Das Auktionshaus Lauritz plant bis zu 30 Standorte in Deutschland. Hamburger Showroom an der Elbe bereits jetzt erfolgreich.

Hamburg. Der Einstieg in die Zukunft des Auktionshandels begann für Bengt Sundstrøm mit einem Ausflug in die Vergangenheit. 1998 hatte er Lauritz Christensen Auktioner gekauft. Das 1885 gegründete Unternehmen aus Kopenhagen war das älteste noch existierende dänische Auktionshaus. Sundstrøm plante eine kleine Kulturrevolution: Der ehemalige Geschäftsführer beim Konkurrenten Bruun Rasmussen Auctioneers wollte unter dem Traditionsnamen Lauritz ein neues Geschäftsfeld entwickeln, einen auf Kunst, Design, Antiquitäten und Luxusartikel spezialisierten Online-Auktionshandel.

Sein Start in den alten Räumen von Lauritz war jedoch eher ein kleiner Kulturschock: "Das Fortschrittlichste, was es dort gab, war eine IBM-Kugelkopfmaschine", sagt Sundstrøm und fügt trocken hinzu: "Das war ein großer Spaß. Die Kataloge waren bis zuletzt handschriftlich vorbereitet worden, für die Buchhaltung hatte man alte Kolonnenbücher verwendet, und die Kunden mussten erst klingeln, um eingelassen zu werden." Lauritz Christensen, ein Familienbetrieb in der vierten Generation, versteigerte etwa 1000 Objekte in fünf, sechs Antiquitätenauktionen pro Jahr - Silber, Kristall, Malerei, aber auch Möbel, Maritimes und Militaria.

Bengt Sundstrøm wollte das Sortiment öffnen und neben den konventionellen Versteigerungen das Online-Geschäft etablieren. Der Erfolg seiner Idee übertraf dann alle Erwartungen. "Wir waren von Anfang an im Online-Handel so erfolgreich, dass ich schon ein Jahr später entschieden habe, dass wir keine traditionelle Auktion mehr brauchen", erzählt Sundstrøm. Unter dem Namen Lauritz.com startete die Firma als reines Online-Auktionshaus ins neue Jahrtausend, schrieb von Anbeginn schwarze Zahlen und wächst rasant.

Allein 2011 fanden 300 000 Internet-Auktionen statt, der Umsatz lag bei 98 Millionen Euro. Im Schnitt sind mehr als 8000 Objekte gleichzeitig in der Versteigerung. Die Website hat jede Woche mehr als 700 000 Besucher. Kunden kommen aus mehr als 150 Ländern - 2000 bis 3000 neue in jeder Woche, im Mai 2012 wurde die Kundennummer 1 000 000 vergeben.

"Wir haben eine echte Marktlücke entdeckt", sagt Mette Rode Sundstrøm, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Ehemann leitet. Als Erfolgsrezept sieht sie die Kombination von Bewährtem und Neuem: "Traditionelle Auktionen sind eher geschlossene Gesellschaften und ein bisschen elitär, wohingegen die Online-Versteigerung eine offene Plattform für jedermann ist. Lauritz.com bringt das Beste aus beiden Welten zusammen."

Gegenwärtig betreibt Lauritz.com 20 Showrooms, die meisten in Skandinavien - der erste in Deutschland wurde 2004 in Hamburg an der Großen Elbstraße 268 eröffnet, ein weiterer befindet sich in Düsseldorf. Geplant sind 30 Ausstellungsräume in Deutschland, verrät Sundstrøm: "Wir sollten hier in allen größeren Städten vertreten sein." Weniger wichtig sind die Ausstellungsräume für die Käufer. "Nur drei Prozent der Bieter schauen sich die Stücke bei uns an, bevor sie an der Auktion teilnehmen", sagt Mette Rode Sundstrøm. Die Käufer wickeln in der Regel alles online ab und verlassen sich dabei auf Lauritz.com. Deren Experten - das Gros der 260 Mitarbeiter - haben die Stücke für den Katalog fotografiert, taxiert und detailliert beschrieben. "Ihre Kompetenz ist der Kern unseres Geschäfts", sagt die Chefin. "Die Kunden müssen sich auf unsere Beschreibungen verlassen können. Vertrauen in die Expertise ist ebenso wichtig wie die Unkompliziertheit aller Abläufe."

Wer etwas verkaufen will, kann das Objekt in einem der Showrooms kostenlos und unverbindlich schätzen lassen - bei wertvollen Stücken sind auch Hausbesuche möglich. Lauritz.com verdient erst, wenn ein Artikel versteigert wird. Der Verkäufer zahlt zwölf Prozent Provision oder mindestens 35 Euro an das Online-Auktionshaus, der Käufer 20 Prozent auf den Kaufpreis plus 13 Euro Zuschlagsgebühr.

Ungefähr die Hälfte des Umsatzes erzielt Lauritz.com mit Einrichtungsgegenständen, also Möbeln, vorzugsweise Designklassiker, sowie Lampen und Teppichen. Es folgen Kunstobjekte (15 Prozent), Schmuck, Haus und Garten (je zehn Prozent) sowie Keramik, Porzellan und Silber (zusammen fünf Prozent). Im Laufe der Jahre sind neue Bereiche hinzugekommen, zum Beispiel Fotografie, Haute Couture, das Kinderuniversum. Voraussetzung ist immer, dass es sich um hochwertige Stücke handelt. 30 Prozent der Objekte im Online-Katalog sind Neuwaren. 90 Prozent der Verkäufer sind private Anbieter, zehn Prozent sind Händler. Beide Gruppen erbringen jeweils 50 Prozent des Umsatzes.

Mette Rode Sundstrøm erinnert sich noch gut an das erste Gespräch mit ihrem späteren Ehemann im Jahr 2001, als sie sich für den Job als Geschäftsführerin bei Lauritz.com bewarb: "Bengt sagte zu mir: 'Alles unter 50 Prozent Zuwachs akzeptiere ich nicht.'" Auch wenn das nicht ganz ernst gemeint war, ist daran wahr, dass Bengt Sundstrøm auf Expansion setzt. Für den Ausbau sind auch externe Investoren erwünscht, die jedoch nur eine Minderheitsbeteiligung erhalten sollen. Denn, so sagt Bengt Sundstrøm: "Das ist unser Kind, und wir wollen die Kontrolle behalten." Alternativen zu eigenen Filialen sind strategische Partnerschaften auf Franchise-Basis oder die Übernahme kleiner Auktionshäuser. "Wir sehen gerade in Deutschland eine große Möglichkeit zur Weiterentwicklung, weil der Markt hier so fragmentiert ist und viele regionale, traditionsreiche Auktionshäuser vor einem Generationswechsel stehen", sagt er.

Doch das sind eher kleine Schritte gegen einen großen, der Lauritz.com bevorsteht. So plant Ikea eine Kooperation. Lauritz soll als Mieter in Ikea-Einkaufszentren das Angebot bereichern. Die Verträge stehen kurz vor der Unterschrift. "Wir wären täglich für Tausende von Menschen sichtbar - das würde uns sehr helfen, viele neue Verkäufer zu gewinnen", sagt Bengt Sundstrøm. Wenn man sich einig wird, soll Lauritz.com 2013 bei Ikea in Köln und Mannheim vertreten sein. Für die Dänen ist dieses Angebot wie der Ritterschlag durch einen Big Player, sagt Bengt Sundstrøm: "Als Ikea angerufen hat, war das ein großer Tag für uns."