleiche Anzahl von Aktien halten, die gleichen Rechte im Aktionärspakt haben, und es gelten für beide die gleichen Verfahren. Die Rechtsposition Deutschlands verbessert sich dadurch beträchtlich." Wie stark der Einfluss der Staaten sein wird, muss sich allerdings noch im Tagesgeschäft zeigen. Zum Beispiel im Verwaltungsrat des Unternehmens, der mit einer Zweidrittelmehrheit etwa Standortfragen absegnen muss. Die Aufseher werden nach einem komplizierten Verfahren bestellt. Erstmals hat Enders das Recht, Kandidaten zu nominieren. Einige Posten werden allerdings nur mit Zustimmung der Regierungen ernannt werden können. "Ich denke, dass dort auch die Interessen der Anteilseigner ihre Berücksichtigung finden werden", sagte Hintze.

Auch die strittige Frage des Hauptquartiers wurde geregelt. So akzeptiert die Bundesregierung, dass der operative Hauptsitz in Toulouse angesiedelt ist. Dabei hatten Bundespolitiker zuletzt noch energisch gegen die Zusammenlegung der Zentralen aus Paris und München gewettert. Einheiten allerdings, die derzeit in München angesiedelt sind, sollen dort verbleiben.

Frankreichs Staatspräsident François Hollande begrüßte das neue Aktionärsabkommen. Wie aus politischen Kreisen aus Paris verlautete, soll Hollande allerdings Enders bei einem Treffen am Mittwoch aufgefordert haben, die französische Regierung regelmäßig alle acht Monate über die Entwicklung des Unternehmens zu informieren.

Deutschland und Frankreich werden sich in EADS-Fragen eng abstimmen müssen. Frankreich möchte die Zusammenarbeit in der Verteidigungs- und Rüstungspolitik vertiefen. Hierfür müsse man eine Vertrauensbasis aufbauen, sagte Patricia Adam, Vorsitzende der Verteidigungspolitischen Kommission der französischen Nationalversammlung. Französische Medien sind jedoch skeptisch, ob es EADS gelingen wird, wie versprochen ein ganz normales Unternehmen zu werden.

Auf Enders wird nun einige Arbeit warten. Im März kommenden Jahres soll eine Hauptversammlung die Weichen für die Machtneuordnung stellen. Bis dahin muss er geeignete Kandidaten für den Verwaltungsrat nominieren. Zum einen muss Verwaltungsratschef Arnaud Lagardère ersetzt werden, der seine Beteiligung (7,5 Prozent) im ersten Halbjahr verkaufen will. Zum anderen muss der EADS-Chef Aufseher vorschlagen, die in den Spitzengremien der "nationalen Verteidigungsunternehmen" in Deutschland und Frankreich sitzen sollen. Ein Trost für Enders: Politiker und Beamte sind von der Ernennung ausgeschlossen, heißt es.